LITE RATUR
Beugt Thordeman. Armour from the battle of Wisby
1361. Unter Mitwirkung von Paul Nörlund und B. L. In-
gelmark. Bel. I Text, Bd. II Tafeln. Upsala 1939.
Die Leser unserer Zeitschrift sind seit über 10 Jahren
durch Aufsätze und Berichte über den Fortgang der Aus-
grabungen bei Wisby auf Gotland unterrichtet. Mit zu-
nehmender Spannung war die Fachwelt durch immer er-
staunlichere Einzelergebnisse in Atem gelullten, an denen
uns der glückliche Ausgräber und unermüdliche Forscher
Bengt Thordeman freimütig teilnehmen ließ1).
Nunmehr, fast anderhalb Jahrzehnte, nachdem der schwe-
dische Gelehrte mit der Fortsetzung der Ausgrabungen
betraut wurde, liegt das Gesamtergebnis in zivei gewich-
tigen Foliobänden vor, dem reich bebilderten Textband
von 480 Seiten und dem Tafelband mit 145 Tafeln. Ein ge-
waltiges Stück Forscherarbeit, das nicht nach Zeit, noch
nacli Umfang zu bemessen ist, gelangte zum Abschluß. Die
überwältigende Fülle neuer, weit über alle bisherigen Er-
wartungen hinausgehenden Erkenntnisse stempeln das
Werk — so kann man ohne Übertreibung sagen — zum
Hauptereignis im Bereich der Waffenkunde seit Jahr-
zehnten. Unser Wissen wird mit einem Ruck vorwärts ge-
trieben hinein in das Dunkel jener erregenden Epoche
abendländischer Waffenschmiedekunst, als der gotische
Plattenharnisch sich zu formen beginnt, und damit die
Plattnerkunst ihre Geburtsstunde erlebt, die Königin unter
den alten Handwerken des Schmiedehammers.
Trotz der eingangs angeführten Vorberichte und Auf-
sätze über Einzelergebnisse rechtfertigt daher das Erschci-
nen der Gesamt,eröffentlichung eine nochmalige einge-
hende Würdigung, die sich nur da kürzer fassen kann,
wo auf frühere Mitteilungen zu verweisen ist.
Was die äußere Form betrifft, so ist es zunächst ange-
sichts der internationalen Bedeutung und wünschenswer-
ten Verbreitung des Werks zu begrüßen, daß sicli der Verf.
dazu entschloß, statt seiner Muttersprache sich des Eng-
lischen zu bedienen, wobei ihm J. G. Mann, wie wir aus
dem Vorwort erfahren, hilfreich zur Seite stand. Gar nicht
genug zu rühmen ist ferner die geradezu verschwende-
rische Ausstattung und Ergänzung des Textes mit hervor-
ragenden Abbildungen und einfacli mustergültigen Zeich-
nungen, nicht zu vergessen die zahllosen Diagramme,
Karten usw. Sie sprechen durch sich selbst eine allen ver-
ständliche, eindringliche Sprache und tragen ganz wesent-
lich zum Verständnis und der Überzeugungskraft der Dar-
legungen bei. In ihrer Auswahl, Gestaltung und Ausfüh-
rung allein steckt eine Unsumme von Gedankenarbeit
nicht nur, es verrät sich auch hier der große Organisa-
tor, der es verstand, die geeigneten Mitarbeiter zu zählen,
um mit der Kamera und dem Zeichenstift die mühselige
Spatenarbeit festzulegen und zur Anschauung zu bringen.
