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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

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Neubecker, Ottfried: Die Feldzeichen des unterpälzischen Heeres im Jahre 1620: Zwei Regimentsgeschichten aus dem dreissigjährigen Krieg
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0223

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DIE FELDZEICHEN
DES UNTERPFALZISCHEN HEERES IM JAHRE 1620
ZWEI REGIMENTSGESCHICHTEN AUS DEM DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG

VON OTTFRIED NEUBECKER

Ein freundlicher Zufall spielte dem Verfasser vor
einiger Zeit einen Codex aus losen Blättern in die
Hand, über den wir hier näheres mitteilen wollen1).
Er ist aus Papier mit dem kurpfälzischen Drei-
schildwappen mit Helmzier als Wasserzeichen, Blatt-
größe: 202 mm breit, 314 mm hoch, 9 Blatt. Acht Vor-
derseiten der Blätter und eine Rückseite sind bemalt2).
Die ersten fünf bemalten Seiten zeigen die Standarten
von fünf Kompanien eines Regimentes zu Pferd, die
folgenden Seiten (ausgenommen die letzte) die zehn
Fahnen eines Regimentes zu Fuß. Die erste Standar-
tenseite ist datiert und signiert, die erste Fahnenseite
von der gleichen Hand datiert. Die Bilder stammen
danach aus dem Jahr 1620 und dürfen, da Fahnen-
kodizes aus dieser Zeit schon im öffentlichen Besitz
recht selten sind, allein aus diesem Grund eines be-
sonderen Interesses gewiß sein. Noch größer aber ist
deren Bedeutung dadurch, daß es sich um die Stan-
darten des Regimentes eines der hervorragendsten Ge-
nerale handelt, nämlich des allerdings früh gefalle-
nen Johann Michael von Obentraut, des sogen. Ur-
bilds des deutschen Michel, damaligen Obristen über
ein Regiment zu Pferde. Die Person des Obristen zu
Fuß, Burkhards von Waldmannshausen, war in der
allgemeinen Geschichte bisher weniger bekannt; auch
über ihn wird noch einiges zu sagen sein.

Die Standarten und Trompetenfahnen
des Regiments zu Pferde Obentraut.
Zu jeder Standartenzeichnung (Abb. 1) gehört die
Darstellung der entsprechenden Trompetenfahnen,d.h.
der Behänge der Trompeten, von denen drei zur Kom-
panie des Obersten (sogen. Leibkompanie) und je zwei
zu jeder Kompanie eines der vier weiteren Haupt-
leute (Rittmeister) gehören. Die Rittmeister sind 1. der
Oberst selbst, 2. Johann Friedrich Schenck von
Schmidtberg, 3. Johann Conradt von Selbach,
4. Burgo Schaffelitzky von Muckothell3), 5. Jo-
hann Ernst von Berstett4).
Jedes Blatt mit einer Standartenzeichnung ist gleich-
artig eingeteilt; es hat eine Überschrift mit der Rang-
bezeichnung („Herrn Obristen" für den Oberst, „Ritt-
meister" für die vier weiteren Kompaniechefs) und
dem Namen (in der oben aufgeführten Form) in ein
oder zwei Zeilen in schöner Frakturzierschrift. Hin-
ter den Namen steht stets ein Punkt, obwohl der ge-
meinte Genitiv des Namens (erkennbar in der Form
„Herrn" auf der 1. Seite) durch die Inschrift neben
der Standarte „I.", bzw. „2." usw. bis „5. Cornet." fort-
gesetzt wird. Links unterhalb des Standartentuchs ist
der Trompetenbehang dargestellt mit erläuternden
Beischriften. Auf dem ersten Blatt ist links unten an-

') Vorbesitzer unbekannt; jetzt im Eigentum des Ver-
fassers.
2) Ein Bücherwurm hat die jahrzehntelang zusammenge-
falteten Blätter taktvollerweise nur da durchbohrt, wo
keine Zeichnung ist, und hat sich nur ein bißchen Be-
schriftung von der ersten Fahnenseite schmecken lassen.
3) Die Familie Schaffalitzky existiert noch in Dänemark
als Grafen unter der Schreibweise „Schaffalitzky de Mucko-
dell".
4) Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, sei erwähnt,
daß Hans Friedrich Schenk von Schmidburg (so die üb-
liche Namensform) ein rechter Vetter seines Obersten Hans
Michael von Obentraut ist, und daß Johann Conrad von
Selbach ein Vetter 2. Grades der Gemahlin des Bruders
seines Obersten ist. Eine weitere Beziehung scheint weniger
verwandtschaftlicher als freundschaftlicher Art zwischen
Burgo (Burian) Schaffalitzky von Muckothell und dem

Obersten dadurch bestanden zu haben, daß der Oberst als
gebürtiger Stromberger den Poppo von Witzleben, Forst-
meister auf dem Stromberg, gekannt haben muß, der der
Schwiegervater von Burians Vetter Bernhard Schaffalitzky
von Muckothell war. Eine doppelte Verbindung der Fami-
lien Schaffalitzky und Berstett — wohl als Folge der
Kriegskameradschaft — kam im Jahre 1655 durch eine Ge-
schwisterehe zwischen Burian und Bernhards Nichte und
Neffe einerseits und Johann Ernst von Berstetts Neffe und
Nichte andererseits zustande. Durch die Verwandtschafts-
aufstellung erklärt sich leicht die bisher in der Geschichts-
schreibung bemerkte Diskrepanz in den Angaben darüber,
wer am 21.Mai 1621 den Herzog von Sachsen-Lauenburg
vor Straßburg gefangen genommen habe. Ein Teil der
Quellen schreibt die Tat Obentraut, ein Teil seinem in
seinem Auftrag handelnden Vetter zu, der ja nun als sein
erster Hauptmann ermittelt ist.

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