Fachnotizen
61
dern auch mancherlei waffentechnische Einzelheiten von
interessierendem Wert zu erfahren.
Zum näheren Verständnis jener Zeit erinnere man sich,
daß Lüttich 1467 von Karl dem Kühnen von Burgund er-
obert wurde, bis 1794 zum niederrheinisch-westfälischen
Kreis gehörte und unter einem seit dem 14. Jahrhundert
gefürsteten Bischof stand, der Sitz und Stimme im deut-
schen Reichstag hatte. Nach mehrfachen Eroberungen durch
die Franzosen (1675, 1684, 1691, 1792, 1794) kam das durch
seine Waffenindustrie weithin berühmte Bistum 1801 an
Frankreich, 1815 als souveränes Fürstentum an die Nieder-
lande und 1830 an Belgien.
Die Urkunde mit der „Ordonnanz" für das Preisschießen
hat in der Übersetzung5) folgenden Wortlaut, dem ich an
einzelnen wichtigen Stellen die altertümlich-französischen
Ausdrücke als Fußnoten beifüge:
Im Jahre 1537 am 10. April erschienen vor uns, dem
Bürgermeister und den Schöffen von Lüttich, die Groß-
meister Francheu Hardi und Bauduyn Plattebourse, der
gegenwärtige Fahnenträger Piron und der Schatzmeister
Bertelmi le Piermme der Gilde vom Heiligen Christoph,
genannt die Coleveriniers der besagten Stadt Lüttich, und
wiesen uns nach, daß die großen und kleinen Meister zu-
sammen mit den gewöhnlichen Mitgliedern der besagten
Gilde zur Ehre Gottes und der besagten Stadt, um auch
mit den Liebhabern der Schießkunst und der Handbüchse6)
freundliche Fühlung zu gewinnen und aufrecht zu halten,
kürzlich ein Preisschießen7) angesetzt haben, das am 27.
des gegenwärtigen Monats April anfangen soll, und zwar
nach den Regeln, Vorschriften und Bedingungen, die sie
auf einem Blatt Papier aufgeschrieben hatten, uns vor-
legten und die unten Wort für Wort nach ihrer Fassung
wiedergegeben sind. Die besagten Gesuchsteller baten uns,
diese Punkt für Punkt prüfen zu wollen und für den Fall,
daß die Sache in Ordnung befunden wurde, hierbei in
unsere Obhut genommen zu werden. Diesem ihrem An-
suchen entsprechend, haben wir eine Prüfung des besagten
Blattes und der aufgestellten Ordonnanz vorgenommen,
über den Gegenstand und Inhalt verhandelt, den wir als
erlaubt und zulässig befanden, und kamen unsererseits
mit den besagten Gesuchstellern überein, daß wir sie in die
gesetzliche Obhut nehmen wollten, vorausgesetzt, daß sie
nicht standeswidrig handeln, nicht gegen die Gerichtsbar-
keit und Hoheit unseres sehr verehrungswürdigen Herrn
und Fürsten, des Herrn Kardinals von Lüttich, und ebenso
gegen die Freiheiten und Privilegien dieser Stadt verstoßen
wollten, sei es was es sei. Sodann hat unser beigeordneter
Bruder8) Johan Junccis unter der besagten Voraussetzung
die vorher erwähnte Ordonnanz in unsere Obhut genom-
men. Der Inhalt des besagten Blattes und der oben er-
wähnten Ordonnanz stellt sich Wort für Wort so:
„Wir, die großen und kleinen Meister der Gilde des
Heiligen Christophorus, genannt die Colevrinniers der
ehrenwerten Stadt Lüttich, d. h. alle Schützenmitglieder
entbieten Euch Gruß! Wir tun zu wissen, daß wir, die be-
sagten Meister und alle gewöhnlichen Mitglieder der be-
sagten Gilde, die mit der Büchse in der besagten Stadt
schießen, um Bekanntschaft und Freundschaft zu schließen
5) Bulletin w. v. tome 13 (1877) S. 28ff.
6) amaiteurs de la trarie et baston de la coleverinne.