') Hier eine Zusammenstellung der in der ZHWK. erschienenen
Aufsätze, Berichte und Vorträge zum Thema: B. Thordeman. Die
Kriegsgräber von Korsbetningen b. Wisby; N. F. 2, 129; Bericht zum
Vortrag vom Ref. über das gleiche Thema auf der 41. Sitzung im Zeug-
haus N. F. 2, 172; Reisebericht des Ref. über die Ausgrabungen b. Wisby
N. F. 3, 139. — B. Thordeman: Über die neuen Spangenharnischfunde
bei den Ausgrabungen von Wisby (1361). Bericht über den Vortrag
auf der 16. Ordentl. Mitgliederversammlung in Zürich, N. F. 3, 201. —
Ein erstes Kapitel, „die Schlacht" betitelt, geht weit aus-
holend auf die Geschichte der Stadt Wisby auf Gotland
ein, einer Gründung der Wikingerzeit. Ihre Glanzzeit, ge-
fördert durch die günstige Lage als Brücke für den regen
Handelsverkehr zwischen Rußland und dem Westen, fällt
ins 13. Jahrhundert. Der blühende Handel der Stadt, wo
im Volksmunde die Tauben aus silbernen Trögen fressen
und die Frauen mit goldenen Spinnrocken spinnen, lockt
viele fremde Handelsgesellschaften herbei, darunter auch
eine große deutsche Gründung mit eigener Kirche. Das
unter lockerer Schutzherrschaft Schwedens stehende, poli-
tisch selbständige Gemeinwesen, eine Vorstufe der Hansa
des 14. Jahrhunderts, war so gewiß schon längst ein lok-
kendes Streitobjekt der beiden im Ostseeraum rivalisie-
renden Großmächte Schweden und Dänemark, ehe der
große Dänenkönig Waldemar ll. Atterdag 1361, die
schwächliche Politik Schwedens nutzend und den Zwie-
spalt zwischen der gotländischen Landbevölkerung und
Wisby, nach der schon überreifen Frucht griff. Vor den
Toren von Wisby fällt die Entscheidung am 27. Juli. Das
Bauernheer der Gotländer wird blutig geschlagen, nieder-
gemetzelt, und die stolze Stadt Wisby muß ihre abwartende
Haltung und das falsche Vertrauen auf seine stolzen Mau-
ern mit einer schmählichen Kapitulation an den übermüti-
gen Sieger bezahlen, von der sie sicli nie mehr erholt hat.
Mit gesteigertem Anteil folgen wir heute, selbst in einen
gewaltigen Krieg verstrickt, den Phasen dieses blutigen
Dramas, das Thordeman auf Grund der spärlichen authen-
tischen Berichte und in Auswertung eines um so üppiger
sprießenden Dickichts von Überlieferungen und Dichtun-
gen vor uns abrollen läßt. Indeß das eindrucksvollste Mal
bleibt das mächtige, 400 m vor der Südmauer der Stadt
den Gefallenen unmittelbar nacli der Schlacht errichtete
Gedenkkreuz, das der Stätte den Namen Korsbetningen —
Feld des Kreuzes — gegeben hat. Dieses frühste und groß-
artigste Ehrenmal unserer Zeitrechnung trägt auf den rad-
förmigen Ring um die heute verstümmelt zum Himmel ge-
reckten Kreuzesarme beiderseits die Inschrift: „ANNO
DOMINI MCCCLXI FERIA III POST JACOBI ANTE
PORTAS WISBI IN MANIBUS DANORUM CECIDERUNT
GUTENSES HIC SEPULTI. ORATE PRO EIS2). Zu den
handgreiflichsten und erschütterndsten Zeugen des furcht-
baren Geschehens aber sind die dank den Grabungen
aus den Massengräbern ringsum das Kreuz ans Licht ge-
brachten über 1000 Kriegerskelette mit einem Teil ihrer Be-
waffnung geworden. Ihre Hebung und Ausdeutung eben
stellte die große Aufgabe Bengt Thordemans dar und
bildet den Gegenstand seines hier zu würdigenden Werks.
Die Geschichte der Grabungen, die mit großen Unter-
brechungen einen Zeitraum von 30 Jahren umfaßt, ist recht
verwickelt, und es wird von Thordeman mit Recht als er-
Besprechung des Aufsatzes von P. Nörlund und B. Thordeman: Panzer-
handschuhe aus der Schlacht von Wisby im Jahre 1361 in Acta Archaeo-
logica, Vol. II, 53 ff. durch Ref. N. F. 4, 44; Besprechung des Aufsatzes
von B. Thordeman: The Asiatic splint armour in Europa, Acta
Archaeologica, Vol. IV, 117 ff. durch Ref. N. F. 5, 41.
2) Im Jahre des Herrn 1361 am 27. Juli fielen die hier begrabenen
Gotländer vor den Toren von Wisby unter den Händen der Dänen.
