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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0195

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Der Ursprung des Haubenturmes. 181

Die geradezu universelle Ausbreitung dieser Form und die bedeutende Schönheit,
die vielen ihrer Vertreter zugestanden werden muß, lassen es sehr bedauern, daß die
Kunstgeschichte über ihren Ursprung bis heute keinen Aufschluß zu geben vermag.
Die Einzelforsehung hat dies Gebiet bisher zu wenig
bearbeitet, als daß ein exakter Nachweis in irgend-
einem Sinne zu führen wäre. Vielleicht aber kann man
durch Zusammenstellung einiger schon jetzt bekannter
Tatsachen wegweisende Vermutungen gewinnen.

In Deutschland läßt sich zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts das unverkennbare Bestreben nachweisen, die
gotische Turmform durch Neubildungen zu ersetzen.
Eine sprechende Äußerung dieser Absicht ist der Turm
der Kilianskirche in Iieilbronn, den Hans Schweiner
von Weinsberg in den Jahren 1513—1529 errichtete.
(Vergl. auch den Schalldeckel der Kanzel in derselben
Kirche!) Alle Merkmale des späteren Turmtypus zeigen
sich schon in den frühen Gestaltungsversuchen dieser
Zeit vorgebildet: so findet sich z. B. schon die Schwei-
fung der Kuppelformen im Entwürfe Miehel Huebers
zur Schönen Maria-Kirche in Regensburg, 1519, —
sowohl an den gedrechselten Turmspitzen wie an den
mächtigen Apsidenkuppeln.1 Doch haben die Refor-
mationsjahre, wie es scheint, in Deutschland keinen
großen Turmbau von wesentlich neuen Formen her-
vorgebracht. Nicht nur die allgemeine Weltlage mag
das verhindert haben. Vor allem war die vorwiegend
ornamenthafte Art, mit der man die neue Kunst dies-
seits der Alpen zunächst annahm, für eine derartige
architektonische Entfaltung ungünstig. Die große Zeit
des Turmbaues kam für Süd- und Südwestdeutsch-
land erst ziemlich viel später. Wieviele von den zahl-
losen Haubentürmen der eigentlichen Alpenländer viel-
leicht schon in jener Zeit errichtet wurden, läßt sich
nach dem heutigen Material freilicli noch nicht beurteilen.

Die Betrachtung der früheren Denkmäler Deutsch-
lands ergibt also für die Frage nach der Geschichte
der neuen Turmform nur geringen Aufschluß. Eine
große Überraschung aber erlebt man bei Betrachtung
der architektonischen Bildhintergründe aus dem 15. und
16. Jahrhundert. Denn Turmendigungen, die den Abbildung 2. Der Dom in Lübeck.
Hauben der auf 1530 datierten Münchener Frauen-
türme genau entsprechen, finden sich bereits auf den Bildern des Rogier van der
Weyden und des Hans Memling, auch beim Meister des Meßkircher Altares und weiter-

1 R. Dohme, Geschichte der deutschen Baukunst, Berlin 1887, 293.

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