Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

DOI Artikel:
Sander, Erich: Deutsche Fahnen in vorheraldischer Zeit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0212

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DEUTSCHE FAHNEN IN TORHERALDISCHER ZEIT

VON ERICH SANDER

Daß die Gei manen Feldzeichen gehabt haben, wird
von keiner Seite mehr geleugnet1). Über ihr Aus-
sehen in der Bronzezeit geben die Felszeichnungen
Anhaltspunkte. Wir sehen hier die Axt, das Sonnen-
rad, den Baum, die große Hand, die Lanze2). Unter
den Funden sind bisher keine Feldzeichen nachge-
wiesen worden. Das hat vielleicht seinen Grund dar-
in, daß man mit dieser Frage überhaupt noch nicht
an die Funde herangetreten ist. So haben wir viel-
leicht in den Sonnenscheiben von Jägersborg bei Ko-
penhagen3), Trundholm oder Eckelsheim in Schwe-
den4) germanische Feldzeichen zu sehen. Wahr-
scheinlich sind noch eine ganze Reihe weiterer Son-
nenräder oder Hakenkreuze, deren Bedeutung bisher
nicht ganz klar war, ebenso zu werten. Für die vor-
liegende Arbeit mag dieser Hinweis genügen. Beispiele
für die anderen oben erwähnten Formen lassen sich,
soweit ich sehen kann, aus den Funden nicht bei-
bringen.
Zum Teil scheint diese Form allgemein nordisch ge-
wesen zu sein. Die signa der römischen Legionen zei-
gen durchweg eine Reihe runder Scheiben, die in der
Mitte einen Buckel haben. Ich vermute in ihnen Nach-
bildungen der Sonnenscheibe, um so mehr, als sich
darunter solche finden, die vielfach geriefelt sind5).
Diese Vermutung widerspricht nicht der Ansicht
v. Domaszewskis, der in ihnen militärische Auszeich-
nungen sieht; denn auch letztere können ohne Schwie-
rigkeit mit dem Sonnensymbol in Verbindung gebracht
werden. Neben der Sonnenscheibe erscheint die Hand
als Symbol der Fides6). Im Nordischen ist es der Hand-
gott. Über seine Funktionen herrscht nicht völlige
Klarheit, aber daß er der Hüter der Mannestreue ge-
wesen oder geworden ist, ist nach seiner Gestaltung
9 Mannus 29 (1937) S. 399ff. dort die Literatur. Zeit-
schrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte 50 (1930)
S. 340.
2) Oscar Almgren, Nordische Felszeichnungen als reli-
giöse Urkunden, Frankfurt a. Main, 1934, S. 3, 6, 12, 135.
3) G. Kossinna, Die deutsche Vorgeschichte, Leipzig
1934, S. 78; Abb. 171.
9 Mannus 27 (1935) S. 360, Taf. IX Abb. 38.
5) Alfred von Domaszewski, Die Fahnen im römischen
Heere; Abh. des archäol.-epigraphischen Seminars der Uni-
versität Wien, Heftt V. Wien 1885, S. 40.
6) v. Domaszewski, a. a. O. S. 53.

durchaus möglich. Wenn auch das bisher Gesagte vor-
nehmlich für die jüngere Stein- und die Bronzezeit
gilt, so ist es doch höchst wahrscheinlich, daß wenn
nicht alle, so doch ein Teil dieser Symbole sich bis
in die geschichtliche Zeit gehalten hat. In der Eisen-
zeit erscheinen dann erstmalig Tierbilder als Feld-
zeichen7). Der Stier, Drache, die Schlange, das Pferd,
der Eber, der Rabe, die Eule, der Hahn, die Henne8).
Hierher gehört auch der Kimbernstier. Über sein Aus-
sehen mag der Stier von Treuenbriezen im Märki-
schen Museum Auskunft geben9). Sie gehen in der
Wanderzeit verloren, doch halten sich einige, beson-
ders der Drachen, bis zum Beginn der Neuzeit. In
nachchristlicher Zeit erscheinen dann endlich men-
schengestaltige Götter, auch in den Feldzeichen (vgl.
das unten über den Engel der Sachsen Gesagte).
Nun hat schon Herbert Meyer die Vermutung aus-
gesprochen, daß die Germanen neben den plastischen
Bildern auch Fahnen geführt hätten, dem Wort des
Tacitus entsprechend: effigies et signa10). Wenn We-
ber das als Hendiadyoin auffaßt und mit „Feld-
zeichen in Gestalt von Tierbildern" übersetzt, so kann
man ihm darin nicht folgen. Tacitus ist mit seinen
Worten zu sparsam, als daß ihm diese Art läge. Wir
müssen im Gegenteil jedes Wort bei ihm gewisser-
maßen auf die Goldwaage legen. Wenn er also von
effigies et signa spricht, so müssen wir zwei ver-
schiedene Dinge darunter verstehen. Tatsächlich steht
auch signuni nie in einer Verbindung, aus der man
die Form des Hendiadyoin erschließen könnte; immer
sind wirklich zwei Begriffe gemeint. Dasselbe gilt von
effigies11). Ihrem Aussehen nach waren die signa
Fähnlein mit angesetzten wehenden Wimpeln oder
Zipfeln, sog. flammulae (Abb. 1); andere Formen kom-
7) Vgl. Gudmund Schütte, Dänisches Heidentum, Heidel-
berg 1923, S. 86.
8) Wilhelm von Knobelsdorf, Die deutschen Feldzeichen
der Vorzeit, Heraldische Mitteilungen 7 (1896) S. 3ff.; Göt-
tinger Anzeiger 1930, S. 495 f.
9) Edmund Weber, Der Kimbernstier, Zeitschrift für
Volkskunde 48 (1939) S. 121.
10) Zeitschrift der Savignystiftung Bd. 50, S. 349.
") A. Gerber — A. Greff, Lexicon Taciteum, sub signa
und effigies. E. Norden, Antike Kunstprosa, Leipzig 1915,
I, S. 334; 338 ff.
 
Annotationen