DER STREITKOLBEN TON GR YNAU
VON E. A. GESSLER
In der Historischen Sammlung des Kantons Glarus
im Freulerpalast zu Näfels, den der im Dienste Lud-
wigs XIII. von Frankreich stehende Oberst der Schwei-
zer Garde Kaspar Freuler 1645—47 errichten ließ, be-
findet sich ein Streitkolhen, der in sehr verrostetem
Zustand dem Schweizerischen Landesmuseum zur Kon-
servierung übergehen wurde (Abb.1). Die Konstruktion
dieser Reiterwaffe, die völlig aus Eisen gearbeitet ist,
weicht in ihrem Schaft von allen den deml Verfasser be-
kannten Reiterstreitkolben ab; die Beschreibung dieses
Stückes bat den Zweck, zur Nachforschung ähnlicher
oder gleicher aufzumuntern. Der Kopf dieses Kol-
bens besteht aus sechs radial verlaufenden Sclilag-
blättern, einer Form, die sich im Verlaufe des 14. Jahr-
hunderts herausgebildet hat. Sie sind mit dem Stiel
kupferverlötet. Den Schaft umschließt am oberen
Ende ein Ring mit eingraviertem Rauten)-'
dekor, aus dem die Schlagblätter bis zur oberen
Hälfte aufsteigen und sich daselbst verbreitern, wo-
bei jedes Blatt in eine dreieckige breite Spitze als
Schlagfläche endet. Oben werden diese Schlagflächen
mit einem Ring, entsprechend dem unteren zusammen-
gehalten. Aus der Mitte dieses Ringes wächst ein kur-
zer achtseitiger Stil mit viereckigem Abschlußknopf
heraus, der auf einem runden Plättchen mit geschnürl-
tem Rand aufsitzt. Der Schaft ist aus einer zylindri-
schen Röhre mit Kupfer verlöteter Naht gebildet, die
sich von unten nacli oben verengt. Am unteren Ende
befindet sich ein starker Abschlußring von vier-
eckigem Querschnitt, zugleich als Knauf des Hand-
griffes dienend; daselbst ist die Schaftröhre durcli eine
runde Scheibe mit eingraviertem radialem Liniendekor
bedeckt. Der Handgriff wird oben durch eine runde
Eisenplatte als Parierscheihe abgeschlossen, und auf
diese ist eine eiserne Halbkugel aufgelötet; sie schließt
unten ringsum mit einem gewellten Rand ab. Als Ver-
zierung sehen wir auf dieser Kugelkalotte gravierte,
schräge, radial verlaufende Doppellinien; beidseitig
befindet sich je ein gegenüberliegendes ovales Loch
zum Durchziehen eines ledernen Handriemens,
Schlagbandes. Der Schaft ist gegen die Mitte
durcli einen Bund gegliedert, gebildet aus
einem dreifacli profilierten Querwulstring mit ge-
schnürltem Dekor. Der oberste Ring zeigt einen
Zahnschnittfries. Oberhalb dieses Ringes ist der Stil
etwas beschädigt. Der eigentliche Handgriff weist
einen runden Querschnitt auf, er war wohl ehemals
mit Leder überzogen. Bei der Untersuchung dieses
Griffes zeigte sich, daß die untere Abschlußscheibe
sich bewegen ließ, und bei ihrem Herausziehen war
daran im Innern ein hölzerner Stiel befestigt, der
spitz zuläuft und innen bis gegen die Mitte des oberen
Drittels der äußeren Röhre reicht.
Diese Konstruktion ist dem Verfasser weder an den
ihm bekannten Exemplaren, noch in der Literatur je
vor Augen gekommen. Jedenfalls ist sie als Verstär-
kung des Schaftes äußerst praktisch, weil dadurch
auch heim heftigsten Schlag ein Brechen der Eisen
röhre durch die Elastizität dieses Holzschaftes ver-
hindert wird1).
Die ganze Waffe ist überaus handlich. Ihre Her-
kunft ist durch einen beigegebenen Fundbericht vom
4. Februar 1878 von Ingenieur G. Legler von Glarus,
der am Weiterbau der Lindthregulierung arbeitete), un-
zweideutig festgelegt: „Gefunden nahe beim alten
Schloßturm von Grynau heim Bau des Dammdurch-
lasses am linksseitigen unteren Ende desselben im
alten Lindthufer".
Wir gehen hier auf die Entwicklung des Streitkol-
bens aus der Keule bis zum Kürißbengel des 16. Jahr-
hunderts und zum Amtsabzeichen höherer Magistrats-
personen, Richter und Feldhauptleute, im 17. Jahr-
hundert nicht ein. Auch der Marschallstab geht
schlußendlich auf den mittelalterlichen Streitkolhen
zurück. Ein Vergleich mit erhaltenen Waffen dieser
Art läßt den Streitkolben von Grynau in die erste
Hälfte des 15. Jahrhunderts datieren.
'9 Die Maßverhältnisse dieser Waffe sind folgende: Ge-
samtlänge 47,5 cm. Handgriff zwischen Knauf und Parier-
scheibe, L. 10 cm. L. d. Stiels bis zum Kolben 21,5 cm. L. d.
Schlagblätter 10,6 cm. Höhe d. Schlagdreiecks 3,1 cir. Durch-
messer der äußersten Spitzen der Schlagblätter 7,5 cm.
Höhe des Abschlußknopfs 2,3 cm. Länge des innern Holz-
stiels 30,5 cm. Gewicht 780 Gramm.
