DER NORDISCHE HELM
IN FRÜHGESCHICHTLICHER ZEIT1)
VON BENGT THORDEMAN
Die ältesten Nachrichten über Kampfesweise und
Bewaffnung der Germanen, die uns durch die römi-
schen bildlichen Darstellungen und die römischen
Schriftsteller erhalten sind, stimmen darin überein,
daß die Germanen in der Regel, ohne den Schutz von
Rüstungen und Helmen kämpften. So berichtet Taci-
tus, daß sie nackt kämpfen oder mit einem leichten
Mantel, und daß nur wenige von ihnen in einigen Fäl-
len Panzer oder Helm tragen. Eine Prüfung der Dar-
stellungen von Germanen in der römischen Trium-
phalskulptur führt zu dem Ergebnis, daß nicht ein
einziges Bild eines mit Panzer oder auch nur Helm
bekleideten freien Germanen anzutreffen ist2).
Die verhältnismäßig seltenen Funde von Panzern
und Helmen, die aus dem nordischen Bereich vorlie-
gen, berechtigen uns zu dem Schluß, daß auch die
nordischen Völker dieselbe Kampfesweise wie ihre
südlicheren Stammesverwandten hatten und daß der
Helm wohl hauptsächlich eine Auszeichnung für ' Kö-
nige und hochgeborene Krieger war. So bezeichnet
„der Helmtragende" im Beowulf einen vornehmen
Mann3). Diese Annahme findet auch darin eine Stütze,
daß die traditionelle Form der abendländischen Kö-
nigskrone, wie Alföldi nachgewiesen hat, von einem
der Helmtypen der Völkerwanderungszeit hergeleitet
werden kann1), und weiterhin in dem allgemeinen
Charakter der Gräber, in welchen Helme gefunden
wurden.
Der früheste nordische Helmfund stammt von dem
großen Opferfund im Thorsberg-Moor im südlichen
Teil von Angeln, der zum größten Teil im Museum
in Kiel aufbewahrt wird. In chronologischer! Hinsicht
9 Diese Darstellung ist in der Hauptsache eine Über-
setzung der entsprechenden Teile von meiner Abhand-
lung „Die Kriegstracht im Altertum und Mittelalten"
(schwedisch) im Sammelwerke „Nordisk Kultur", Teil XV,
„Dräkt", herausgegeben von Poul Nörlund, 1941, S. 89 ff.
Die Druckstöcke sind liebenswürdig vom Verleger des
Werkes, Verlagsbuchhandlung Alert Bonnier, Stockholm,
ausgeliehen.
2) P. G. Hamberg, Zur Bewaffnung und Kampfesart der
Germanen. Acta Archaeologica VII 1936, S. 21 ff.
3) Hj. Falk: Altnordische Waffenkunde, 1914, S. 155. P.
Paulsen: Die Kultur der Wikingerzeit, 22. Bericht der Rö-
umfaßt die Fundmasse die Zeit vom Beginn des zwei-
ten Jahrhunderts bis hinein in das 5. Jahrhundert mit
dem Schwerpunkt im 3. Jahrhundert5). Zu diesem
Fund gehört, außer Fragmenten eines römischen Bron-
zehelms, ein bemerkenswerter Helm aus Silber, der
aus einem breiten Ring besteht, in welchem ein Schei-
telbügel in der Längsrichtung des Helms und eine
Anzahl schmalerer Silberbänder eingespannt sind, so
daß das Ganze ein Gitter über dem Scheitel bildet.
Mit dem Helm ist eine vielleicht ursprünglich nicht
zugehörige Gesichtsmaske vereinigt, die gleichfalls aus
Silber besteht (Abb. 1). Eine kleine, gesondert gefun-
dene plastische bronzene Schlange hat möglicherweise
als Helmzier gedient. Das Material und die schwache
Konstruktion bedingen, daß man diesen Helm kaum
als einen Kampfhelm im eigentlichen Sinne betrach-
ten kann. Eher war er ursprünglich ein Würdezei-
chen oder wurde vielleicht nur als Bestattungsbeigabe
ausgeführt. Das verhindert jedoch nicht, daß er in
seinem Typ einen wirklichen Kampfhelm darstellen
und folglich in der Diskussion über, den Typenzusam-
menhang der Helme als ein solcher betrachtet wer-
den kann. Nach Lindqvist, der neben Greta Arwids-
son die wichtigsten Beiträge zur Erforschung der nor-
dischen Helme lieferte, ist es eine barbarische, ver-
mutlich germanische Arbeit, die auf Helme zurück-
geht, welche von fremden Barbarenstämmen an der
Nordgrenze des römischen Reichs getragen wurden6);
Bröndsted ist der Meinung, daß er wahrscheinlich
von südöstlichem, letzten Endes vermutlich orienta-
lischem Ursprung sei7).
Die jüngeren vorgeschichtlichen Helme gehören ei-
misch-Germanischen Kommission 1933, S. 22 b. Vgl. jedocli
eine andere Meinung bei S.Lindqvist: En hjälm frän Vals-
gärde, 1931, S. 13 f.
4) A. Alföldi: Eine spätrömische Helmform, Acta Archae-
ologica V 1934, S. 142 ff.
5) J. Bröndsted: Danmarks Oldtid III, 1940, S. 220. Die
primäre Quelle für den Thorsbergfund ist C. Engelhardt:
Thorsbjerg Mosefund, 1863.
6) S. Lindqvist: Vendelhjälmarnas ursprung, Fornvännen
1925, S. 186.
7) Bröndsted: a. a. O. S. 204.
