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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0089

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Tafel XIV. Es werden aber wohl nie mehr als die drei jetzt erhaltenen Platten gewesen
sein, wie Dörpfeld erkannte, im rechten Winkel aneinanderstoßend, also annähernd ein
an der vierten Seite offenes Quadrat bildend und vermutlich oben mit Bretterboden ein-
gedeckt. Ob an der vierten Seite Stufen hinaufführten (Abb. 21 nach der Rekonstruktions-
skizze bei Svoronos, S. 297), oder ob das Hohlpodium hier an einen anderen Körper
von gleicher Höhe, etwa an ein Proskenion, anschloß, wagte Svoronos nicht zu entscheiden.
Ich vermute, daß ersteres der Fall war. Jedenfalls scheint mir das Denkmal ein wichtiges
Zeugnis für jene einschneidende Neuerung zu sein, welche das Musikwesen Mantineas
gegen Ende des 4. Jahrh. v. Chr. erfuhr. Das schöne Bema ist schon für die Vertreter der
neuen Richtung, nicht mehr für die alte Schule gemacht. Die Rundform des Podiums ist
aufgegeben; so wird es auch nicht mehr in einem Rundbau gestanden haben, die Zeit,
da man solche Bauten für musische Agone neu errichtete, war vorüber. Das Bema,
die Thymele ist schon viereckig, wenn vielleicht auch nicht zum unmittelbaren Anschluß
an die geradlinige Front eines Proskenions hergerichtet — die Proskenia zu jener Zeit
waren, wie bekannt, beträchtlich höher —, so doch irgendwie in seiner Nähe aufgestellt. In
der Nähe des Theaters sind die Platten gefunden, im Theater wird es wohl gestanden haben.
Die ersten Anfänge der Bühnenmusik werden von diesem viereckigen Podium vor den
erstaunten und bewundernden Mantineern erklungen sein. Vielleicht sahen diese Künstler
der damaligen Moderne, welche die Musen nun allein für sich in Anspruch nahmen,
auch in dem bekannten breiteren Frontrelief des Bemas eine Anspielung auf ihren eigenen
Triumph.1 Apollos Diener charakterisiert jetzt asiatische Tracht! Der unterliegende
Gegner aber ist im Ganzen dem Pan verwandt, der gerade mit der Flöte als der charakte-
ristische Vertreter des arkadischen Hirtenlandes auf den bekannten Münzen eben dieser
Zeit erscheint. Von seinem Felsensitz hat jetzt der neue Apollo Besitz genommen.

Endlich möchte ich den Rest einer antiken Marmorthymele vermuten in dem be-
kannten Relief aus Messene mit der fälschlich auf Lysipp bezogenen Löwenjagd: Expe-
dition de More I, pl. 35, 2. Nach Stackelberg, Annali 1829, 131 ist es gefunden in der
Nähe des Gymnasiums als «von einem charogischen Monument?» stammend (H. 60 cm,
weite Krümmung!).

der von Pausanias VIII, 9, 1 erwähnten Kultstatue im Tempel der Leto daselbst gewesen, wendet. Das geht
auch nur bei der gewaltsamen Änderung des Textes (Moüoat statt des überlieferten Moüoa), zu der keinerlei
Veranlassung vorliegt. Wenn es — was mir indessen sehr unwahrscheinlich ist — wirklich richtig ist, daß
neben der Apollo-Marsyas-Platte einst noch eine ebenso lange andere, jetzt fehlende saß, war das Podium
etwa 2 ^2 mal so lang wie tief.

1 Vergl. Wilamowitz, Die griech. Literatur des Altertums, S. 56 zu Timotheos, dem «einzigen
klassischen Kitharoden»: «Wenn die chorische Musik, in der die Flöte dominierte, den Dorern gehört, so
bleibt hier (in der Kilharodie) die Führung den Asiaten». Auch die Auffassung der Antike selbst war
es, daß die Auletik der Kitharodik als das Primitivere vorangegangen sei. Vergl. Abert, Das Ethos in der
griech. Musik, S. 60. Zur Kitharodik als Vertreterin der kleinasiatischen (äolischen) Weisen vergl. ebenda,
S. 82. — Auch Fougeres a. a. 0. 560 erkennt in dem Marsyasrelief eine Anspielung auf die musikalische
Zeitgeschichte des damaligen Mantinea. Aber seine politisch gefärbte Deutung (die böotische Flöte [= Theben]
von Athena [= dem damals mit Arkadien gegen Theben verbündeten Athen (im Relief aber gar nicht
vorhanden!) verachtet]) scheint mir zu künstlich. Mit Recht betont Fougeres (551), daß zur Lösung der
Fragen, ob Basis oder Thymele und ob eine Platte fehlt, eine neue Untersuchung der Originale unumgänglich
notwendig ist, die freilich durch die Einmauerung der Platten in die Wände des athenischen Museums vorerst
unmöglich gemacht ist. Zur Auffassung der Marsyasgeschichte als musikgeschichtliche Allegorie vergl.
jetzt auch E. Graf, Der Kampf um die Musik im Altertum (Beilage zum Programm des K. Gymnasiums zu
Quedlinburg 1907), S. 11 ff.

Zeitschrift für Geschichte der Architektur. IL 10

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