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lieh bereits in einer zweiten, weniger reich aus-
gestatteten Ausgabe in einem Band (758 S.)
von neuem erschienen. In dieser zweiten Fassung
hat es sich vermöge seiner bequemeren Hand-
lichkeit, namentlich aber vermöge des beträchtlich
ermäßigten Preises1 nun erst weiteren Kreisen
zugänglich gemacht, und es scheint wohl am
Platz, seiner wie einer Neuerscheinung mit einigen
Worten an dieser Stelle zu gedenken.
Erwähnung verdient dabei schon der Umstand,
daß einmal ein italienischer Forscher sich —
wie es R. im zweiten Teil seines Werkes in
eingehendster Weise tut — auch mit der Kunst
jenseits der Alpen beschäftigt. Immerhin —
wie schon der Untertitel des Buches anzeigt,
interessieren den Verfasser die Bauschulen des
Nordens doch nur, insoweit sie ihm als
Ableitungen aus der in den Mittelpunkt ge-
stellten großen Hauptquelle, der lombardischen
Architektur, erscheinen. Es ist somit schon nach
der an sich wissenschaftlich nicht ganz einleuch-
tenden Fragestellung zu erwarten, daß das hier
gegebene Bild der Baukunst im Norden sich doch
mehr als ein eher willkürlicher Ausschnitt dar-
stellen werde, wobei die Momente einem von
außen hereingebrachten Standpunkt gemäß sich
gruppieren müssen.
Über eine ausgedehnte Denkmälerkenntnis ver-
fügt der vielgereiste Verfasser auch in den
Ländern des byzantinischen Kunstkreises. Aber
auch nach dieser Richtung hin liegt ihm daran —
in entschiedenem Gegensatz zu der namentlich
von Strzygowski vertretenen, in Italien schon
von Gattaneo angebahnten Auffassung —, die
selbständige autochthone Stellung der italienischen
Architektur des Mittelalters, wenn nicht gar ihre
gebende Rolle zu betonen. Der ihn beherrschende
Grundgedanke eines lateinischen Erbes in der
früh-mittelalterlichen italischen Kunst scheint an
sich und als Korrektiv gegen die mir doch etwas
unbefriedigende Einseiligkeit jener andern nur
den Osten als schöpferisch anerkennenden An-
schauung der Berücksichtigung wert.
Manchen seiner Hinweise in diesem Sinne wird
man freilich nicht wohl zustimmen mögen; oft
werden aus äußerlichen Übereinstimmungen Zu-
sammenhänge aufgestellt, die bei der Frage nach
1 Lire 20.— statt ca 70.— der ersten Ausgabe.
der praktischen Möglichkeit sich als unsinnig
erweisen (so die Verknüpfung gewisser phan-
tastischer Tiermotive auf Kapitalen usw. mit
alt-etruskischen Gegenstücken, so die Ableitung
nordischer Flechtbandmuster aus der Ornamentik
altrömischer Pavimente).1 Einleuchtend aber
bleibt die Rückführung früherer Gewölbe- und
Kuppelkonstruktioncn auf Vorbilder der späteren
römischen Kaiserzeit, Thermen oder Grab-
mäler. Die ravennatischen Bauten sind nach ihm
nicht Musterstücke, die Errungenschaften des
Ostens in die italienische Baukunst vermitteln;
vielmehr zum größten Teil, ebenso wie diese
letztere von antik-römischen Bauwerken abhängig,
wobei er sich übrigens in manchen Punkten
schon auf Ghoisy2 berufen kann.
In allgemeiner Form ist ein solches Weiter-
wirken der römischen Antike, ein Fortleben ge-
wisser formaler und technischer Eigenarten, die
der italienischen Baukunst im frühen Mittelalter
doch sozusagen noch im Blut stecken mußten,
eine Talsache, mit der doch wohl zu rechnen
ist. Darauf wieder hingewiesen zu haben, ist
dem Verfasser gewiß als Verdienst anzurechnen.
Dagegen wirkt häufig geradezu störend ein
anderer überall durch klingender Glaubenssatz,
wonach in der Zeit des entstehenden romanischen
Stils alle neuen Gedanken nur allein im Gebiet
der Lombardei ihren Vorsprung genommen haben
könnten; wo eine neue Form anderwärts in Italien
zuerst aufzutreten scheint, wird sie entweder als
offenbar spätere Zutat erklärt (z. B. die Würfcl-
kapitäle in der Krypta von S. Marco, die nicht
mehr, entsprechend der allgemeinen Annahme,
dem Bau des X. Jahrhunderts zugerechnet werden
dürfen, da sie sonst denjenigen in S. Abondio
inComo vorgreifen würden)3; oder aber es werden
lombardische Vorbilder dafür als ehemals vor-
handen und seither verloren gegangen kurzweg
supponiert, wie für die Rippengewölbe der Seiten-
schiffe von S. Flaviano in Monte Fiascone,
die, wie der Verfasser meint, dem inschriftlich
erwähnten Bau von 1032 angehören, und außer-
1 S. z. B. p. 494. Eine entsprechende These
vertrat für die Motive des longobardiscben Stils in
Italien schon Mazzanti (scultura ornamentale rom.
nei tempi bassi [Archiv, stor. d. Arte. 1896]).
