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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

DOI Artikel:
Prigge, H: Steingeschossfunde mittelalterlicher Wurfmaschinen von der Zerstörung der Burg Tannensee bei Buxtehude um 1311
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0158

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STEINGESCHOSSFUNDE
MITTELALTERLICHER EURFMASCHINEN
FON DER ZERSTÖRUNG DER BURG BINNENSEE
BEI BUXTEHUDE UM 1311

VON H. PRIGGE

Mitten in dem Beckdorfer Moor, 10 km südwestlich
von Buxtehude (s. Karte 1 u. 2), liegt eine flache
Geestinsel. Das hier bis 4 in mächtige Hochmoor gibt
Platz für niedriges, feuchtes Wiesenland, das die ganze
Insel umschließt (Abb. 1). Heute ist das Gebiet durch
eine intensive Moorentwässerung völlig trockengelegt.
Der Besucher kann sich nicht mehr vorstellen, daß
die kaum erkennbare grüne Anhöhe im braunen Moor
vor einem Menschenalter noch wirklich eine Insel
war inmitten einer weiten Wasserfläche. Nur im Som-
mer verlief sich das Wasser zeitweilig und gab ein
„trockenes, etwa 9 Fuß tiefes Bett von weißem Sande"
frei1). Meine diluvial-geologischen Arbeiten in Nord-
westdeutschland führten mich während der letzten
Jahre immer wieder in das Gebiet dieses sogenannten
„Tannensees". Auf der flachen Geestinsel liegen die
Trümmer einer alten Burg. Sie gehörte Hinrich von
Borgh, der Burgmann in Horneburg (zwischen Buxte-
hude und Stade) war. Von diesem „Isern Hinnerk"
erzählen die Bauern in den umliegenden Dörfern noch


Karte 1. Karte von Buxtehude mit der angrenzenden Geest (1 : 100000)
Burg Tannensee

4) F.W. Wiedemann, Geschichte des Herzogthums Bre-
men. 1864.

2) J. M. Lappenberg, Historia archiepiscoporum Bremen-
sium. 1841.

heute die schlimmsten Schandtaten. Kaiser und Kö-
nige dieser alten Zeit sind vergessen, aber der „Raub-
ritter" im eisernen Harnisch lebt noch heute im Volke.
Die Geschichtsquellen2) 3) berichten folgendes:
Burgmann Hinrich von Borgh (auch Heinrich genannt)
war jung und reich begütert. Als der Papst den Dänen
Johann Grand am 11. Februar 1310 zum Erzbischof von
Bremen ernannte, wurde diesem die erzbischöfliche
Burg Bremervörde (zwischen Stade und Bremen), die
Hinrich von Borgh besetzt hielt, verweigert. Nach
gutem Zureden gab der junge Ritter sie endlich frei.
Docli bald reute ihn der Schritt. Es heißt: „Nun
wurde Heinrich ein Verächter Gottes und ein Feind
der Geistlichen. — Klöster plünderte er, Geistliche
nahm er gefangen, das Land verwüstete er, selbst
Ritter marterte er". (Nach H. Strunk, a. a. O.) Der
Erzbischof hatte weder die Mittel noch den Muf,
Hinrich allein zu bekriegen. Er verband sich mit Her-
zog Otto dem Strengen von Lüneburg (1277—1330)
und Bischof Friedrich von Verden (15. September 1300
bis 9. Januar 1312). Hinrich von Borgh wurde im Tan-
nensee belagert. Mit Wurfmaschinen (machinae pe-
trariae)4) wurde die Wasserburg sturmreif gemacht.
Der Ritter war geflohen. Darauf wurde auch die Feste
Horneburg durch drei Schanzen eingeschlossen und
genommen. Der Eiserne Heinrich wurde nach Bremer-
vörde gebracht und in den Kerker geworfen. Er er-
hielt später die Freiheit zurück, wird aber in der
Geschichte nicht wieder genannt. — Wieweit Sage
und Geschichte den tatsächlichen Gegebenheiten
gerecht werden, ist nicht zu entscheiden. Wir wol-
len bedenken, daß die Geschichtsquellen jener
Zeit im wesentlichen aus der Feder der dama-
ligen Geistlichkeit flossen und damit eine bestimmte
Färbung verständlich machen. Die Natur und gün-
stige Umstände haben uns handfestere und unver-
gängliche Zeugen von dem Kampfe hinterlassen in Ge-

3) G. Strunk, Quellenbuch zur Geschichte des Erzstiftes
Bremen. 1925.

4) J. M. Lappenberg a.a.O.
 
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