7 ) ung jeu et trairie.
8) nostre confrere submaieur.
°) alnes, aulnes, oulnes, aunes = 1,182 m.
'') aux troies.
und zu erhalten, 12 Preise für ein Büchsenschießen be-
stimmt haben. Diese Preise werden von den besagten Mit-
gliedern ausgesetzt werden. Und zwar für den ersten 12
Ellen9) rotes Tuch, gesiegelt mit zwei großen Marken, näm-
lich B und C, und an Breite 9/4 enthaltend; für den zweiten
II Ellen, den dritten 10 Ellen, den vierten 9 Ellen, den
fünften 8 Ellen, den sechsten 7 Ellen, den siebenten 6 Ellen,
den achten 5'4 Ellen, den neunten 5 Ellen, den zehnten
4!/2 Ellen, den elften 4 Ellen und den zwölften 3% Ellen.
Item, es wird noch zwei Preise geben für die guten Tref-
fer10), d. h. derjenige, der den schönsten der Treffer haben
und gewinnen wird, soll l1^ Ellen und der zweite 1 Elle
von ähnlichem Tuch wie vorher beschrieben erhalten.
Item, jeder, der einen Preis gewinnt, soll für jede Elle
einen halben brabantischen Heller11) geben.
Item, es wird auf den Feldern in der Umgegend von
Lüttich geschossen an einem nicht gewöhnlichen Platz12)
von 250 Ellen Länge.
Item, es wird auf zwei Scheiben geschossen, die je 5 Fuß
hoch sind.
Item, bei jedem, der beim Schießen das Holz der besagten
Scheiben trifft, werden die Schüsse als Treffer bewertet,
wenn dagegen die besagten Schüsse den Boden berühren,
bevor sie zu den besagten Scheiben kommen, solche Schüsse
sollen nicht bewertet werden.
Item, jedes Schützenmitglied soll 12 Schüsse abgeben
mit ausgestreckten Armen, ohne an die Schultern oder die
Brust anzulegen, also im freien Spiel schießen, ohne einen
Betrug zu begehen oder in irgend einer Weise beim letzten
Abziehen13) sich einen Vorteil zu verschaffen, und somit
wird er mit richtigem und unverändertem Abzug14) schie-
ßen müssen.
Item, wenn es vorkommt, daß ein Schützenmitglied be-
troffen wird als handelnd gegen die besagten Ordonnanzen
und Schießregeln, der soll den Schuß verlieren, durch den
er den Verstoß begangen hat, außerdem auch alle übrigen
Schüsse, die er abgegeben und zu seinen Gunsten ver-
bessert hat, nach dem Spruch der Männer, die hierzu be-
stellt und gesetzt sind.
Item, alle Mitglieder, die zu dem besagten Preisschießen
erschienen sind und zu schießen angefangen haben, dürfen
sich von dem besagten Schießstand nicht entfernen, bevor
sie nicht alle Schüsse abgegeben haben und fertig sind.
Item, wenn es einem Mitglied auf dem besagten Schieß-
stand passiert, daß sein Rohr dreimal Feuer erhält ohne
loszugehen, muß dieser Schuß für ihn verloren gelten.
Item, die Preisrichter sollen nach Belieben und gegen-
seitiger Beratung alle diejenigen wählen, die bei diesem
Preisschießen darauf zu achten haben, daß Streitereien
vermieden werden und jedem sein Recht gewahrt wird,
als dafür bestimmte Personen, die, wenn bei dem Preis-
schießen irgend eine Meinungsverschiedenheit auftritt,
solche als Richter erledigen und die Delinquenten zur
Rechenschaft ziehen müssen; auch sollen solche Delin-
quenten sich nicht vom Platz entfernen dürfen, bevor
solche Meinungsverschiedenheit von den besagten Beauf-
tragten entschieden und ausgetragen ist.
Item, wenn es sich ereignet, daß die besagten Beauf-
, pataru3.
^) place non accoustumee, Schießstandslänge also 295,50, rund
300,00 m.
13) sur leurs abrieres derier.
14) de vraye et entyrs beches.
