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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0184

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Literatur

schwerend für seine Aufgabe hervorgehoben, daß sie nicht
von vornherein in einer, sprich in seiner Hand lag. Von
Zufallsfunden 1826 beim Bau eines Pulvermagazins abge-
sehen, setzen die planmäßigeren Grabungen 1905 ein und
finden 1930 ihren Abschluß. Auch sie danken wiederholten
Zufallsfunden ihre erste Anregung. Beim Bau einer Laube
für den Veterinär eines in Wisby in Garnison liegenden
Truppenteils stößt man 1905 auf das erste Massengrab und
begnügt sich zunächst mit seiner Hebung. 1912 wird beim
Straßenbau zufällig ein zweites Grab freigelegt. Die zweite
Grabung liegt wie die erste in den Händen eines ortsan-
sässigen Archivars, Dr. O. V. Wennersten, der mit großem
Enthusiasmus aber geringen Erfahrungen zu Werke geht.
Die Überführung seiner Gesamtfunde ins Nationalmuseum
von Stockholm 1924 führt erst zur Betrauung Thorde-
mans durch den neuernannten Reichsantiquar, Direktor.
Sigurd Curman, und zwar zunächst nur mit der Sichtung
des Geborgenen. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit
neuer Grabungen, und hiermit erst setzt die ernsthafte
methodische Inangriffnahme der großen und schwierigen
Aufgabe ein, die Th. von 1926 bis 1930 dank dem Ver-
ständnis seiner Behörde, gefördert durch öffentliche und
Privatmittel in vier Ausgrabungsetappen (1926, 1928, 1929,
1930) durchführen kann. Bei der zweiten Grabung steht ihm
zur Seite der dänische Forscher Dr. Paul Nörlund vom
National-Museum in Kopenhagen mit dem reichen Er-
fahrungsschatz seiner sensationellen Kostümgrabungen in
Grönland, von denen hier s. Z. berichtet wurde (Z. H.
W. K., N.1. 1, 231) und er verdient es gewiß, von Thorde-
man als Mitarbeiter auf dem Titelblatt genannt zu werden.
Im ganzen sind nicht weniger als fünf Massengräber ver-
schiedener Größe im Laufe der Grabungen entdeckt. Sie
liegen alle nahe bei einander im Umkreis des Kreuzes.
Dabei stieß man auch auf die Grundmauern einer Kloster-
kirche und eine große Zahl gewöhnlicher Einzelgräber,
die keinen Zweifel ließen, daß das Kreuz und die Massen-
gräber sich auf geweihtem Boden in Bezirk eines Fried-
hofes befanden. Thordeman numeriert die Gräber nach der
Reihenfolge ihrer Entdeckung von I—V, auf die sich die
Ausgrabungen in folgender Weise und mit folgendem Er-
gebnis verteilen:
Grab I, 1904 von Wennersten ausgegraben, Befund: 258 bis
268 Skelette,
Grab II, 1912 von Wennersten ausgegraben, weitere Gra-
bungen Thordemans am gleichen Grab 1929, 1930
mit 710—798 Skeletten. Es ist das ergiebigste Grab,
Grab III, von Thordeman 1928 ausgegraben mit 119 Ske-
letten,
Grab IV, von Thordeman nur aufgedeckt. Es wurden ledig-
lich Stichproben gemacht,
Gral) V wurde von Thordeman ausgeplündert vorgefunden,
vermutlich aus dem Jahre 1811.
Thordeman errechnet eine Gesamtzahl von etwa 1572
beigesetzten Kriegern, die der überlieferten erschütternden
Zahl von 1800 nahekommt. Die durchschnittliche Größe
der Gräber war 5X 7m mit einer Tiefe von U/2 bis 2m.
In Grab III stellte Th. in der obersten Schicht Zivilpersonen
fest. Es scheint das zuerst angelegte Grab zu sein, bei dem
mit der Bettung der Leichen am sorgfältigsten vorgegan-
gen wurde.
Nach dem Gesamteindruck erfolgte die Gesamtbestat-
tung in großer Eile, vermutlich wegen der Hitze und der