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IN FRÜHGESCHICHTLICHER ZEIT1)
VON BENGT THORDEMAN
Die ältesten Nachrichten über Kampfesweise und
Bewaffnung der Germanen, die uns durch die römi-
schen bildlichen Darstellungen und die römischen
Schriftsteller erhalten sind, stimmen darin überein,
daß die Germanen in der Regel, ohne den Schutz von
Rüstungen und Helmen kämpften. So berichtet Taci-
tus, daß sie nackt kämpfen oder mit einem leichten
Mantel, und daß nur wenige von ihnen in einigen Fäl-
len Panzer oder Helm tragen. Eine Prüfung der Dar-
stellungen von Germanen in der römischen Trium-
phalskulptur führt zu dem Ergebnis, daß nicht ein
einziges Bild eines mit Panzer oder auch nur Helm
bekleideten freien Germanen anzutreffen ist2).
Die verhältnismäßig seltenen Funde von Panzern
und Helmen, die aus dem nordischen Bereich vorlie-
gen, berechtigen uns zu dem Schluß, daß auch die
nordischen Völker dieselbe Kampfesweise wie ihre
südlicheren Stammesverwandten hatten und daß der
Helm wohl hauptsächlich eine Auszeichnung für ' Kö-
nige und hochgeborene Krieger war. So bezeichnet
„der Helmtragende" im Beowulf einen vornehmen
Mann3). Diese Annahme findet auch darin eine Stütze,
daß die traditionelle Form der abendländischen Kö-
nigskrone, wie Alföldi nachgewiesen hat, von einem
der Helmtypen der Völkerwanderungszeit hergeleitet
werden kann1), und weiterhin in dem allgemeinen
Charakter der Gräber, in welchen Helme gefunden
wurden.
Der früheste nordische Helmfund stammt von dem
großen Opferfund im Thorsberg-Moor im südlichen
Teil von Angeln, der zum größten Teil im Museum
in Kiel aufbewahrt wird. In chronologischer! Hinsicht
9 Diese Darstellung ist in der Hauptsache eine Über-
setzung der entsprechenden Teile von meiner Abhand-
lung „Die Kriegstracht im Altertum und Mittelalten"
(schwedisch) im Sammelwerke „Nordisk Kultur", Teil XV,
„Dräkt", herausgegeben von Poul Nörlund, 1941, S. 89 ff.
Die Druckstöcke sind liebenswürdig vom Verleger des
Werkes, Verlagsbuchhandlung Alert Bonnier, Stockholm,
ausgeliehen.
2) P. G. Hamberg, Zur Bewaffnung und Kampfesart der
Germanen. Acta Archaeologica VII 1936, S. 21 ff.
3) Hj. Falk: Altnordische Waffenkunde, 1914, S. 155. P.
Paulsen: Die Kultur der Wikingerzeit, 22. Bericht der Rö-
umfaßt die Fundmasse die Zeit vom Beginn des zwei-
ten Jahrhunderts bis hinein in das 5. Jahrhundert mit
dem Schwerpunkt im 3. Jahrhundert5). Zu diesem
Fund gehört, außer Fragmenten eines römischen Bron-
zehelms, ein bemerkenswerter Helm aus Silber, der
aus einem breiten Ring besteht, in welchem ein Schei-
telbügel in der Längsrichtung des Helms und eine
Anzahl schmalerer Silberbänder eingespannt sind, so
daß das Ganze ein Gitter über dem Scheitel bildet.
Mit dem Helm ist eine vielleicht ursprünglich nicht
zugehörige Gesichtsmaske vereinigt, die gleichfalls aus
Silber besteht (Abb. 1). Eine kleine, gesondert gefun-
dene plastische bronzene Schlange hat möglicherweise
als Helmzier gedient. Das Material und die schwache
Konstruktion bedingen, daß man diesen Helm kaum
als einen Kampfhelm im eigentlichen Sinne betrach-
ten kann. Eher war er ursprünglich ein Würdezei-
chen oder wurde vielleicht nur als Bestattungsbeigabe
ausgeführt. Das verhindert jedoch nicht, daß er in
seinem Typ einen wirklichen Kampfhelm darstellen
und folglich in der Diskussion über, den Typenzusam-
menhang der Helme als ein solcher betrachtet wer-
den kann. Nach Lindqvist, der neben Greta Arwids-
son die wichtigsten Beiträge zur Erforschung der nor-
dischen Helme lieferte, ist es eine barbarische, ver-
mutlich germanische Arbeit, die auf Helme zurück-
geht, welche von fremden Barbarenstämmen an der
Nordgrenze des römischen Reichs getragen wurden6);
Bröndsted ist der Meinung, daß er wahrscheinlich
von südöstlichem, letzten Endes vermutlich orienta-
lischem Ursprung sei7).
Die jüngeren vorgeschichtlichen Helme gehören ei-
misch-Germanischen Kommission 1933, S. 22 b. Vgl. jedocli
eine andere Meinung bei S.Lindqvist: En hjälm frän Vals-
gärde, 1931, S. 13 f.
4) A. Alföldi: Eine spätrömische Helmform, Acta Archae-
ologica V 1934, S. 142 ff.
5) J. Bröndsted: Danmarks Oldtid III, 1940, S. 220. Die
primäre Quelle für den Thorsbergfund ist C. Engelhardt:
Thorsbjerg Mosefund, 1863.
6) S. Lindqvist: Vendelhjälmarnas ursprung, Fornvännen
1925, S. 186.
7) Bröndsted: a. a. O. S. 204.
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