DAS GROSSE STRASSBURGER STADTBANNER
VON PAUL MARTIN
Jeit Anfang des 13. Jahrhunderte erkämpfte sich die
Stadt Straßburg schrittweise die Loslösung von bi-
schöflicher Verwaltung und Rechtsprechung, bis mit
der siegreichen Schlacht bei Hausbergen 1262 die end-
gültige Befreiung von der Oberhoheit des Bischofs
ihren Abschluß fand. Straßburg wurde nun nicht zur
Reichsstadt im gewöhnlichen Sinne des Wortes, son-
dern „Freie Stadt" ohne Steuerpflicht an das Reich
und ohne Huldigungspflicht vor König und Kaiser.
Die zunehmende und tonangebende Machtstellung
Straßburgs am Oberrhein wirkte sich auch im städti-
schen Wehrwesen aus. Zahlreiche Kämpfe mit Bischof
und Adel, das daraus erwachsende stolze Selbstbe-
wußtsein der mannhaften Stadtbevölkerung kam be-
ders in der Führung eines Stadthauptbanners zum
Ausdruck.
Dieser angesehenen Stellung entspracli das Stadt-
wappen, das stolz den gekrönten Stechhelm mit rot-
weißem Schwanenflug als Helmzierde und Helm-
decken in den rot-weißen Stadtfarben führte.
Während die Stadtfahnen (kleinen Banner und
„Venle") dem Stadtwappen entsprechend, den roten
Schrägbalken im weißen Feld führten, war der
„Hauptfahn" sowie der „Rennfahn" eine künstlerisch
hochstehende Darstellung der Madonna mit Kind vor-
behalten, ähnlich dem ältesten Stadtsiegelbild von
1201.
Eine zuverlässige Beschreibung dieser beiden Ehren-
zeichen verdanken wir J. Schilter, dem Herausgeber
der Chronik des Jacob Twinger von Königshoven, zu
Straßburg 16981):
„Der Stadt Haupt-Fahn oder Standart / von weißem
Doppeltaffet / 71/2- Ehlen hoch / u. 672. Ehle breit / wo-
ran pro achtzig Ducaten werth Gold befindlich / dar-
auf! zu beyden Seiten ein gleichformiggemahltes / auff
einem mit vergoldetem Laubwerck gezierten / grün
überzogenen / und mit rother Decke belegten Sessel /
auff einem purpurfarben / an Ecken mit güldenen Li-
lien / und sonst mit Cronen besäeten Küssen sitzendes
am Leibe in Purpur und blau bekleidetes / und die mit
breiten güldenen Banden umgebene Arm / ausstrek-
kendes gekröntes Marien-Bild / so das Kindlein JEsu
9 Die Aeltestc Teutsche sowol allgemeine als insonder-
heit Elsässische und Straßhurgische Chronike von Jacob
von Koenigshoven, mit historischen Anmerkungen in Truck
in einem rothen unter- und Purpurfarben / grün ge-
fütterten / Ober-rock bekleidet: in der rechten mit
zwey auffgerichteten Fingern / in der lincken Hand
aber eine dreyblätterige Lilie haltend / in ihrem Schoß
sitzen hat / zu sehen (Abb. 1).
Dieser ist nicht allein seiner Größe und Schwere
halben / sondern auch nach alter Gewonheit vor die-
/sem hey denen Römer-Zügen / von der Stadt Leuthen
auff einem Wagen nachgeführet worden / und wurde
Carrocium aucli Standartum genant / als das Carro-
cium Mediolanense, mit des heiligen Ambrosij Bild-
nis / desgleichen Cremonense, Parmense, Paduanum,
Veronense, & c. davon zu lesen du Fresne Glossar, v.
Carroc. und Standar. Und wiewohlen Keyser Friedrich
der Dritte / als er um die Keyserl. Cron zu Rom ein-
reiten wolte / alle Panier vor der Stadt abzuthun ge-
botten / dessen sich dann die Gesandten von Strasburg
nicht dorfften widern / weilen das Fähnlein der Rit-
terschafft St. Georgen Schild auch abgethan ward /
damit das Reichs-Paner denen Römern zugefallen / zu
Rom allein eingeführet würde / so wurde doch so bald
man von Rom wieder auffbrach / der StadtPaner / mit
St. Georgen Fähnlin wieder auffgethan / und also
durch Italien und Lombardey herauss wieder heim
geführt. Es ist auch über diss in des Heiligen Reichs
Heer-Zügen / des Reichs Paner von Keyserlicher
Mayestät dem Hertzogen zu Würtenherg und der Stadt
Strassburg zugleich auffzuwerffen anbefohlen wor-
den / wie aus nachgesetztem Keyser Carls dess Vierten
Mandato vom 23. Junii 1363 zu sehen...
Als auch Anno 1475. denen Reichs-Städten von
Keyserlicher Mayestät des heiligen Reichs Panier ge-
geben und zu führen befolen ward / hat die Stadt
Strassburg je und je dasselbe zum ersten zu führen
empfangen / darnach die andere Städte / so es einen
Tag um den anderen geführet / biss es wieder an die
von Straßburg kommen ist. Besage nachfolgender Be-
richts vom Jahr 1475... In dem Zug wider die Böh-
men / war dieser Stadt-Paner das vorderste im An- und
das letste im Abzug gewesen.
Nebst diesem Haupt- oder Blut-Fahnen befindet sich
der schöne / nur auff 3. Ellen hohe / mit einer 5 Ellen
gegeben von Johann Schilter, Straßburg 1698, S. 1103 Illu-
stration S. 1107.
