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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0196

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182 Walter H. Dammami.

hin bei Albrecht Altdorfer.1 Systematische Untersuchung der Bildhintergründe jener
Zeit könnte vielleicht manchen wertvollen Hinweis liefern. Doch ist hier vor übereilten
Schlüssen sehr zu warnen. Vor allem wird darauf zu achten sein, ob der vollausgebil-
dete Barockturm mit Hauben, Durchsichten und Laternen gegeben wird, oder allein
die Zwiebelhaube, mit oder ohne Unterschneidung und Stelzung. So lassen z. B. die
genannten Bilder nur die simple Haubenzwiebel erkennen, z. T. als Bekrönung gotischer
Steintürme. Von den zahlreich vorhandenen Denkmälern dieser Art dürften also manche
ziemlich hoch hinauf zu datieren sein.

Der unsicher tastende Versuch des Heilbronner Kilianturmes läßt erkennen, daß

man in Deutschland etwas ganz anderes zu
erreichen suchte als jene mützen- oder morchel-
förmigen Gebilde. Die neue Kunst im Süden
und Osten Deutschlands war unter dem An-
hauch klassischer Luft erwachsen. Eine Turm-
entwurfskizze Dürers2 zeigt ein offenes, ge-
länderumzogenes Säulengeschoß, von einer
Kuppel bedeckt; darüber erhebt sich eine
kleine Laterne mit haubenförmigem Abschluß
und Knaufspitze. Daß dies Blatt in irgend-
einer Weise von italienischer Kunst abhängig
ist, kann gar keinem Zweifel unterliegen;
der unwiderstehliche Strom, in dem es treibt,
liegt deutlich zutage. Freilich, welche An-
regungen ließen sich aus dem von je turm-
armen Italien gewinnen?

Cornelius Gurlitt schreibt gelegentlich
der Fassade von S. Atanasio, Rom (errichtet
von Martino Lunghi, dessen Hauptbautätig-
keit in die achtziger Jahre des 16. Jahrhun-
derts fiel) von den Türmen dieses Baues:
«Noch traut sich der Architekt nicht frei
Abbildung 3. Venedig, Sta. Maria dei Miracoli. mit dieser Neuerung heraus, nur ein Stock-
werk erhebt die Helme, welche der in Deutsch-
land üblichen welschen Haube nachgebildet wurden, über das Hauptgesims der Fassade
empor.»3 Da jedoch Gurlitt selbst das Vorkommen einer solchen Haube in Italien
schon aus dem Jahre 1523 bezeugt (Turm von Sta. Maria in Organo, Verona, von Fra
Giovanni, —■ nach dessen Vorbilde am gleichen Orte: S. Giorgio in Braida, S. Nazaro e
Celso, S. Cristoforo4), so erscheint die Annahme, diese Bauform müsse aus Deutschland
stammen, nicht als hinlänglich gesichert.

Vielmehr läßt sich schon aus einigen wenigen Beispielen erkennen, daß der Ge-
danke, dem Turm eine laternenartige Durchbrechung und einen kuppeiförmigen Ab-
schluß mit geschweifter Umrißlinie zu erteilen, italienischen Künstlern schon früh ge-

1 Rogier: Wien, kaiserl. Gal. Memling: Brügge, Ursulaschrein (Ansieht von Köln). Meßkircher Altar:
Donaueschingen. Altdorfer: Wien.

2 Skizzenbuch in Dresden. — 3 C. Gurlitt, Barock'in Italien, 194. — 4 Ebenda, 291.
 
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