2 L'art de bätir chez les Byzantins. pass.
3 S. p. 255.
lieh bereits in einer zweiten, weniger reich aus-
gestatteten Ausgabe in einem Band (758 S.)
von neuem erschienen. In dieser zweiten Fassung
hat es sich vermöge seiner bequemeren Hand-
lichkeit, namentlich aber vermöge des beträchtlich
ermäßigten Preises1 nun erst weiteren Kreisen
zugänglich gemacht, und es scheint wohl am
Platz, seiner wie einer Neuerscheinung mit einigen
Worten an dieser Stelle zu gedenken.
Erwähnung verdient dabei schon der Umstand,
daß einmal ein italienischer Forscher sich —
wie es R. im zweiten Teil seines Werkes in
eingehendster Weise tut — auch mit der Kunst
jenseits der Alpen beschäftigt. Immerhin —
wie schon der Untertitel des Buches anzeigt,
interessieren den Verfasser die Bauschulen des
Nordens doch nur, insoweit sie ihm als
Ableitungen aus der in den Mittelpunkt ge-
stellten großen Hauptquelle, der lombardischen
Architektur, erscheinen. Es ist somit schon nach
der an sich wissenschaftlich nicht ganz einleuch-
tenden Fragestellung zu erwarten, daß das hier
gegebene Bild der Baukunst im Norden sich doch
mehr als ein eher willkürlicher Ausschnitt dar-
stellen werde, wobei die Momente einem von
außen hereingebrachten Standpunkt gemäß sich
gruppieren müssen.
Über eine ausgedehnte Denkmälerkenntnis ver-
fügt der vielgereiste Verfasser auch in den
Ländern des byzantinischen Kunstkreises. Aber
auch nach dieser Richtung hin liegt ihm daran —
in entschiedenem Gegensatz zu der namentlich
von Strzygowski vertretenen, in Italien schon
von Gattaneo angebahnten Auffassung —, die
selbständige autochthone Stellung der italienischen
Architektur des Mittelalters, wenn nicht gar ihre
gebende Rolle zu betonen. Der ihn beherrschende
Grundgedanke eines lateinischen Erbes in der
früh-mittelalterlichen italischen Kunst scheint an
sich und als Korrektiv gegen die mir doch etwas
unbefriedigende Einseiligkeit jener andern nur
den Osten als schöpferisch anerkennenden An-
schauung der Berücksichtigung wert.
Manchen seiner Hinweise in diesem Sinne wird
man freilich nicht wohl zustimmen mögen; oft
werden aus äußerlichen Übereinstimmungen Zu-
sammenhänge aufgestellt, die bei der Frage nach
1 Lire 20.— statt ca 70.— der ersten Ausgabe.
der praktischen Möglichkeit sich als unsinnig
erweisen (so die Verknüpfung gewisser phan-
tastischer Tiermotive auf Kapitalen usw. mit
alt-etruskischen Gegenstücken, so die Ableitung
nordischer Flechtbandmuster aus der Ornamentik
altrömischer Pavimente).1 Einleuchtend aber
bleibt die Rückführung früherer Gewölbe- und
Kuppelkonstruktioncn auf Vorbilder der späteren
römischen Kaiserzeit, Thermen oder Grab-
mäler. Die ravennatischen Bauten sind nach ihm
nicht Musterstücke, die Errungenschaften des
Ostens in die italienische Baukunst vermitteln;
vielmehr zum größten Teil, ebenso wie diese
letztere von antik-römischen Bauwerken abhängig,
wobei er sich übrigens in manchen Punkten
schon auf Ghoisy2 berufen kann.
In allgemeiner Form ist ein solches Weiter-
wirken der römischen Antike, ein Fortleben ge-
wisser formaler und technischer Eigenarten, die
der italienischen Baukunst im frühen Mittelalter
doch sozusagen noch im Blut stecken mußten,
eine Talsache, mit der doch wohl zu rechnen
ist. Darauf wieder hingewiesen zu haben, ist
dem Verfasser gewiß als Verdienst anzurechnen.
Dagegen wirkt häufig geradezu störend ein
anderer überall durch klingender Glaubenssatz,
wonach in der Zeit des entstehenden romanischen
Stils alle neuen Gedanken nur allein im Gebiet
der Lombardei ihren Vorsprung genommen haben
könnten; wo eine neue Form anderwärts in Italien
zuerst aufzutreten scheint, wird sie entweder als
offenbar spätere Zutat erklärt (z. B. die Würfcl-
kapitäle in der Krypta von S. Marco, die nicht
mehr, entsprechend der allgemeinen Annahme,
dem Bau des X. Jahrhunderts zugerechnet werden
dürfen, da sie sonst denjenigen in S. Abondio
inComo vorgreifen würden)3; oder aber es werden
lombardische Vorbilder dafür als ehemals vor-
handen und seither verloren gegangen kurzweg
supponiert, wie für die Rippengewölbe der Seiten-
schiffe von S. Flaviano in Monte Fiascone,
die, wie der Verfasser meint, dem inschriftlich
erwähnten Bau von 1032 angehören, und außer-
1 S. z. B. p. 494. Eine entsprechende These
vertrat für die Motive des longobardiscben Stils in
Italien schon Mazzanti (scultura ornamentale rom.
nei tempi bassi [Archiv, stor. d. Arte. 1896]).
2 L'art de bätir chez les Byzantins. pass.
3 S. p. 255.