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dern auch mancherlei waffentechnische Einzelheiten von
interessierendem Wert zu erfahren.
Zum näheren Verständnis jener Zeit erinnere man sich,
daß Lüttich 1467 von Karl dem Kühnen von Burgund er-
obert wurde, bis 1794 zum niederrheinisch-westfälischen
Kreis gehörte und unter einem seit dem 14. Jahrhundert
gefürsteten Bischof stand, der Sitz und Stimme im deut-
schen Reichstag hatte. Nach mehrfachen Eroberungen durch
die Franzosen (1675, 1684, 1691, 1792, 1794) kam das durch
seine Waffenindustrie weithin berühmte Bistum 1801 an
Frankreich, 1815 als souveränes Fürstentum an die Nieder-
lande und 1830 an Belgien.
Die Urkunde mit der „Ordonnanz" für das Preisschießen
hat in der Übersetzung5) folgenden Wortlaut, dem ich an
einzelnen wichtigen Stellen die altertümlich-französischen
Ausdrücke als Fußnoten beifüge:
Im Jahre 1537 am 10. April erschienen vor uns, dem
Bürgermeister und den Schöffen von Lüttich, die Groß-
meister Francheu Hardi und Bauduyn Plattebourse, der
gegenwärtige Fahnenträger Piron und der Schatzmeister
Bertelmi le Piermme der Gilde vom Heiligen Christoph,
genannt die Coleveriniers der besagten Stadt Lüttich, und
wiesen uns nach, daß die großen und kleinen Meister zu-
sammen mit den gewöhnlichen Mitgliedern der besagten
Gilde zur Ehre Gottes und der besagten Stadt, um auch
mit den Liebhabern der Schießkunst und der Handbüchse6)
freundliche Fühlung zu gewinnen und aufrecht zu halten,
kürzlich ein Preisschießen7) angesetzt haben, das am 27.
des gegenwärtigen Monats April anfangen soll, und zwar
nach den Regeln, Vorschriften und Bedingungen, die sie
auf einem Blatt Papier aufgeschrieben hatten, uns vor-
legten und die unten Wort für Wort nach ihrer Fassung
wiedergegeben sind. Die besagten Gesuchsteller baten uns,
diese Punkt für Punkt prüfen zu wollen und für den Fall,
daß die Sache in Ordnung befunden wurde, hierbei in
unsere Obhut genommen zu werden. Diesem ihrem An-
suchen entsprechend, haben wir eine Prüfung des besagten
Blattes und der aufgestellten Ordonnanz vorgenommen,
über den Gegenstand und Inhalt verhandelt, den wir als
erlaubt und zulässig befanden, und kamen unsererseits
mit den besagten Gesuchstellern überein, daß wir sie in die
gesetzliche Obhut nehmen wollten, vorausgesetzt, daß sie
nicht standeswidrig handeln, nicht gegen die Gerichtsbar-
keit und Hoheit unseres sehr verehrungswürdigen Herrn
und Fürsten, des Herrn Kardinals von Lüttich, und ebenso
gegen die Freiheiten und Privilegien dieser Stadt verstoßen
wollten, sei es was es sei. Sodann hat unser beigeordneter
Bruder8) Johan Junccis unter der besagten Voraussetzung
die vorher erwähnte Ordonnanz in unsere Obhut genom-
men. Der Inhalt des besagten Blattes und der oben er-
wähnten Ordonnanz stellt sich Wort für Wort so:
„Wir, die großen und kleinen Meister der Gilde des
Heiligen Christophorus, genannt die Colevrinniers der
ehrenwerten Stadt Lüttich, d. h. alle Schützenmitglieder
entbieten Euch Gruß! Wir tun zu wissen, daß wir, die be-
sagten Meister und alle gewöhnlichen Mitglieder der be-
sagten Gilde, die mit der Büchse in der besagten Stadt
schießen, um Bekanntschaft und Freundschaft zu schließen
5) Bulletin w. v. tome 13 (1877) S. 28ff.
6) amaiteurs de la trarie et baston de la coleverinne.
