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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Burger, ...: Neue Rekonstruktionsentwürfe des Tempels in Präneste aus der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0218

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204 Dr. Bürger-München.

puritanischen Ernst und die stolze Strenge als das Wesentliche ihrer Erscheinung er-
kannt hätte. In der Tat tragen die palladianischen Bauten in Vicenza oder Venedig
durchaus dieses Wesen in markantester Weise zur Schau. Allein wer näher zusieht, wird
finden, daß im Grunde genommen der leidenschaftlich phantastische Gestaltungsdrang
unter der strengen gravitätischen Hülle noch weiterlebt. Das ließe sich schon bei einer
Untersuchung über das Verhältnis der konstruktiven Bauglieder zu der architektonischen
Dekoration erweisen. Aber auch in den Grundrißdispositionen läßt sich nicht selten derselbe
Geist finden. Man braucht nicht einmal die abenteuerlichen, fast ans Unmögliche gren-
zenden Pläne Serlios1 anzusehen, um zu erkennen, daß man hier von akademischer Korrekt-
heit recht weit entfernt ist. Palladio weiß freilich in ganz anderer Weise edles Maß zu
halten, und sicherlich war es neben dem gründlichen Studium der Antike vor allem auch
die für den Norditaliener erstaunlich starke baukünstlerische Begabung, die ihn vor solchen

Abbildung 1. Rekonstruktion des Tempels von Präneste nach Cipolla.

Extravaganzen bewahrte. Aber abgesehen davon, daß er persönlich Serlio sehr viel ver-
dankte, die Lust am Fabulieren, an märchenhaftem Glanz und stolzer imponierender Größe
blieb doch auch in ihm wach. Man muß nur seine Villenentwürfe, die ja leider nur zum
geringsten Teil vollendet wurden, studieren, um zu erkennen, wie er da draußen in der
Terra ferma unbehindert durch räumliche Rücksichten, im Besitze von unbeschränkten
Mitteln, die der reiche venezianische Bauherr ihm zur Verfügung stellte, ganz seiner bau-
lichen Phantasie freien Lauf läßt und sich bemüht, die wundersame Pracht antiken Reich-
tums und Glanzes in gewaltigen, von Säulenhallen umgebenen Landpalästen aufs neue
erstehen lassen. Fast bescheiden erscheint die florentinische oder römische Villa neben
diesen baulichen Ideen. Die Villa in Quinto2, in der das von Vitruv beschriebene griechische
Haus mit den durch praktische und künstlerische Rücksichten bedingten Modifikationen
neu erstehen sollte, hätte einen Umfang von fast 1 qkm erhalten. Die Villa in Meledo3
erhebt sich stolz auf einem das Land weithin beherrschenden Hügel, zu dem schnur-

1 Sebasliano Serlio, libri dell'arcbiteltura. Venezia 1540. Lib. V.

2 Palladio, cinque libri dell'archilettura. Venezia 1570. Lib. II, S. 64.

3 a. a. 0. Lib. II, S. 60.
 
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