Die Aachener Bronze-Gitter und das Theoderich-Denkmal.
Nun möchte ich dasjenige andere Bauwerk
kennen, welches alle diese komplizierten Forde-
rungen an die Gittercinteilung stellt, die in den
Aachener Gittern genau erfüllt sind, während ihre
Erfüllung in Aachen nicht nur völlig zwecklos
war, sondern der durchaus gleichmäßigen archi-
tektonischen Dreiteilung der acht Bögen in unbe-
greiflicher Weise widerspricht.
Die Gewißheit, daß Säulen und Marmor-
schmuck des Aachener Münsters aus Ravenna von
Theoderichs Bauwerken geholt sind, ist urkund-
lich gegeben; auch Einhard bestätigt dies. Es ist
ferner erwiesen, daß Karl die Bronzestatue Theo-
derichs nach Aachen schleppte und vor dem
Münster aufstellte. Es ist nicht gelungen, die
Existenz einer Bronzegießerei im Norden um jene
Zeit nachzuweisen, damit also die Möglichkeit
einer Entstehung der Gitter in Deutschland so
gut als abgeschnitten.
Somit ist ein noch speziellerer dokumen-
tarischer Beleg kaum mehr erforderlich; nach
Obigem und den soeben aufgezählten Gründen
wird er aber ganz entbehrlich und darf der Nach-
weis der Herkunft der Gitter in Aachen vom
Theoderich-Denkmal als restlos gegeben angesehen
werden, wenn man zuletzt dazu erwägt, daß ja
auch die Maße wirklich genau passen.
• Diese Maßübereinstimmung war doch an sich
schon eigentlich überzeugend genug. —
Was nun aber den Umstand anlangt, daß der
Charakter des Stils der Gitter Ricci nicht recht
ravennatisch erschien, daß er von anderer Seite
als ausgeprägt karolingisch bezeichnet wird, so
ergeben sich demgegenüber bedeutsame Ein-
wendungen.
Zunächst: «karolingisch». Wie sieht der
karolingische Stil aus, dem die Gitter angehören
sollen ?
Woher kennt man ihn?
Die Antwort dürfte lauten: Eben nur von
diesen Gittern her! Sie galten von jeher als
karolingisch, und so hat sich die Vorstellung eines
karolingischen Bronzegitterstils aus ihnen und
an ihnen überhaupt erst gebildet.
Fallen sie daraus weg, so verschwindet
mit ihnen auch die Vorstellung von einer solchen
Bronzekunst um die Zeit der Wende des 8. zum
9. Jahrhundert in Deutschland.
Die Forschung hat 100 Jahre später einen
149
kleinen Glockengießer in Deutschland nachzuweisen
vermocht; das ist alles.
Denn auch die Bronzetüren in Aachen sind
keineswegs als dortiges oder deutsches Produkt
zu erweisen. Vielmehr werden sie ebensogewiß
aus Italien stammen, wo die Kunst der Bronze-
gießerei,- insbesondere für Türflügel, seit der
Römerzeit bis ins Mittelalter weiter lebte. Die
zu Venedig, Verona, Troja und andere beweisen
das. Ihr Stil ist aber noch absolut spätantik und
ganz verschieden von dem der Gitter.
Die Aufstellung der Gitter um das Theoderich-
Grabmäl.
Nach Deutschland kam diese Kunst anfangs des
11. Jahrhunderts von Norditalien her. Davon
reden die Arbeiten zu Hildesheim und Augsburg.
Also: der «karolingische» Stil an Bronze-
güssen des Nordens lebt überhaupt nur durch
die Vorstellung von der Aachener Entstehung
der Gitter und stirbt mit dieser.