VON E. A. GESSLER
In der Historischen Sammlung des Kantons Glarus
im Freulerpalast zu Näfels, den der im Dienste Lud-
wigs XIII. von Frankreich stehende Oberst der Schwei-
zer Garde Kaspar Freuler 1645—47 errichten ließ, be-
findet sich ein Streitkolhen, der in sehr verrostetem
Zustand dem Schweizerischen Landesmuseum zur Kon-
servierung übergehen wurde (Abb.1). Die Konstruktion
dieser Reiterwaffe, die völlig aus Eisen gearbeitet ist,
weicht in ihrem Schaft von allen den deml Verfasser be-
kannten Reiterstreitkolben ab; die Beschreibung dieses
Stückes bat den Zweck, zur Nachforschung ähnlicher
oder gleicher aufzumuntern. Der Kopf dieses Kol-
bens besteht aus sechs radial verlaufenden Sclilag-
blättern, einer Form, die sich im Verlaufe des 14. Jahr-
hunderts herausgebildet hat. Sie sind mit dem Stiel
kupferverlötet. Den Schaft umschließt am oberen
Ende ein Ring mit eingraviertem Rauten)-'
dekor, aus dem die Schlagblätter bis zur oberen
Hälfte aufsteigen und sich daselbst verbreitern, wo-
bei jedes Blatt in eine dreieckige breite Spitze als
Schlagfläche endet. Oben werden diese Schlagflächen
mit einem Ring, entsprechend dem unteren zusammen-
gehalten. Aus der Mitte dieses Ringes wächst ein kur-
zer achtseitiger Stil mit viereckigem Abschlußknopf
heraus, der auf einem runden Plättchen mit geschnürl-
tem Rand aufsitzt. Der Schaft ist aus einer zylindri-
schen Röhre mit Kupfer verlöteter Naht gebildet, die
sich von unten nacli oben verengt. Am unteren Ende
befindet sich ein starker Abschlußring von vier-
eckigem Querschnitt, zugleich als Knauf des Hand-
griffes dienend; daselbst ist die Schaftröhre durcli eine
runde Scheibe mit eingraviertem radialem Liniendekor
bedeckt. Der Handgriff wird oben durch eine runde
Eisenplatte als Parierscheihe abgeschlossen, und auf
diese ist eine eiserne Halbkugel aufgelötet; sie schließt
unten ringsum mit einem gewellten Rand ab. Als Ver-
zierung sehen wir auf dieser Kugelkalotte gravierte,
schräge, radial verlaufende Doppellinien; beidseitig
befindet sich je ein gegenüberliegendes ovales Loch
zum Durchziehen eines ledernen Handriemens,
Schlagbandes. Der Schaft ist gegen die Mitte
durcli einen Bund gegliedert, gebildet aus
einem dreifacli profilierten Querwulstring mit ge-
schnürltem Dekor. Der oberste Ring zeigt einen
Zahnschnittfries. Oberhalb dieses Ringes ist der Stil
etwas beschädigt. Der eigentliche Handgriff weist
einen runden Querschnitt auf, er war wohl ehemals
mit Leder überzogen. Bei der Untersuchung dieses
Griffes zeigte sich, daß die untere Abschlußscheibe
sich bewegen ließ, und bei ihrem Herausziehen war
daran im Innern ein hölzerner Stiel befestigt, der
spitz zuläuft und innen bis gegen die Mitte des oberen
Drittels der äußeren Röhre reicht.
Diese Konstruktion ist dem Verfasser weder an den
ihm bekannten Exemplaren, noch in der Literatur je
vor Augen gekommen. Jedenfalls ist sie als Verstär-
kung des Schaftes äußerst praktisch, weil dadurch
auch heim heftigsten Schlag ein Brechen der Eisen
röhre durch die Elastizität dieses Holzschaftes ver-
hindert wird1).
Die ganze Waffe ist überaus handlich. Ihre Her-
kunft ist durch einen beigegebenen Fundbericht vom
4. Februar 1878 von Ingenieur G. Legler von Glarus,
der am Weiterbau der Lindthregulierung arbeitete), un-
zweideutig festgelegt: „Gefunden nahe beim alten
Schloßturm von Grynau heim Bau des Dammdurch-
lasses am linksseitigen unteren Ende desselben im
alten Lindthufer".
Wir gehen hier auf die Entwicklung des Streitkol-
bens aus der Keule bis zum Kürißbengel des 16. Jahr-
hunderts und zum Amtsabzeichen höherer Magistrats-
personen, Richter und Feldhauptleute, im 17. Jahr-
hundert nicht ein. Auch der Marschallstab geht
schlußendlich auf den mittelalterlichen Streitkolhen
zurück. Ein Vergleich mit erhaltenen Waffen dieser
Art läßt den Streitkolben von Grynau in die erste
Hälfte des 15. Jahrhunderts datieren.
'9 Die Maßverhältnisse dieser Waffe sind folgende: Ge-
samtlänge 47,5 cm. Handgriff zwischen Knauf und Parier-
scheibe, L. 10 cm. L. d. Stiels bis zum Kolben 21,5 cm. L. d.
Schlagblätter 10,6 cm. Höhe d. Schlagdreiecks 3,1 cir. Durch-
messer der äußersten Spitzen der Schlagblätter 7,5 cm.
Höhe des Abschlußknopfs 2,3 cm. Länge des innern Holz-
stiels 30,5 cm. Gewicht 780 Gramm.