Betet für sie.
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Beugt Thordeman. Armour from the battle of Wisby
1361. Unter Mitwirkung von Paul Nörlund und B. L. In-
gelmark. Bel. I Text, Bd. II Tafeln. Upsala 1939.
Die Leser unserer Zeitschrift sind seit über 10 Jahren
durch Aufsätze und Berichte über den Fortgang der Aus-
grabungen bei Wisby auf Gotland unterrichtet. Mit zu-
nehmender Spannung war die Fachwelt durch immer er-
staunlichere Einzelergebnisse in Atem gelullten, an denen
uns der glückliche Ausgräber und unermüdliche Forscher
Bengt Thordeman freimütig teilnehmen ließ1).
Nunmehr, fast anderhalb Jahrzehnte, nachdem der schwe-
dische Gelehrte mit der Fortsetzung der Ausgrabungen
betraut wurde, liegt das Gesamtergebnis in zivei gewich-
tigen Foliobänden vor, dem reich bebilderten Textband
von 480 Seiten und dem Tafelband mit 145 Tafeln. Ein ge-
waltiges Stück Forscherarbeit, das nicht nach Zeit, noch
nacli Umfang zu bemessen ist, gelangte zum Abschluß. Die
überwältigende Fülle neuer, weit über alle bisherigen Er-
wartungen hinausgehenden Erkenntnisse stempeln das
Werk — so kann man ohne Übertreibung sagen — zum
Hauptereignis im Bereich der Waffenkunde seit Jahr-
zehnten. Unser Wissen wird mit einem Ruck vorwärts ge-
trieben hinein in das Dunkel jener erregenden Epoche
abendländischer Waffenschmiedekunst, als der gotische
Plattenharnisch sich zu formen beginnt, und damit die
Plattnerkunst ihre Geburtsstunde erlebt, die Königin unter
den alten Handwerken des Schmiedehammers.
Trotz der eingangs angeführten Vorberichte und Auf-
sätze über Einzelergebnisse rechtfertigt daher das Erschci-
nen der Gesamt,eröffentlichung eine nochmalige einge-
hende Würdigung, die sich nur da kürzer fassen kann,
wo auf frühere Mitteilungen zu verweisen ist.
Was die äußere Form betrifft, so ist es zunächst ange-
sichts der internationalen Bedeutung und wünschenswer-
ten Verbreitung des Werks zu begrüßen, daß sicli der Verf.
dazu entschloß, statt seiner Muttersprache sich des Eng-
lischen zu bedienen, wobei ihm J. G. Mann, wie wir aus
dem Vorwort erfahren, hilfreich zur Seite stand. Gar nicht
genug zu rühmen ist ferner die geradezu verschwende-
rische Ausstattung und Ergänzung des Textes mit hervor-
ragenden Abbildungen und einfacli mustergültigen Zeich-
nungen, nicht zu vergessen die zahllosen Diagramme,
Karten usw. Sie sprechen durch sich selbst eine allen ver-
ständliche, eindringliche Sprache und tragen ganz wesent-
lich zum Verständnis und der Überzeugungskraft der Dar-
legungen bei. In ihrer Auswahl, Gestaltung und Ausfüh-
rung allein steckt eine Unsumme von Gedankenarbeit
nicht nur, es verrät sich auch hier der große Organisa-
tor, der es verstand, die geeigneten Mitarbeiter zu zählen,
um mit der Kamera und dem Zeichenstift die mühselige
Spatenarbeit festzulegen und zur Anschauung zu bringen.
