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Fachnotizen
fertigen lassen, so z.B. im Oktober 1515 in Venedig, als die
Stadt dem einziehenden Franz I. v. Frankreich nach der
Schlacht bei Marignano einen stattlichen Empfang berei-
tete. Oder im Mai 1521, als die Stadt Augsburg einen
Zug gewappneter Bürger dem Erzherzog Ferdinand zur
Begrüßung entgegensandte, als dieser auf dem Wege nach
Linz, wo seine Hochzeit mit Anna von Ungarn bevor-
stand, durch Augsburg zog. Wir sehen Matthaeus Schwarz
ferner auf der Falkenjagd und dem Fechthoden, beim
Bogenschießen und hei Schlittenfahrten, wir sehen ihn
sowohl bei der Hochzeit seines Herrn Anton Fugger im
prächtigen Festgewand, wie hei dessen Tod im langen;
Trauermantel.
An viele dieser Bilder, deren Ausdeutung durchaus nicht
immer einwandfrei klar ist, knüpften sich mancherlei Fra-
gen und zum Teil lebhafte Diskussionen.
160. Sitzung am 21. Juni 1940. Anwesend Frau Dihle
und die Herren M. Fischer, Hetzer, Käsemann, Körte, G.
H. Meyer, Mirow, Morawietz, Paul, Rohde, Thieme, Wen-
zel, Zarn, als Gäste die Damen Frl. Dorka, Frau A. Fi-
scher, Frl. Rothert und die Herren Brauer, Dittberner;
Gandert, Hoffmann, Kropf, Ruppel.
Herr Dr. H. A. Knorr vom Landesamt für Vor- und
Frühgeschichte sprach über neue Wqkingerwaffen aus
der Mark Brandenburg.
Bei den im Gegensatz zu West- und Süddeutschland
kulturell wie politisch gänzlich anders gelagerten ostdeut-
schen Verhältnissen im frühen Mittelalter bedeutet auch
jeder Waffenfund östlich der Elbe immer wieder einen
weiteren Schritt vorwärts zur Lösung der mitunter sehr
verwickelten Fragen. Und so werden mit großer Aufmerk-
samkeit die jetzt wieder in der Mark Brandenburg zum
Vorschein gekommenen Wikingerwaffen und Ausrüstungs-
gegenstände verfolgt. Sie zeigen nur zu deutlich, wer
nach dem überwiegenden westdeutschen Import im 8.—10.
Jahrh. Handel und Verkehr in der Hand hatte. Es war
Ziel des Vortrages, diese Probleme einmal an Hand der
neuen Funde zu beleuchten. Die Neufunde umfassen ein-
mal Äxte eines ostdeutschen Typus (Lokalform) aus dem
10.—11. Jahrh., ferner ein Wikingerschwert und dann einen
ganz einzigartigen silher- und kupfertauschierten Steig-
bügel, zu dem jeder Vergleich vorläufig noch fehlt. Letzte-
rer wird demnächst in den Forschungen des Branden-
burg. Provinzialinsliluts veröffentlicht. Zu den Äxten nimmt
der Vortragende noch einmal eingehend Stellung in einem
der nächsten Hefte.
FACHNOTIZEN
Ein Preisschießen
nach der Scheibe in Lüttich 1537.
Es ist sehr bemerkenswert, daß uns, soweit mir bekannt,
bis zur Neuzeit nichts über ein Übungs- und Zielschießen
mit der Kanone berichtet wird. Zwar erwähnt Furttenbach1)
in seiner berühmten Modell-Sammlung, von ihm „Rüst-
Abb. 1. Wappen der Lütticher Schützengilde. 1521
und Kunstkammer" genannt, einen kleinen Metall-Böller
für Steinkugeln von 4/2 Pfund „zum Exercieren für die
Jugend", eine Kartaune „zur Belehrung der Jugend"
und zwei Metall-Feldschlangen „zuni Zielschießen für
die Jugend". Aber Näheres darüber erfahren wir nicht.
Es ist doch kaum anzunehmen, daß dieser treffliche
Jugenderzieher und Ulmer Ratsherr zwar das heranwach-
sende Geschlecht im Zielschießen mit Kanonen ausgebildet
hat, ein solches Übungsschießen aber in den Heeren nicht
systematisch gepflegt sein sollte. Erst aus den Jahren 1740
(Metz, unter Belidor), 1746 und 1750 (Turin, Po-Ebene)
liegen eingehende Schießversuche mit Kanonen über
Pulververbrauch, Schußweite, Rücklauf, Ladung usw. vor.
