Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

DOI issue:
Literatur
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0271

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
LITERA TUR

Greta Arwidsson. Armour of the Vendel Period. Acta
Archaeologica, Vol. X 1939, 31.
Die Panzerung des frühen und hohen Mittelalters war
bislang für die historische Waffenkunde mehr oder weni-
ger eine terra incognita, ganz zu schweigen von der früh-
geschichtlichen. Als Sprungsteine gewissennaßen über
diesen leeren Raum vom späten Mittelalter zurück zur rö-
mischen Kaiserzeit, wo das Denkmälermaterial und die
Literatur wieder einigermaßen festen Boden bot, dienten
über weite Zeiträume verteilte Helmfunde ohne sichtlichen
inneren Zusammenhang untereinander. Ringelpanzerfunde
aus allen Epochen flochten außerdem ein lockeres durch-
laufendes Band; was man sonst von zusätzlicher Schuppen-
panzerung wußte aus Beschreibungen und bildlichen Dar-
stellungen, war von sehr vager Natur. Der primitive Cha-
rakter der Letzteren vor allem war wohl der Grund, daß
wir uns die Panzerung im Ganzen gleichfalls wenig ent-
wickelt und entwicklungsfähig vorstellten.
Hier haben nun die Forschung und Grabungen der
letzten Jahrzehnte, insbesondere die der jüngsten
Zeit erheblichen Wandel geschaffen. Zwei grund-
legende Arbeiten, die an dieser Stelle kürzlicli
veröffentlichte Abhandlung über den spätantiken-
römischen Panzer von Joseph Alfs1) und das hier einge-
hend gewürdigte Ausgrabungswerk Bengt Thordemans
über die Panzerfunde bei Wisby (ZHWK. N. F. 7, 161), ha-
ben nicht nur unsere Kenntnisse — vorwärts und rückwärts
in der Zeit — um Jahrhunderte vorgerückt und den uner-
forschten Zeitraum erheblich verengt; die von beiden For-
schern unabhängig voneinander gewonnenen Erkenntnisse
lassen über die Jahrhunderte hinweg Zusammenhänge er-
kennen, an die die weitere Forschung anknüpfen wird, um
hier ein immer klareres und geschlosseneres Bild von der
Panzerung dieser so bedeutsamen Epochen abendländischer
Staaten-, Kriegs- und Kunstgeschichte zu gewinnen. Und
vielleicht ist die Zeit nicht fern, wo gemäß der kunstgfy
schichtlichen Gliederung von einer frühmittelalterlichen,
karolingischen und romanischen Panzerung und Bewaff-
nung gesprochen werden kann.
Einen tiefen und ungemein aufschlußreichen Einblick
in die Entwicklung des Helms in frühgeschichtlicher und
frühmittelalterlicher Zeit gewährt in diesem Heft die Über-
schau des eben genannten, verdienten schwedischen Ge-
lehrten über Ausgrabungs- und Forschungsergebnisse auf
diesem Sondergebiet in seiner dank kultischer Gebräuche
mit besonders reichen Funden gesegneten Heimat (S. 217).
Die ungemeine Mannigfaltigkeit der hier behandelten Helm-
typen und der Reichtum ihrer Gestaltung läßt auf eine
entsprechende Panzerung schließen, die keineswegs so pri-
mitiv ist, wie man bisher anzunehmen geneigt war,
Hierfür nun liefert ein sensationeller geschloßner frühen
Panzerfund der jüngsten Zeit aus dem gleichen Bereicli den

schlagenden Beweis. Es handelt sich um einen Fund der
sog. Vendelperiode, die ihren Namen nach den großartigen
Waffen-, insbesondere Helmfunden aus dem Bootsgräber-
feld bei der Kirche von Vendel unweit Uppsala führt und
etwa vom 5. bis 7. Jahrhundert reicht, also etwa der Epoche
des Frankenreichs unter den Merowingern auf dem Fest-
lande entspricht. Der Panzerfund wurde in dem anderen
großen Bootsgräberfeld dieser Gegend bei Valsgärde 1936
und zwar im Grab 8 dieser Gruppe zutage gefördert, das
nach anderen Funden dem 7.Jahrhundert angehört. Greta
Arwidsson, die anerkannte Spezialforscherin auf diesem Gei-
biet, legt den Fund in einer eingehenden Behandlung vor;.
Ihr ist auch seine im wesentlichen überzeugende Rekon-
struktion und Einordnung in die Gesamtentwicklung zu
danken, worüber wir hier zu berichten haben.
Die Forscherin wurde vor eine schwierige Aufgabe ge-
stellt, da es zu dem ganz einzig- und neuartigen Harnisch-
typ bisher keine Parallelen gibt. Sein Charakteristikum ist
die Verbindung des Ringelpanzersystems mit Eisenschienen,
also einem sehr entwickelten Prinzip, das in dieser frühen
Zeit an sich schon eine große Überraschung bedeutet. Drei
getrennte Gruppen von Panzerfragmenten wurden in ver-
schiedenen Schichten angetroffen, bestehend aus zusam-
mengerosteten Ringelpanzerresten mit drei Gruppen dar-
an haftender, schmaler Eisenschienen verschiedener Länge.
Die Rekonstruktion wurde noch dadurch erschwert,
daß die z. T. in Stücke gegangenen Eisenschienen,,
offenbar als Beigabe in Kästen zusammengelegt, ver-
packt waren. Doch gaben die Reste von angenieteten, quer-
laufenden Lederriemen, die die Schienen einstmals mitein-
ander verbanden, genügend Anhalt für ihre ursprüngliche
Anordnung, und ermöglichten dank der ungewöhnlich gu-
ten Erhaltung des Gesamtfundes eine, weitgehend einwand-
freie Rekonstruktion.
Zu der als erster behandelten Fundgruppe (Gruppe 1)
gehören sieben schmale, von der Verf. mit Dauben ver-
glichene Schienen, drei gleicli lange und anschließend vier
kürzere von durchschnittlich 25 cm Länge und leicht unter-
schiedener Breite, an ihrem einen Ende durchlocht, an
ihrem anderen sich etwas verbreiternden Ende leicht auf-
gebogen. Die Lederriemenreste lassen keinen Zweifel, daß
die Schienen in kleinen Abständen nebeneinander auf-
gereiht und durch die an der Innenseite nahe den Enden
vernieteten zwei Querriemen zusammengehalten, einen
lockeren Panzerplatttenschutz darstellten. Die beiden an-
deren Gruppen von Schienen (2,3), gleichfalls je sieben
an der Zahl, sind etwas länger, aber untereinander gleich
und zwar etwa 34—35 cm lang, bei einer Breite von 1,5
bis 1,6 cm; wie bei Gruppe 1 nach dem einen Ende sich
verbreiternd, aber in ihrer ganzen Länge leicht aufge»-
bogen. Waren dort unter den sieben Stäben nur zwei
etwas schmaler, so wechseln hier bei der Aufreihung breite

') Jos, Alfs. Der bewegliche Metallpanzer im römischen Heer. N.F. 7,69.

33
 
Annotationen