Aber in Ravenna? — Haben wir etwa dort
sonstige ähnliche Werke aus Metall, an denen
wir unsere Gitter messen können? Bei näherer
Betrachtung scheint die Sache dort fast eben-
so schlimm zu stehen als in Aachen. Nur daß
ein kleines Gruft-Fenstergitter von dürftiger Form
in S. Apollinare in Glasse dort vorhanden ist;
immerhin aber ein greifbarer und unumstößlicher
19*
Nun möchte ich dasjenige andere Bauwerk
kennen, welches alle diese komplizierten Forde-
rungen an die Gittercinteilung stellt, die in den
Aachener Gittern genau erfüllt sind, während ihre
Erfüllung in Aachen nicht nur völlig zwecklos
war, sondern der durchaus gleichmäßigen archi-
tektonischen Dreiteilung der acht Bögen in unbe-
greiflicher Weise widerspricht.
Die Gewißheit, daß Säulen und Marmor-
schmuck des Aachener Münsters aus Ravenna von
Theoderichs Bauwerken geholt sind, ist urkund-
lich gegeben; auch Einhard bestätigt dies. Es ist
ferner erwiesen, daß Karl die Bronzestatue Theo-
derichs nach Aachen schleppte und vor dem
Münster aufstellte. Es ist nicht gelungen, die
Existenz einer Bronzegießerei im Norden um jene
Zeit nachzuweisen, damit also die Möglichkeit
einer Entstehung der Gitter in Deutschland so
gut als abgeschnitten.
Somit ist ein noch speziellerer dokumen-
tarischer Beleg kaum mehr erforderlich; nach
Obigem und den soeben aufgezählten Gründen
wird er aber ganz entbehrlich und darf der Nach-
weis der Herkunft der Gitter in Aachen vom
Theoderich-Denkmal als restlos gegeben angesehen
werden, wenn man zuletzt dazu erwägt, daß ja
auch die Maße wirklich genau passen.
• Diese Maßübereinstimmung war doch an sich
schon eigentlich überzeugend genug. —
Was nun aber den Umstand anlangt, daß der
Charakter des Stils der Gitter Ricci nicht recht
ravennatisch erschien, daß er von anderer Seite
als ausgeprägt karolingisch bezeichnet wird, so
ergeben sich demgegenüber bedeutsame Ein-
wendungen.
Zunächst: «karolingisch». Wie sieht der
karolingische Stil aus, dem die Gitter angehören
sollen ?
Woher kennt man ihn?
Die Antwort dürfte lauten: Eben nur von
diesen Gittern her! Sie galten von jeher als
karolingisch, und so hat sich die Vorstellung eines
karolingischen Bronzegitterstils aus ihnen und
an ihnen überhaupt erst gebildet.
Fallen sie daraus weg, so verschwindet
mit ihnen auch die Vorstellung von einer solchen
Bronzekunst um die Zeit der Wende des 8. zum
9. Jahrhundert in Deutschland.
Die Forschung hat 100 Jahre später einen
149
kleinen Glockengießer in Deutschland nachzuweisen
vermocht; das ist alles.
Denn auch die Bronzetüren in Aachen sind
keineswegs als dortiges oder deutsches Produkt
zu erweisen. Vielmehr werden sie ebensogewiß
aus Italien stammen, wo die Kunst der Bronze-
gießerei,- insbesondere für Türflügel, seit der
Römerzeit bis ins Mittelalter weiter lebte. Die
zu Venedig, Verona, Troja und andere beweisen
das. Ihr Stil ist aber noch absolut spätantik und
ganz verschieden von dem der Gitter.
Die Aufstellung der Gitter um das Theoderich-
Grabmäl.
Nach Deutschland kam diese Kunst anfangs des
11. Jahrhunderts von Norditalien her. Davon
reden die Arbeiten zu Hildesheim und Augsburg.
Also: der «karolingische» Stil an Bronze-
güssen des Nordens lebt überhaupt nur durch
die Vorstellung von der Aachener Entstehung
der Gitter und stirbt mit dieser.
Aber in Ravenna? — Haben wir etwa dort
sonstige ähnliche Werke aus Metall, an denen
wir unsere Gitter messen können? Bei näherer
Betrachtung scheint die Sache dort fast eben-
so schlimm zu stehen als in Aachen. Nur daß
ein kleines Gruft-Fenstergitter von dürftiger Form
in S. Apollinare in Glasse dort vorhanden ist;
immerhin aber ein greifbarer und unumstößlicher
19*