Aber auch hier fehlen noch alle Angaben über Treff-
genauigkeit (vgl. Fußnote 16).
Ganz anders liegen die Dinge beim Schießen mit der
Handbüchse. Es erscheint selbstverständlich, daß die in
Nürnberg schon 1403 vorhandene Büchsenmeisterzunft ihre
Handwaffen auf Treffsicherheit auch praktisch vor dem
Ernstfall ausprobiert haben wird, und der Deutsche Orden
hat nicht nur unter Winricli von Kniprode (1351—82) eine
Schützengilde ins Leben gerufen, sondern seine Mitglieder
auch zum Schulschießen in einem Schießgarten und Büch-
senschützenhaus in Marienburg angehalten, wofür 1417 und
1418 Ausgaben nachgewiesen sind.
Auch sonst sind uns mancherlei Nachrichten über das
Scheibenschießen mit Handhüchsen erhalten geblieben. Die
älteste bildliche Darstellung eines Schießstandes soll
die von Olaus Magnus in „De gentihus septentrionalibus"
Rom 1555 sein2).
Demnach verdient die folgende Schießordnung der
Schützengilde in Lüttich3), deren Wappen aus dem Jahr
1521 ihr von Erard von der Mark verliehen war und neben-
stehend gleichfalls mitgeteilt sei (Abb. 1)4), besondere Be-
achtung. Sie bezieht sich auf ein Preisschießen, bei dem
Gewehre mit Luntenschlössern verwendet wurden. Aus der
eingehenden Darstellung sind nicht nur kulturelle, son-
') Joseph Furttenbach (1591—1667), Architectura Privata (1641)
S. 20—52.
2) ZHW. 8. Bd. 1918—20 S. 86.
3) „Compagnie Monsieur Saint Christophe condist des Coleveriniers
de la eite de Liege".
4) Bulletin de 1'Institut Archeologique Liegeois, tome 28 S. 72.
Fachnotizen
fertigen lassen, so z.B. im Oktober 1515 in Venedig, als die
Stadt dem einziehenden Franz I. v. Frankreich nach der
Schlacht bei Marignano einen stattlichen Empfang berei-
tete. Oder im Mai 1521, als die Stadt Augsburg einen
Zug gewappneter Bürger dem Erzherzog Ferdinand zur
Begrüßung entgegensandte, als dieser auf dem Wege nach
Linz, wo seine Hochzeit mit Anna von Ungarn bevor-
stand, durch Augsburg zog. Wir sehen Matthaeus Schwarz
ferner auf der Falkenjagd und dem Fechthoden, beim
Bogenschießen und hei Schlittenfahrten, wir sehen ihn
sowohl bei der Hochzeit seines Herrn Anton Fugger im
prächtigen Festgewand, wie hei dessen Tod im langen;
Trauermantel.
An viele dieser Bilder, deren Ausdeutung durchaus nicht
immer einwandfrei klar ist, knüpften sich mancherlei Fra-
gen und zum Teil lebhafte Diskussionen.
160. Sitzung am 21. Juni 1940. Anwesend Frau Dihle
und die Herren M. Fischer, Hetzer, Käsemann, Körte, G.
H. Meyer, Mirow, Morawietz, Paul, Rohde, Thieme, Wen-
zel, Zarn, als Gäste die Damen Frl. Dorka, Frau A. Fi-
scher, Frl. Rothert und die Herren Brauer, Dittberner;
Gandert, Hoffmann, Kropf, Ruppel.
Herr Dr. H. A. Knorr vom Landesamt für Vor- und
Frühgeschichte sprach über neue Wqkingerwaffen aus
der Mark Brandenburg.
Bei den im Gegensatz zu West- und Süddeutschland
kulturell wie politisch gänzlich anders gelagerten ostdeut-
schen Verhältnissen im frühen Mittelalter bedeutet auch
jeder Waffenfund östlich der Elbe immer wieder einen
weiteren Schritt vorwärts zur Lösung der mitunter sehr
verwickelten Fragen. Und so werden mit großer Aufmerk-
samkeit die jetzt wieder in der Mark Brandenburg zum
Vorschein gekommenen Wikingerwaffen und Ausrüstungs-
gegenstände verfolgt. Sie zeigen nur zu deutlich, wer
nach dem überwiegenden westdeutschen Import im 8.—10.
