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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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176 Literatur.

liehen Bestreben, das Neue an das schon Be- In musterhafter Weise wurden die Ergebnisse
kannte anzugliedern und aus ihm zu erklären, durch Bulle vorgelegt (Abh. d. bayr. Akad. 1907),
unterschätzt hatte, klarer erfassen. Während die unc' durch Hilfsuntersuchungen in der näheren
Wanderungstheorie die natürliche Neigung haben Umgebung von Orchomenos der Nachweis geliefert,
mußte, die große Insel auch in ihren Kultur- daß diese Schichtenfolge deswegen nicht als eine
erscheinungen an das Festland, sei es das asiatische, mit Selbstverständlichkeit sich auseinander ent-
sei es das europäische, anzuschließen, lehrte die wickelnde betrachtet werden darf, weil an andern
von Jahr zu Jahr wachsende Kenntnis kretischer Punkten bald nur die eine, bald nur die andere
Kunst und Kultur überhaupt die bedeutende und dieser Bauweisen (und damit das gerade für sie
eigenartige Ausprägung des Inselcharakters wür- als charakteristisch in Orchomenos festgestellte
digen, und die chronologischen Ermittlungen ge- keramische Material) sich findet: also müssen dort
statteten festzustellen, daf3 viele Erscheinungen, die Übergänge als plötzliche, nicht wohl ohne
die sich mit Festländischem berühren, auf der Bevölkerungswechsel zu verstehende, angesehen
Insel zeitlich früher auftreten. Viel Mühe und werden (trotz E. Meyer, G. d. A. 1 2, 1909, 691).
Scharfsinn ist in den letzten Jahren darauf ge- Auf diesen Grundlagen, auf solcher Erkenntnis
wandt worden, das geschichtliche Verhältnis der setzt nun Noacks neues Buch ein, wesentlich ge-
kretischen Wohnungsformen unter sich aufzu- fördert durch einen sehr wichtigen Fund im öst-
hellen und dadurch die Untersuchung ihres Ver- liehen Kreta, wo Xanthudidis auf der elliptischen
hältnisses zu den festländischen Formen auf eine Kuppe eines Hügels unweit von Muliana bei
sicherere Grundlage zu stellen. Neben der reichen Chamaisi die Grundlinien eines Ovalhauses ge-
Belehrung, welche wir der emsigen und gewissen- funden hatte (Ephem. arch. 1906, 117 — 154), das
haften Arbeit der ausgrabenden Gelehrten selber schon Bulle mit seinen Ovalhäusern, Burrows mit
verdanken, sind es namentlich Dörpfeld und den kretischen Palästen in Verbindung gebracht
Mackenzie gewesen, welche, wenn auch in ver- hatten, ohne jedoch in ihm die eigentliche, also
schiedenem, z. T. recht entgegengesetztem Sinne, epichorische Urform der kretischen Paläste wirk-
unser Verständnis gefördert haben. Neben sie trat lieh nachgewiesen zu haben. Solch klaren gene-
1903 Noack mit seinem Buche «HomerischePaläste. tischen Nachweis gab erst Noack, scharfsinnig
Eine Studie zu den Denkmälern und zum Epos», aufzeigend, wie sich hier innerhalb der ovalen
worin zuerst mit klarem Wollen und weitem Blick Umhegung schon der kretische Zentralhof und
der Versuch durchgeführt wurde, vormykenische, die rechteckigen Innenräume vorgebildet finden,
mykenische und homerische Paläste zu scheiden, auch zu manchen andern der typischen kretischen
das Verhältnis zwischen Epos und kretisch-myke- Formen hier die Ausgangslinien liegen.. Von dieser
nischer Kultur scharf zu erfassen und auseinander- frühen Gestalt bis zu den letzten Formen der
zulegen. Mittlerweile begann auch die früher mehr kretischen Paläste ist die Linie jetzt eine unge-
zurückgetretene Frage nach der Gestaltung des Ur- brochene, eine zusammenhängende organische
hauses, nach der Erklärung der frühen Bund- Entwicklung, die nirgends Raum läßt für einen
formen, auch für Griechenland mehr Berücksichti- Wechsel der Bevölkerung, der Kultur. In diesem
gung zu finden; verdienstvolle Arbeiten Altmanns Nachweis liegt der Schwerpunkt und dasHauptver-
und Pfuhls bereiteten den Boden durch Ver- dienst von Noacks Buch. Ist er richtig, so ist es
arbeitung dessen, was wir bis dahin wußten oder gegenstandslos, nach Ubereinstimmungen zwischen
zu wissen glaubten, und Aufstellung anregender den argivischen und kretischen Häusern deswegen
Arbeitshypothesen. Da wurde uns durch die zu suchen, um aus solchen Übereinstimmungen die
bayrischen Ausgrabungen von Orchomenos wirk- Entlehnung von charakteristischen Formen in Kreta
lieh sicherer Boden unter die Füße gegeben. aus dem festländischen Hellas zu erweisen.
Sorgsamste und sachverständigste Schichten- Daß jedoch überhaupt in Grundriß und Kon-
grabung an jener ehrwürdigen alten Stätte des struktion irgend wesentliche Übereinstimmungen
böotischen Landes lehrte uns als tiefste Schicht zwischen den Grundformen hüben und drüben
Rundbauten, darauf Ovalhäuser, darüber «my- vorhanden seien, stellt Noack in Abrede, und
kenische» Häuser mit geraden Wänden kennen. wendet die Anfangskapitel seines Buches darauf,
 
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