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VON PAUL MARTIN
Jeit Anfang des 13. Jahrhunderte erkämpfte sich die
Stadt Straßburg schrittweise die Loslösung von bi-
schöflicher Verwaltung und Rechtsprechung, bis mit
der siegreichen Schlacht bei Hausbergen 1262 die end-
gültige Befreiung von der Oberhoheit des Bischofs
ihren Abschluß fand. Straßburg wurde nun nicht zur
Reichsstadt im gewöhnlichen Sinne des Wortes, son-
dern „Freie Stadt" ohne Steuerpflicht an das Reich
und ohne Huldigungspflicht vor König und Kaiser.
Die zunehmende und tonangebende Machtstellung
Straßburgs am Oberrhein wirkte sich auch im städti-
schen Wehrwesen aus. Zahlreiche Kämpfe mit Bischof
und Adel, das daraus erwachsende stolze Selbstbe-
wußtsein der mannhaften Stadtbevölkerung kam be-
ders in der Führung eines Stadthauptbanners zum
Ausdruck.
Dieser angesehenen Stellung entspracli das Stadt-
wappen, das stolz den gekrönten Stechhelm mit rot-
weißem Schwanenflug als Helmzierde und Helm-
decken in den rot-weißen Stadtfarben führte.
Während die Stadtfahnen (kleinen Banner und
„Venle") dem Stadtwappen entsprechend, den roten
Schrägbalken im weißen Feld führten, war der
„Hauptfahn" sowie der „Rennfahn" eine künstlerisch
hochstehende Darstellung der Madonna mit Kind vor-
behalten, ähnlich dem ältesten Stadtsiegelbild von
1201.
Eine zuverlässige Beschreibung dieser beiden Ehren-
zeichen verdanken wir J. Schilter, dem Herausgeber
der Chronik des Jacob Twinger von Königshoven, zu
Straßburg 16981):
„Der Stadt Haupt-Fahn oder Standart / von weißem
Doppeltaffet / 71/2- Ehlen hoch / u. 672. Ehle breit / wo-
ran pro achtzig Ducaten werth Gold befindlich / dar-
auf! zu beyden Seiten ein gleichformiggemahltes / auff
einem mit vergoldetem Laubwerck gezierten / grün
überzogenen / und mit rother Decke belegten Sessel /
auff einem purpurfarben / an Ecken mit güldenen Li-
lien / und sonst mit Cronen besäeten Küssen sitzendes
am Leibe in Purpur und blau bekleidetes / und die mit
breiten güldenen Banden umgebene Arm / ausstrek-
kendes gekröntes Marien-Bild / so das Kindlein JEsu
9 Die Aeltestc Teutsche sowol allgemeine als insonder-
heit Elsässische und Straßhurgische Chronike von Jacob
von Koenigshoven, mit historischen Anmerkungen in Truck
in einem rothen unter- und Purpurfarben / grün ge-
fütterten / Ober-rock bekleidet: in der rechten mit
zwey auffgerichteten Fingern / in der lincken Hand
aber eine dreyblätterige Lilie haltend / in ihrem Schoß
sitzen hat / zu sehen (Abb. 1).
Dieser ist nicht allein seiner Größe und Schwere
halben / sondern auch nach alter Gewonheit vor die-
/sem hey denen Römer-Zügen / von der Stadt Leuthen
auff einem Wagen nachgeführet worden / und wurde
Carrocium aucli Standartum genant / als das Carro-
cium Mediolanense, mit des heiligen Ambrosij Bild-
nis / desgleichen Cremonense, Parmense, Paduanum,
Veronense, & c. davon zu lesen du Fresne Glossar, v.
Carroc. und Standar. Und wiewohlen Keyser Friedrich
der Dritte / als er um die Keyserl. Cron zu Rom ein-
reiten wolte / alle Panier vor der Stadt abzuthun ge-
botten / dessen sich dann die Gesandten von Strasburg
nicht dorfften widern / weilen das Fähnlein der Rit-
terschafft St. Georgen Schild auch abgethan ward /
damit das Reichs-Paner denen Römern zugefallen / zu
Rom allein eingeführet würde / so wurde doch so bald
man von Rom wieder auffbrach / der StadtPaner / mit
St. Georgen Fähnlin wieder auffgethan / und also
durch Italien und Lombardey herauss wieder heim
geführt. Es ist auch über diss in des Heiligen Reichs
Heer-Zügen / des Reichs Paner von Keyserlicher
Mayestät dem Hertzogen zu Würtenherg und der Stadt
Strassburg zugleich auffzuwerffen anbefohlen wor-
den / wie aus nachgesetztem Keyser Carls dess Vierten
Mandato vom 23. Junii 1363 zu sehen...
Als auch Anno 1475. denen Reichs-Städten von
Keyserlicher Mayestät des heiligen Reichs Panier ge-
geben und zu führen befolen ward / hat die Stadt
Strassburg je und je dasselbe zum ersten zu führen
empfangen / darnach die andere Städte / so es einen
Tag um den anderen geführet / biss es wieder an die
von Straßburg kommen ist. Besage nachfolgender Be-
richts vom Jahr 1475... In dem Zug wider die Böh-
men / war dieser Stadt-Paner das vorderste im An- und
das letste im Abzug gewesen.
Nebst diesem Haupt- oder Blut-Fahnen befindet sich
der schöne / nur auff 3. Ellen hohe / mit einer 5 Ellen
gegeben von Johann Schilter, Straßburg 1698, S. 1103 Illu-
stration S. 1107.
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