') Hier eine Zusammenstellung der in der ZHWK. erschienenen
Aufsätze, Berichte und Vorträge zum Thema: B. Thordeman. Die
Kriegsgräber von Korsbetningen b. Wisby; N. F. 2, 129; Bericht zum
Vortrag vom Ref. über das gleiche Thema auf der 41. Sitzung im Zeug-
haus N. F. 2, 172; Reisebericht des Ref. über die Ausgrabungen b. Wisby
N. F. 3, 139. — B. Thordeman: Über die neuen Spangenharnischfunde
bei den Ausgrabungen von Wisby (1361). Bericht über den Vortrag
auf der 16. Ordentl. Mitgliederversammlung in Zürich, N. F. 3, 201. —
Ein erstes Kapitel, „die Schlacht" betitelt, geht weit aus-
holend auf die Geschichte der Stadt Wisby auf Gotland
ein, einer Gründung der Wikingerzeit. Ihre Glanzzeit, ge-
fördert durch die günstige Lage als Brücke für den regen
Handelsverkehr zwischen Rußland und dem Westen, fällt
ins 13. Jahrhundert. Der blühende Handel der Stadt, wo
im Volksmunde die Tauben aus silbernen Trögen fressen
und die Frauen mit goldenen Spinnrocken spinnen, lockt
viele fremde Handelsgesellschaften herbei, darunter auch
eine große deutsche Gründung mit eigener Kirche. Das
unter lockerer Schutzherrschaft Schwedens stehende, poli-
tisch selbständige Gemeinwesen, eine Vorstufe der Hansa
des 14. Jahrhunderts, war so gewiß schon längst ein lok-
kendes Streitobjekt der beiden im Ostseeraum rivalisie-
renden Großmächte Schweden und Dänemark, ehe der
große Dänenkönig Waldemar ll. Atterdag 1361, die
schwächliche Politik Schwedens nutzend und den Zwie-
spalt zwischen der gotländischen Landbevölkerung und
Wisby, nach der schon überreifen Frucht griff. Vor den
Toren von Wisby fällt die Entscheidung am 27. Juli. Das
Bauernheer der Gotländer wird blutig geschlagen, nieder-
gemetzelt, und die stolze Stadt Wisby muß ihre abwartende
Haltung und das falsche Vertrauen auf seine stolzen Mau-
ern mit einer schmählichen Kapitulation an den übermüti-
gen Sieger bezahlen, von der sie sicli nie mehr erholt hat.
Mit gesteigertem Anteil folgen wir heute, selbst in einen
gewaltigen Krieg verstrickt, den Phasen dieses blutigen
Dramas, das Thordeman auf Grund der spärlichen authen-
tischen Berichte und in Auswertung eines um so üppiger
sprießenden Dickichts von Überlieferungen und Dichtun-
gen vor uns abrollen läßt. Indeß das eindrucksvollste Mal
bleibt das mächtige, 400 m vor der Südmauer der Stadt
den Gefallenen unmittelbar nacli der Schlacht errichtete
Gedenkkreuz, das der Stätte den Namen Korsbetningen —
Feld des Kreuzes — gegeben hat. Dieses frühste und groß-
artigste Ehrenmal unserer Zeitrechnung trägt auf den rad-
förmigen Ring um die heute verstümmelt zum Himmel ge-
reckten Kreuzesarme beiderseits die Inschrift: „ANNO
DOMINI MCCCLXI FERIA III POST JACOBI ANTE
PORTAS WISBI IN MANIBUS DANORUM CECIDERUNT
GUTENSES HIC SEPULTI. ORATE PRO EIS2). Zu den
handgreiflichsten und erschütterndsten Zeugen des furcht-
baren Geschehens aber sind die dank den Grabungen
aus den Massengräbern ringsum das Kreuz ans Licht ge-
brachten über 1000 Kriegerskelette mit einem Teil ihrer Be-
waffnung geworden. Ihre Hebung und Ausdeutung eben
stellte die große Aufgabe Bengt Thordemans dar und
bildet den Gegenstand seines hier zu würdigenden Werks.
Die Geschichte der Grabungen, die mit großen Unter-
brechungen einen Zeitraum von 30 Jahren umfaßt, ist recht
verwickelt, und es wird von Thordeman mit Recht als er-
Besprechung des Aufsatzes von P. Nörlund und B. Thordeman: Panzer-
handschuhe aus der Schlacht von Wisby im Jahre 1361 in Acta Archaeo-
logica, Vol. II, 53 ff. durch Ref. N. F. 4, 44; Besprechung des Aufsatzes
von B. Thordeman: The Asiatic splint armour in Europa, Acta
Archaeologica, Vol. IV, 117 ff. durch Ref. N. F. 5, 41.
2) Im Jahre des Herrn 1361 am 27. Juli fielen die hier begrabenen
Gotländer vor den Toren von Wisby unter den Händen der Dänen.
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