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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

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Sitzungsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0265

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SITZUNGSBERICHTE

168-1 74. Sitzung der Berliner Mitglieder im Zeughaus
168.Sitzungam2.Dezember 1941. Anwesend: Frau H.
Dihle und die Herren Brama, Bruhn, Fischer, Hassens
stein, Körte, Lorey, Meyer, Paul, Post, Rohde, Thieme,
Wenzel, als Gäste: Frau Fischer und die Herren Bethe,
Blecher, Dittberner, Gudlaugsson, Knötel, Kunze, Locht,
Sonnenberg.
1. Herr Lorey legt den vorn Führer an das Zeughaus
überwiesenen, beim deutschen Vormarsch 1941 aus der Be-
resina beim Brückenschlag gehobenen französischen Patro-
nentaschenbeschlag vor, einen Napoleonischen Adler mit
den Initialen Jerome Napoleons vom westfälischen Kon-
tingent, der vom französischen Rückzug der Grande
Armee 1812 stammt.
2. Herr Post legt das jüngst erschienene Werk von Si-
grid Flamand Christensen über die Königstrachten der
dänischen Könige des 17. und 18. Jahrhunderts auf Schloß
Rosenborg vor, dessen ausführliche Besprechung inzwi-
schen erschienen ist. Vgl. ZHWK. N.F.7, 175.
169. Sitzung am 2. Januar 1942. Anwesend: Frau Dihle
und die Herren Brama, Fischer, Körte, Lorey, Mirow, Mo-
rawietz, Rohde, Thieme, Neubecker, Troje, als Gäste: die
Herren Bauer, Ender, Metzger, Sonnenberg.
1. Herr O. Neubecker nahm vorn heraldischen Stand-
punkt zur Zuschreibung des aus dem Armeemuseum von
Paris ins Zeughaus zurückgeführten Harnisch des Kur-
fürsten von Mainz, Albrecht von Brandenburg, Stellung.
Durch seine Ausführung wurde diese Bestimmung nicht
nur bestätigt, es gelang ihm auch eine Datierung in engen
Grenzen. Das geätzte Wappen im Zwickel an der Brust
ist geviert von Brandenburg, Pommern, Nürnberg und Ilo-
henzollern — wie bei allen brandenburgischen Fürsten und
Prinzen im kleineren Wappen — es hat drei zusammenge-
stellte Mittelschilde: Bistümer Magdeburg, Halberstadt und
Mainz; demnach ist es nach der Wahl des bisherigen Erz-
bischofs von Magdeburg und Administrators von Halber-
stadt zum Erzbischof und Kurfürsten von Mainz gezeichnet
worden; dieser Zeitpunkt fällt in das Jahr 1514 (9. März);
unter den Prunkstücken des Wappens erscheint noch kein
Kardinalshut. Da Albrecht aber seit 1.8. 1518 Kardinal
war, und seitdem den Kardinalshut regelmäßig geführt
hat, muß das Wappen vordem datiert werden. Der Harnisch
stammt also aus der Zeit zwischen 1514 und 1518.
2. Herr W. Hassenstein trug aus der Gründungszeit der
alten preußischen Waffenschmiede vor. Der Vortragende
gab ein Bild von der Gründung und Entwicklung der alten
preußischen Militärwerkstätten, die nach dem Versailler
Diktat ihren Betrieb einstellen mußten und als „Deutsche
Werke" in Privathand kamen. Das älteste dieser Institute

war die Gewehrfabrik Spandau-Potsdam, gegründet 1722
von König Friedrich Wilhelm I. und bis 1752 geleitet von
Splittgerber und Daum, deren Bankhaus in Berlin, heute
Gebr. Schickler, durch dieses Unternehmen erst zur vollen
Blüte kam. Zeitgenössische Urteile legten Zeugnisse ab/
von der grundlegenden Bedeutung dieser Waffenfabrik)
für die Entwicklung der preußisch-deutschen industriel-
len Massenfertigung und Waffentechnik. Werner Siemens
führte hier den jetzt in aller Welt verbreiteten und üb-
lichen elektrischen Fabrikantrieb 1877 zum ersten Mal ein.
Nach Spandau wurden später immer mehr Waffenfabri-
ken verlegt: 1835 die Pulverfabrik, die 1717 auf Befehl des
Königs von Holländern in Berlin errichtet war (neben
dem jetzigen Lehrter Bahnhof) und Vorgänger seit 1578,
ja vielleicht schon seit 1340 in Spandau hatte; 1855 die
Geschützgießerei, die sich seit etwa 1700 als Privatunter-
nehmen hinter dem Zeughaus in Berlin befand und Nach-
folgerin der in Breslau 1741 vorgefundenen staatlichen;
Geschützgießerei seit 1851 war; 1862/66 die Artilleriewerk-
statt, die seit 1816 in der Dorotheenstraße in Berlin lag.
Das Feuerwerks-Laboratorium, in dem das große F auf
Achselstücken und Schulterklappen der Feuerwerker ent-
standen war, befand sich schon seit seiner Gründung (1817)
in der Zitadelle in Spandau.
Auch die auswärtigen Institute wurden behandelt: die
Gewehrfabriken in Erfurt (gegr. 1815 in Saarn-Hattingen,
1862 hierher verlegt), Danzig (gegr. 1817), Neisse-Mala-
pane (1809—1851), die Pulverfabrik in Hanau (gegr. 1875),
Geschoßfabrik in Siegburg (gegr. 1873/75) usw.
Nach einem kurzen Rückblick auf die riesenhaft gestei-
gerten Leistungen dieser Waffenschmiede im Weltkrieg
ging der Vortragende auf die anfänglich tätig gewesenen
leitenden und ausführenden Männer ein. Der erste mili-
tärische Organisator der Gewehrfabrik Spandau, General
von Linger, wurde durch besonders charakteristische Brief-
proben des Soldatenkönigs und des „alten Fritz" gekenn-
zeichnet. Dabei spielten auch die Hinterlade-Kanonen als
„unbrauchbar für den Feldkrieg" eine Rolle. Auch wurde
nachgewiesen, daß schon unter Friedrich d.Großen die
gezogenen Gewehre in großem Umfang bei der Truppe
eingeführt waren.
Die Arbeiter für diese älteste Fabrik kamen zum größ-
ten Teil aus Lüttich. Die mit ihnen abgeschlossenen Ver-
träge und über 150 Namen dieser französisch sprechenden,
aber schon in Lüttich zum Deutschen Reich gehörigen
Gewehrmacher aus den Jahren 1722—24 und später ste-
hen fest. i#
Der Vortrag wurde durch Lichtbilder und Ausstellungsk
gegenstände (Dokumente, Kupferstiche, Gemälde, Stamm-
baum usw.) des Herrn Architekten Ender, eines Nachkom-
men der aus Lüttich eingewanderten Waffenschmiede, an-
schaulich ergänzt1).

!) Der Vortrag erscheint demnächst in der „Zeitschrift f. d. ges. Schieß- u. Sprengstoffwesen", München, in er-
weiterter Form im Druck.

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