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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Meier, Paul J.: Die ottonischen Bauten in Quedlinburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0260

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246 P. J. Meier.

tiefung hat den Altar verdrängt und hat offenbar an die Stelle des eigentlichen Heiligen-
kultus den Grabkultus gesetzt. Denn es genügt ein Blick auf die hochwichtige Anlage
in der Krypta des Hildesheimer Domes1, um zu erkennen, daß wir auch in Quedlinburg
eine Confessio besitzen, d. h. eine Andachtstätte, die es ermöglichte, in nahe körperliche
Berührung mit den Gebeinen des zu verehrenden Toten zu kommen.2 In der Vertiefung
sind ringsum rechteckige Nischen angebracht, und in eine der an der Westseite befind-
lichen ragt der Sarg der Königin Mathilde hinein. Mathilde zählt zu den Heiligen der
katholischen Kirche, ihr ist auch das neue katholische Gotteshaus in Quedlinburg
(1855/58) geweiht, und es scheint zunächst keine Schwierigkeit vorzuliegen, ihr einen
Altar der Grabkirche zuzusprechen. Es erregt nur Bedenken, daß die Confessio mit
dem Mathildenaltar so bald wieder beseitigt worden ist. Denn die heutige Krypta, die
dem Bau der Jahre 1070—1129 angehört, nimmt auf die Confessio nicht die geringste
Rücksicht; die eine ihrer östlichen Säulen steht über dem Sarge Mathildens, die zweite
über der Treppe, die in die Vertiefung führt und die nie eine andere Stelle gehabt
haben kann, da dicht bei ihr im Süden der tiefe Grabesschacht für Heinrich I. sich
öffnet. Wie ist es möglich, daß das Andenken an die fromme, um das Stift so außer-
ordentlich verdiente und von ihm auch stets hochverehrte Königin so früh ver-
wischt wurde?

Aber mit der Heiligsprechung Mathildens hat es eine eigene Bewandtnis3; denn
die Acta sanctorum der Bollandisten teilen in Bd. II (Antwerpen 1668) S. 356ff. zum
14. März, Mathildens Todestag, mit, daß die Königin verschiedentlich als Heilige be-
zeichnet wurde, daß jedoch in älteren Quellen von einer Kanouisation nicht die Rede sei.
Mit dem baulichen Tatbestand in der Peterskirche, wie gleichzeitig mit dieser Unsicher-
heit der Überlieferung in bezug auf eine Verehrung Mathildens würde daher die An-
nahme vortrefflich im Einklang stehen, daß man sich in Quedlinburg wohl mit der
Absicht trug, die Heiligsprechung der wahrhaft frommen Königin herbeizuführen und
für diesen Zweck und im Anschluß an die Weihe des Hochaltars in der Stiftskirche 1021
jene Confessio mit einem Mathildenaltar schuf, daß aber der Versuch der Heiligsprechung
aus irgend einem, uns unbekannten Grunde mißlang. Wem später der Hauptaltar in
der Krypta geweiht war, wissen wir nicht; erwähnt wird hier ein Paulusaltar 1314 und
1427, ein Nikolausaltar gleichfalls 1314, ein Andreasaltar 1395 (Erath a. a. 0., S. 372,
614, 708). ■— Die somit sich ergebende zeitliche Ansetzung der wichtigen Stuckdekoration
der Confessio auf die Zeit um 1020 unterliegt keinem Bedenken.

Der besseren Ubersicht wegen stelle ich noch einmal die Daten der Baugeschichte
zusammen, die uns die Quellen geben:

Vor 936 an einem 28. Dezember Weihe der Kollegiatkirche des hll. Petrus (und Stephanus).
936 Verlegung des Kollegiatstiftes von der Burg und Überführung des Nonnenkonvents
von Wendhausen nach Quedlinburg. Der Hochaltar der beibehaltenen Peters-

1 Bertram, Hildesheims Domgruft (Hildesh. 1897), S. 26 ff. Vergl. F. X. Kraus, Geschichte der christl.
Kunst I, 371; II, 1, S. 111.

2 Wenn in der Vita Mathildas von einem täglichen Hinabschreiten zum Grab Heinrichs I. die Rede
ist, so kann das natürlich auch so verstanden werden, daß die Königin von ihrer Wohnung im Obergeschoß
des Palas zur Kirche hinabsteigt.

3 Ich bin Herrn Dr. Beissel für Belehrung in dieser Frage dankbar. Vergl. auch Detzel, Christi.
Ikonographie II, 528. Im Quedlinburger Kalender bei Erath a. a. O., S. 908 ist außer der Memorie auch
die Vigilie Mathildens als Gedenktag bezeichnet.
 
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