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Dieser Sonderbesitz der Wartburg hilft gerade die
Wirkung des Baudenkmales in seiner Raumaus-
schmückung heben und verdient daher im Zu-
sammenhange mit der Baugescbichte nähere Be-
achtung, obzwar die meisten Stücke erst später
auf die Wartburg kamen.
Weber, der auch die Schöpfungen der Holz-
plastik und Malerei sachgemäß einbezieht, hält
die Abhandlung über alte und neue Kunstwerke
auf der Wartburg überall auf der Höhe der bau-
geschichtlichen Untersuchung und bekundet in
den Abbildungen die gleiche feinfühlige Auswahl
des Charakteristischen und künstlerisch Wertvollen.
So schließen beide Studien sich zu einem Gan-
zen zusammen und vereinigen sich zu einer kunst-
geschichtlichen Monographie über die Wartburg
und ihre Kunstschätze, welche mit zuverlässigster
Bewertung des Einzelnen erst die richtige Ein-
schätzung der hochbedeutsamen Gesamtheit des
so einzigartigen Denkmales ermöglicht.
Joseph Neuwirth.
Albert Naef, Chillon. Tome I: La Camera
Domini. La chambre des comtes et des
ducs de Savoie ä Chillon. Editeurs: Fred.
Boissonnas & Cie., Phot. Geneve 1908.
Seit langem war Schloß Chillon in aller Welt
berühmt — und im Grunde wenig gekannt. Die
erste wissenschaftliche Beschreibung hat J. B.
Rahn unternommen. (Mitteilungen der antiqua-
rischen Gesellschaft in Zürich, XXII, 1887-1889.)
An ihr ist zu ermessen, was seither durch die
Arbeiten von Albert Naef gewonnen wurde.
Der Plan einer gründlichen Restaurierung führte
zu den neuen Forschungen, die Naef seit fünf-
zehn Jahren mit einer in der Schweiz noch nie
gesehenen Gründlichkeit betreibt. Die technische
Analyse, die stellenweise mit sehr bedeutenden
Ausgrabungen verbunden war, erhielt willkom-
mene Unterstützung durch die Arbeit in den Ar-
chiven; in Turin taten sich überraschend reiche
Quellen auf. Heute sind die technischen und
historischen Untersuchungen zur Reife gediehen;
es gilt jetzt, das Werk zum Schluß zu bringen.
In zweifacher Art: durch die eigentliche Restau-
rierung des Schlosses und durch die Herausgabe
einer großen Monographie.
Der erste Band des Chillon-Werkes liegt vor.
Man hätte vielleicht eine orientierende Bauge-
schichte der ganzen Anlage erwartet. Aus be-
stimmten Gründen hat Naef diesen Gegenstand
auf spätere Bände zurückgelegt und gibt hier
die Geschichte und Beschreibung eines einzigen
Raumes : des Schlafzimmers der Grafen und Her-
zoge von Savoyen. Doch erfahren wir von den
übrigen Teilen des Schlosses schon jetzt genug,
um einer eminenten Klärung der bisher dunklen
Baugeschichte inne zu werden. Römische und
frühmittelalterliche Mauern sind in den südlichen
Teilen der Burg ausgegraben worden; die ur-
sprüngliche Planung dieser Teile bleibt noch
rätselhaft. Dann hebt sich eine mittelalterliche
Anlage heraus: ein rechteckiger Turm in der
Mitte der Insel, umschlossen von einem spitz-
ovalen Mauerbering. Sie dürfte dem 10. oder
11. Jahrhundert angehören. Sie wird, vielleicht
im 12. Jahrhundert, mit einem Zwinger ummantelt,
so daß die neue Außenmauer den felsigen Ufer-
rand der ovalen Insel begleitet. Chillons Glanzzeit
ist das 13. Jahrhundert; von 1250—1336 geben
die Grafen von Savoyen dem Schloß im wesent-
lichen seine heutige Gestalt: an der Landseite
wird der äußere Mauerzug erneuert und mit Tür-
men bewehrt; an der Seeseite der Zwinger mit
gewaltigen Saalbauten ausgefüllt.
In einem alten Turm an der Nordseite der
Burg ließ der berühmte Graf Peter II. von Sa-
voyen, der «second Charlemagne», in den Jahren
1257 bis 1260 sein Schlafzimmer einrichten.
Aus den Bechnungen erfahren wir den Namen
des gräflichen Baubeamten, dem die Arbeiten
unterstellt waren: Mainier, «custos operum
domini». Die Wände des Zimmers wurden, wie
in anderen Räumen aus der Zeit Peters IL, mit
einem Schachbrettmuster, weiß und rot, bemalt.
Von den Einzelheiten der ursprünglichen Aus-
stattung sucht Naef durch Heranziehung von
Kunstdenkmälern der Westschweiz und des Ge-
bietes von Savoyen einen Begriff zu geben.
Mögen auch diese Studien teilweise nur lose mit
dem Thema des Buches zusammenhängen, so
wird man dem Verfasser doch für die Bekannt-
gabe und Abbildung einer Reihe großer Selten-
heiten Dank wissen; es sei hingewiesen auf die
Darstellung der hochinteressanten Werke von
N. Dame de Valere in Sitten: des Stuck-Lettners
mit seinen Türen und der romanischen Holz-
truhen im dortigen Museum.