Jahrh. Handel und Verkehr in der Hand hatte. Es war
Ziel des Vortrages, diese Probleme einmal an Hand der
neuen Funde zu beleuchten. Die Neufunde umfassen ein-
mal Äxte eines ostdeutschen Typus (Lokalform) aus dem
10.—11. Jahrh., ferner ein Wikingerschwert und dann einen
ganz einzigartigen silher- und kupfertauschierten Steig-
bügel, zu dem jeder Vergleich vorläufig noch fehlt. Letzte-
rer wird demnächst in den Forschungen des Branden-
burg. Provinzialinsliluts veröffentlicht. Zu den Äxten nimmt
der Vortragende noch einmal eingehend Stellung in einem
der nächsten Hefte.
FACHNOTIZEN
Ein Preisschießen
nach der Scheibe in Lüttich 1537.
Es ist sehr bemerkenswert, daß uns, soweit mir bekannt,
bis zur Neuzeit nichts über ein Übungs- und Zielschießen
mit der Kanone berichtet wird. Zwar erwähnt Furttenbach1)
in seiner berühmten Modell-Sammlung, von ihm „Rüst-
Abb. 1. Wappen der Lütticher Schützengilde. 1521
und Kunstkammer" genannt, einen kleinen Metall-Böller
für Steinkugeln von 4/2 Pfund „zum Exercieren für die
Jugend", eine Kartaune „zur Belehrung der Jugend"
und zwei Metall-Feldschlangen „zuni Zielschießen für
die Jugend". Aber Näheres darüber erfahren wir nicht.
Es ist doch kaum anzunehmen, daß dieser treffliche
Jugenderzieher und Ulmer Ratsherr zwar das heranwach-
sende Geschlecht im Zielschießen mit Kanonen ausgebildet
hat, ein solches Übungsschießen aber in den Heeren nicht
systematisch gepflegt sein sollte. Erst aus den Jahren 1740
(Metz, unter Belidor), 1746 und 1750 (Turin, Po-Ebene)
liegen eingehende Schießversuche mit Kanonen über
Pulververbrauch, Schußweite, Rücklauf, Ladung usw. vor.
Aber auch hier fehlen noch alle Angaben über Treff-
genauigkeit (vgl. Fußnote 16).
Ganz anders liegen die Dinge beim Schießen mit der
Handbüchse. Es erscheint selbstverständlich, daß die in
Nürnberg schon 1403 vorhandene Büchsenmeisterzunft ihre
Handwaffen auf Treffsicherheit auch praktisch vor dem
Ernstfall ausprobiert haben wird, und der Deutsche Orden
hat nicht nur unter Winricli von Kniprode (1351—82) eine
Schützengilde ins Leben gerufen, sondern seine Mitglieder
auch zum Schulschießen in einem Schießgarten und Büch-
senschützenhaus in Marienburg angehalten, wofür 1417 und
1418 Ausgaben nachgewiesen sind.
Auch sonst sind uns mancherlei Nachrichten über das
Scheibenschießen mit Handhüchsen erhalten geblieben. Die
älteste bildliche Darstellung eines Schießstandes soll
die von Olaus Magnus in „De gentihus septentrionalibus"
Rom 1555 sein2).
Demnach verdient die folgende Schießordnung der
Schützengilde in Lüttich3), deren Wappen aus dem Jahr
1521 ihr von Erard von der Mark verliehen war und neben-
stehend gleichfalls mitgeteilt sei (Abb. 1)4), besondere Be-
achtung. Sie bezieht sich auf ein Preisschießen, bei dem
Gewehre mit Luntenschlössern verwendet wurden. Aus der
eingehenden Darstellung sind nicht nur kulturelle, son-
') Joseph Furttenbach (1591—1667), Architectura Privata (1641)
S. 20—52.
2) ZHW. 8. Bd. 1918—20 S. 86.
3) „Compagnie Monsieur Saint Christophe condist des Coleveriniers
de la eite de Liege".
4) Bulletin de 1'Institut Archeologique Liegeois, tome 28 S. 72.