7 ) ung jeu et trairie.
8) nostre confrere submaieur.
°) alnes, aulnes, oulnes, aunes = 1,182 m.
'') aux troies.
und zu erhalten, 12 Preise für ein Büchsenschießen be-
stimmt haben. Diese Preise werden von den besagten Mit-
gliedern ausgesetzt werden. Und zwar für den ersten 12
Ellen9) rotes Tuch, gesiegelt mit zwei großen Marken, näm-
lich B und C, und an Breite 9/4 enthaltend; für den zweiten
II Ellen, den dritten 10 Ellen, den vierten 9 Ellen, den
fünften 8 Ellen, den sechsten 7 Ellen, den siebenten 6 Ellen,
den achten 5'4 Ellen, den neunten 5 Ellen, den zehnten
4!/2 Ellen, den elften 4 Ellen und den zwölften 3% Ellen.
Item, es wird noch zwei Preise geben für die guten Tref-
fer10), d. h. derjenige, der den schönsten der Treffer haben
und gewinnen wird, soll l1^ Ellen und der zweite 1 Elle
von ähnlichem Tuch wie vorher beschrieben erhalten.
Item, jeder, der einen Preis gewinnt, soll für jede Elle
einen halben brabantischen Heller11) geben.
Item, es wird auf den Feldern in der Umgegend von
Lüttich geschossen an einem nicht gewöhnlichen Platz12)
von 250 Ellen Länge.
Item, es wird auf zwei Scheiben geschossen, die je 5 Fuß
hoch sind.
Item, bei jedem, der beim Schießen das Holz der besagten
Scheiben trifft, werden die Schüsse als Treffer bewertet,
wenn dagegen die besagten Schüsse den Boden berühren,
bevor sie zu den besagten Scheiben kommen, solche Schüsse
sollen nicht bewertet werden.
Item, jedes Schützenmitglied soll 12 Schüsse abgeben
mit ausgestreckten Armen, ohne an die Schultern oder die
Brust anzulegen, also im freien Spiel schießen, ohne einen
Betrug zu begehen oder in irgend einer Weise beim letzten
Abziehen13) sich einen Vorteil zu verschaffen, und somit
wird er mit richtigem und unverändertem Abzug14) schie-
ßen müssen.
Item, wenn es vorkommt, daß ein Schützenmitglied be-
troffen wird als handelnd gegen die besagten Ordonnanzen
und Schießregeln, der soll den Schuß verlieren, durch den
er den Verstoß begangen hat, außerdem auch alle übrigen
Schüsse, die er abgegeben und zu seinen Gunsten ver-
bessert hat, nach dem Spruch der Männer, die hierzu be-
stellt und gesetzt sind.
Item, alle Mitglieder, die zu dem besagten Preisschießen
erschienen sind und zu schießen angefangen haben, dürfen
sich von dem besagten Schießstand nicht entfernen, bevor
sie nicht alle Schüsse abgegeben haben und fertig sind.
Item, wenn es einem Mitglied auf dem besagten Schieß-
stand passiert, daß sein Rohr dreimal Feuer erhält ohne
loszugehen, muß dieser Schuß für ihn verloren gelten.
Item, die Preisrichter sollen nach Belieben und gegen-
seitiger Beratung alle diejenigen wählen, die bei diesem
Preisschießen darauf zu achten haben, daß Streitereien
vermieden werden und jedem sein Recht gewahrt wird,
als dafür bestimmte Personen, die, wenn bei dem Preis-
schießen irgend eine Meinungsverschiedenheit auftritt,
solche als Richter erledigen und die Delinquenten zur
Rechenschaft ziehen müssen; auch sollen solche Delin-
quenten sich nicht vom Platz entfernen dürfen, bevor
solche Meinungsverschiedenheit von den besagten Beauf-
tragten entschieden und ausgetragen ist.
Item, wenn es sich ereignet, daß die besagten Beauf-
, pataru3.
^) place non accoustumee, Schießstandslänge also 295,50, rund
300,00 m.
13) sur leurs abrieres derier.
14) de vraye et entyrs beches.