damit verbundenen schnellen Zersetzungsgefahr der Lei-
chen; und diesem Umstand wird es auch zu danken sein,
daß man die Leichen z. T. mit ihrer Schutzbewaffnung bei-
setzte. Das anderseits durch die achtlose Beerdigung ver-
ursachte Durcheinander, von dem die Gesamtaufnahmen
und Berichte der Augenzeugen hei der Aufdeckung ein er-
schütterndes, ja dramatisches Bild entwerfen, veranlaßten
Thordeman zu einer sorgfältigen, überaus sinnvollen Aus-
grabungsmethode.
Denn bei den ersten Rekonstruktionsversuchen Thorde-
mans mit den vorgefundenen Relikten der frühesten Gra-
bungen, die von Wennersten vorgenommen waren, hatten
sich unüberwindliche Schwierigkeiten daraus ergeben, daß
der genaue Fundort und die Lage der einzelnen Objekte
zueinander und damit ihre Zugehörigkeit nicht festgelegt
war. Diesem Übelstand wurde bei den neuen Grabungen
durch ein überaus sinnvolles Aufnahmeverfahren begegnet.
Sobald man auf eine Fundschichtstieß, wurde ein Quadratnetz
aus Bindfaden darüber gebreitet, jedes Quadrat mit '/2 m
Seitenlänge, und von oben, von einem quer über das Loch
gelegten Gerüst von Balken und Brettern aus senkrecht eine
photographische Aufnahme gemacht. Danach wurde jedes
Fundstück der Schicht freigelegt und gehoben und wurde
mit bereits in situ beigegebener Nummer in ein Heft einge-
tragen, in dem jedem Quadrat eine besondere Seite einge-
räumt war. Das gleiche Verfahren wurde nun bei jeder
nächsten Schicht wiederholt. Die Quadrate waren mit lau-
fenden Nummern und Buchstaben versehen und ebenso die
verschiedenen Schichten. Auf diese Weise wurde jeder Ein-
zelfund nicht nur horizontal, schichtweise durch ein Koor-
dinatensystem festgelegt, Thordeman war auch im Stande,
Querschnitte von der Lage und Verteilung der Funde in
der Senkrechten zueinander zu gewinnen. Durch diese
doppelte „Auslotung" wär der Lageort jedes Fundes in-
nerhalb des Grabes und der einzelnen Funde zueinander
genau festgelegt; für die Zusammengehörigkeit der ein-
zelnen Fundfragmente und ihre Zusammenfügung eine un-
schätzbare Vorarbeit. Diese photographischen Aufnahmen
und Buchungen wurden ergänzt durch noch minutiösere
zeichnerische Aufnahmen der aus zahlreichen, oft zahl-
losen Teilen bestehenden Großfunde, wie vor allen der
Spangenharnische. Mit bewundernswerter Anschaulichkeit
wird hier oft unter Zuhilfenahme verschiedener Farben
die Verschränkung, das Unter- und Übereinander der ver-
knäulten Plättchen entwirrt und dem Auge anschaulich
gemacht. Dieses überaus mühselige und zeitraubende
Ausgrabungs- und Aufnahmeverfahren, eigens für den vor-
liegenden Fall erdacht, bildete dank der reibungslosen Zu-
sammenarbeit eines geschulten Stabes von Mitarbeitern die
Voraussetzung für die glänzenden Erfolge und bleibt für
künftige ähnliche Ausgrabungen vorbildlich und nach-
ahmenswert.
Wie notwendig es sich erweisen sollte, wurde Thordeman
gewiß erst im Verlauf seiner Grabungen voll bewußt, als es
gelegentlich galt, Panzer aus nicht weniger als 500 bis
600 kleinen Plättchen wieder aufzubauen, was lückenlos
gelang. Nicht weniger Mühe und Geduld wurde den Aus-
gräbern selbst zugemutet. Sobald man auf eine Fund-
schicht stieß, wurde nicht etwa mit dem Spaten, sondern
mit kleinen Löffeln am Boden liegend, die deckende Erde
von den Funden gewissermaßen abgeschöpft. Von dieser
Arbeit, an der sich Thordeman und Nörlund persönlicli
 
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