Seit 1336 wird die «Camera Domini» auf An-
Dieser Sonderbesitz der Wartburg hilft gerade die
Wirkung des Baudenkmales in seiner Raumaus-
schmückung heben und verdient daher im Zu-
sammenhange mit der Baugescbichte nähere Be-
achtung, obzwar die meisten Stücke erst später
auf die Wartburg kamen.
Weber, der auch die Schöpfungen der Holz-
plastik und Malerei sachgemäß einbezieht, hält
die Abhandlung über alte und neue Kunstwerke
auf der Wartburg überall auf der Höhe der bau-
geschichtlichen Untersuchung und bekundet in
den Abbildungen die gleiche feinfühlige Auswahl
des Charakteristischen und künstlerisch Wertvollen.
So schließen beide Studien sich zu einem Gan-
zen zusammen und vereinigen sich zu einer kunst-
geschichtlichen Monographie über die Wartburg
und ihre Kunstschätze, welche mit zuverlässigster
Bewertung des Einzelnen erst die richtige Ein-
schätzung der hochbedeutsamen Gesamtheit des
so einzigartigen Denkmales ermöglicht.
Joseph Neuwirth.
Albert Naef, Chillon. Tome I: La Camera
Domini. La chambre des comtes et des
ducs de Savoie ä Chillon. Editeurs: Fred.
Boissonnas & Cie., Phot. Geneve 1908.
Seit langem war Schloß Chillon in aller Welt
berühmt — und im Grunde wenig gekannt. Die
erste wissenschaftliche Beschreibung hat J. B.
Rahn unternommen. (Mitteilungen der antiqua-
rischen Gesellschaft in Zürich, XXII, 1887-1889.)
An ihr ist zu ermessen, was seither durch die
Arbeiten von Albert Naef gewonnen wurde.
Der Plan einer gründlichen Restaurierung führte
zu den neuen Forschungen, die Naef seit fünf-
zehn Jahren mit einer in der Schweiz noch nie
gesehenen Gründlichkeit betreibt. Die technische
Analyse, die stellenweise mit sehr bedeutenden
Ausgrabungen verbunden war, erhielt willkom-
mene Unterstützung durch die Arbeit in den Ar-
chiven; in Turin taten sich überraschend reiche
Quellen auf. Heute sind die technischen und
historischen Untersuchungen zur Reife gediehen;
es gilt jetzt, das Werk zum Schluß zu bringen.
In zweifacher Art: durch die eigentliche Restau-
rierung des Schlosses und durch die Herausgabe
einer großen Monographie.
Der erste Band des Chillon-Werkes liegt vor.
Man hätte vielleicht eine orientierende Bauge-
schichte der ganzen Anlage erwartet. Aus be-
stimmten Gründen hat Naef diesen Gegenstand
auf spätere Bände zurückgelegt und gibt hier
die Geschichte und Beschreibung eines einzigen
Raumes : des Schlafzimmers der Grafen und Her-
zoge von Savoyen. Doch erfahren wir von den
übrigen Teilen des Schlosses schon jetzt genug,
um einer eminenten Klärung der bisher dunklen
Baugeschichte inne zu werden. Römische und
frühmittelalterliche Mauern sind in den südlichen
Teilen der Burg ausgegraben worden; die ur-
sprüngliche Planung dieser Teile bleibt noch
rätselhaft. Dann hebt sich eine mittelalterliche
Anlage heraus: ein rechteckiger Turm in der
Mitte der Insel, umschlossen von einem spitz-
ovalen Mauerbering. Sie dürfte dem 10. oder
11. Jahrhundert angehören. Sie wird, vielleicht
im 12. Jahrhundert, mit einem Zwinger ummantelt,
so daß die neue Außenmauer den felsigen Ufer-
rand der ovalen Insel begleitet. Chillons Glanzzeit
ist das 13. Jahrhundert; von 1250—1336 geben
die Grafen von Savoyen dem Schloß im wesent-
lichen seine heutige Gestalt: an der Landseite
wird der äußere Mauerzug erneuert und mit Tür-
men bewehrt; an der Seeseite der Zwinger mit
gewaltigen Saalbauten ausgefüllt.
In einem alten Turm an der Nordseite der
Burg ließ der berühmte Graf Peter II. von Sa-
voyen, der «second Charlemagne», in den Jahren
1257 bis 1260 sein Schlafzimmer einrichten.
Aus den Bechnungen erfahren wir den Namen
des gräflichen Baubeamten, dem die Arbeiten
unterstellt waren: Mainier, «custos operum
domini». Die Wände des Zimmers wurden, wie
in anderen Räumen aus der Zeit Peters IL, mit
einem Schachbrettmuster, weiß und rot, bemalt.
Von den Einzelheiten der ursprünglichen Aus-
stattung sucht Naef durch Heranziehung von
Kunstdenkmälern der Westschweiz und des Ge-
bietes von Savoyen einen Begriff zu geben.
Mögen auch diese Studien teilweise nur lose mit
dem Thema des Buches zusammenhängen, so
wird man dem Verfasser doch für die Bekannt-
gabe und Abbildung einer Reihe großer Selten-
heiten Dank wissen; es sei hingewiesen auf die
Darstellung der hochinteressanten Werke von
N. Dame de Valere in Sitten: des Stuck-Lettners
mit seinen Türen und der romanischen Holz-
truhen im dortigen Museum.
Seit 1336 wird die «Camera Domini» auf An-