Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0108

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94 H. Thiersch-Freiburg i. Br.

glaube, sogar noch seine alte Bezeichnung wSsfov1 beibehalten; denn mit Ad. Michaelis
(Preuß. Jahrb. 1903) vermute ich, daß diese überragende Leistung in ihrer hadrianischen
Fassung auf den genialsten Architekten der Kaiserzeit zurückzuführen ist, auf Apollodor
von Damaskus. Für ein Gegenstück dazu im Osten halte ich den immer noch uner-
klärten Zentralbau in der «Stoa Hadrians» zu Athen. Da vermutlich werden die
aa^c.ra ■frsoo 'Aöpiavoö bei der Feier der athenischen 'ASpiavdi (vergl. Usener, Rhein.
Mus. XXIX, 48) erklungen sein.2 Doch von all dem ein andermal!

Nachtrag.

Der S. 67, Anm. 2 erwähnte Bau beim Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta
ist ein ebenso im allgemeinen singuläres wie für unsre Fragen wichtiges Monument: ein kreis-
rundes römisches Theater, dessen volle Kreisform nur an einer Stelle in schmalem Spalt
durch den alten Artemistempel unterbrochen wird. Dies Theater stammt zwar erst aus
Caracallas Zeit, hatte aber in seiner abnormen, völlig unrömischen Grandrißform
sicher einen älteren, griechischen Vorläufer an Ort und Stelle, vielleicht nur in
Holz oder Erdanschüttung. Der kreisrunde Tanzplatz, die spätere Orchestra (Dm. 21,5 m),
vor der Tempelfront mit dem Altar der Artemis war offenbar die Stätte der ältesten
Feiern hier, ihre Grundform war maßgebend für alle Folgezeit. Aus den mitgefundenen
Inschriften und der literarischen Überlieferung wissen wir, was auf diesem Rund vor
sich ging: nicht nur wilder Mummenschanz mit häßlichen Masken, hier traten in
Wettsingen und musikalischem Spiel ([uoa, xeXsa) Knabenchöre auf, hier tanzten und
sangen beim Sternenglanz die spartanischen Mädchen nach Alkmans Melodien ihre Reigen,
hier hielt sich bis in späte Kaiserzeit zu Ehren der Göttin die blutige Geißelung der
Jünglinge und ein Jagdspie], in dem man noch einen letzten Ausläufer kretischer Stierspiele
zu ahnen glaubt (xofKhjpacdpiv). Vergl. Annual of the British School at Athens, XII, 44 ff.
und XIII, 303 ff., 331 ff. Von vornherein ist es höchst wahrscheinlich, daß Sparta
auch durch diese Institution mit Altkreta zusammenhängt. Die architektonischen Pa-
rallelen auf Kreta scheinen das zu bestätigen. Der als Theater umgebaute, immer noch
rätselhafte Rundbau von Gortyn (Dm. 33 m) ist vielleicht nur das bekannteste Beispiel.
Nach alten, aus dem 16. Jahrhundert stammenden Aufnahmen, die Falkener, Theatres
and other remains in Grete, herausgegeben hat, hat schon Bosanquet, Annual of the
British School at Athens, XII, 311 note 1, ähnliche Schlüsse gezogen. —

Jene oben S. 71 erwähnten Reste der älteren Tholos in Delphi habe ich selbst
noch nicht gesehen. Eine Photographie und Mitteilung meines hiesigen Kollegen,

1 Cassius Dio LXIX, 4. Zur Akustik des Pantheon vergl. Orth, in Erbkams Zeitschr. für Architektur
1870, S. 202. — Bezeichnend für die Geschichte der alten Musikpavillons scheint mir die Verschiedenartigkeit
ihrer Benennung seitens der Antike selbst. Nur die ältere Zeit nämlich, welche musikalische Aufführungen in
diesen Rundbauten selbst noch kannte und erlebte, benennt sie auch nach diesen Konzerten darin; so die
Bauinschrift in Epidauros: «Thymele», das Epigramm von Knidos, die Inschrift aus Pergamon («Hymno-
deion»), Arisloph. Vesp. 1109 von Perikles' Bau: «Odeion», ebenso Xenoph. Hell. II, 4, 9, 25. Schob
Aeseh. III, 07, Andor. 1, 38, Cratinus bei Plutarch Per. 13. Die Späteren dagegen entnehmen ihre Bezeich-
nung nicht mehr der wirklichen Bestimmung des Baues, denn die war eben längst erloschen, sondern höchstens
der auffallendsten Äußerlichkeit desselben, des formal hervorstechendsten Zuges, der Rundgeslalt von Dach
oder Saal: Etym. Magn. von Sparta: «olv.o? aTpoYfoXo?», Pausanias vom Odeion des Perikles I, 20, 4 ganz
allgemein: «xaTaaxsuaop.«», von den Tholoi «av.:aoE?».

2 Den Hymnenvortrag der ephesischen Epheben hörte Hadrian im dortigen Theater an. Vergl. jetzt
üsterr. Jahreshefte 1908, S. 107.
 
Annotationen