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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 7.1940-1942

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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.72859#0182

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Fachnotizen

reichlich Material hinzugegeben. Es wäre aber wohl zu
gewagt, wenn man hieraus allgemeine Schlüsse ziehen
würde. Denn der Guß mit eingehängten Kernen könnte bei
kleinen Geschützen und losen Kammern schon früli üb-
lich gewesen sein. Die Untersuchung erhaltener Bronze-
geschütze der Frühzeit mit Röntgenstrahlen und durch
Anbohren bleibt deshalb wünschenswert.
Es sei hier bemerkt, daß nach K. Ritter auch die guß-
eisernen Steinbüchsen in Turin mit der Mündung nach
unten gegossen sind2). Diese Art der Herstellung war
später noch bei Mörsern üblich3).
Otto Johannsen.
Die Czerninsehe Waffensammlung im Schlosse zu
Petersburg im Sudetengau. Die Sammlung ist teil-
weise alter Familienbesitz aus dem 17. Jahrhundert, der
Zeit der Grafen Hermann und Humprecht Johann Czernin.
Graf Hermann Czernin war zweimal kaiserlicher Ge-
sandter in Konstantinopel, 1616/17 und 1644/45. Die Er-
lebnisse der ersten Gesandtschaftsreise hat der Sekretär
des Grafen, Adam Werner von Kraisheim, geschildert.
Seine Schrift „Ein ganz neu Reysebuch von Prag aus bis
gen Constantinopel usw." erschien 1622 zu Nürnberg. Über
seine zweite Entsendung hat Graf Hermann Czernin selbst
in tschechischer Sprache Tagebuch geführt. Es erschien in
deutscher Übersetzung in der Österreichischen Revue \
S. 19—42 unter dem Eitel „Memoiren des Grafen Czer-
nin aus den Jahren 1644/45". Eine zweite Übersetzung gab
der Graf Czerninsche Archivar zu Neuhaus Fr. Tischer
1879 im Verlage der Buchhandlung Landfras zu Neuhaus
unter dem Titel „Zweite Gesandtschaftsreise des Grafen
Hermann Czernin von Chudenitz nach Constantinopel im
Jahre 1644". Der türkische Krummsäbel des Grafen ist
unter F 14 der Petersburger Sammlung erhalten. Sein Bild
in türkischer Kleidung ist in den Podersamer Heimatblät-
tern wiedergegeben. Das Bild in Neuhaus soll eine Ko-
pie, das Original nicht bekannt sein. Graf Humprecht Jo-
hann Czernin war kaiserlicher Gesandter in Venedig. Kai-
ser Leopolds 1. Briefe an ihn, Teil I 1660—63, sind 1936 in
Prag von Z. Kalista herausgegeben worden. In Schloß Pe-
tersburg findet sich zwischen dem Bilde des Grafen Hum-
precht und seiner Gemahlin ein großes Bild einer Verhand-
lung der Signorie unter Vorsitz des Dogen, dem der kaiser-
liche Gesandte mit der ganzen damals üblichen Betonung
seiner Würde zur Rechten sitzt.
Der alte Teil der Waffensammlung ist aus dem Palais
Czernin in Prag hierher gelangt. Der andere Teil ist Neu-
erwerb im Laufe des 19. Jahrhunderts. Der Schloßbrand
im Jahre 1915 hat die Sammlung schwer geschädigt. Das
lassen auch vom Brande mitgenommene Reste nocli er-
kennen. Eine goldgeätzte Prachtrüstung des 16. Jahrhun-
derts ging außerdem im 20. Jahrhundert durch die Hart-
näckigkeit eines Aufkäufers aus USA. an das Metropolitan-
Museum in New-York. Neuerdings ist die Sammlung sorg-
fältig katalogisiert worden. Sie umfaßt jetzt 277 Num-
mern Ihre Aufstellung und Anordnung in einer hohen
Eckhalle des Schlosses Petersburg bringt alles gut zur
Geltung.
Weniges geht vor das 16. Jahrhundert zurück, sowohl
die Maschenpanzerhemden der Rüstungen Nr. 3 und 4, der

Schild Nr. 45, wenn er nicht etwa spätere Nacharbeit ist, die
Luntenschloßgewehre Nr. 62 und 63, 111, letzteres eine
Hakenbüchse von 1,31 m Länge aus der Türkei. Häufiger
sind Stangenwaffen des 15. Jahrhunderts, der Zeit der Hus-
sitenkämpfe, wie überhaupt in der Sammlung die Hand-
waffen gut vertreten sind: Wuchtige Helmbarten, wie
Nr. 135, 136, 138, ein böhmischer Ziskastern, Nr. 137, mit
fünf Eisenspitzen an einer Kugel mit Kette, 2,06 m lang
die ganze Waffe, ein 1,60 m langer Speer mit ovaler, ge-
rillter Spitze, vielleicht auch jünger, schließlich die
Kriegsdreschflegel mit Stacheln Nr. 163 und 164. Wohl
schon in das folgende Jahrhundert gehören Nr. 166, eine
dreizinkige italienische Sturmgabel, ferner Streitäxte,
Streitkolben und Streithämmer. Die Streitaxt Nr. 173
trägt eine Radschloßpistole. Unter den Schwertern
entstammen Nr. 188 bis 191 dem 15. Jahrhundert, ebenso
Nr. 219 und 220, zahlreichere schöne Stücke den folgenden
Jahrhunderten. Nr. 188 hat das Markenzeichen Solingen,
wie auch Nr. 200, 1640(?). Unter den Dolchen fällt ein
Messer mit Eisengriff in Holzscheide, Nr. 233, auf, das
außer zwei Sprüchen die Jahreszahl 1361(?) aufweist; aber
Jahreszahl und Inschrift oder aber die gesamte Waffe müs-
sen wenigstens um zwei Jahrhunderte jünger sein.
An Geschützen ist Nr. 49 bemerkenswert, laut Inschrift
1678 von Balthasar Berthold in Wien für den Grafen Hum-
bert Czernin gegossen. Auch einzelne andere böhmische
Geschlechter, wie die Waldsteins, besitzen ein Geschütz
dieser Art. Die Lauflänge beträgt 1,97 m, das Kaliber 6,1 cm.
Nr. 59 ist eine Hakenbüchse mit Radschloß aus dem
16. Jh., 2,31 m lang, Kaliber 3 cm. An Länge wird sie weit
übertroffen durch ein Steinschloßgewehr des 17. Jh., 3,24 m
lang, Kaliber 2,5 cm. Nr. 107, ein Radschloßgewehr des
16. Jh., ist 2,95 m lang und hat als Beschauzeichen einen
Kopf mit Turban und die Buchstaben M. R. Die reich-
haltige Gewehrsammlung von Nr. 62—115 gibt einen guten
Überblick bis ins 19. Jahrhundert. Ein Radschloßgewehr
des 16. Jahrhunderts, wie das ähnliche Nr. 69, stammt aus
der Gewehrfabrik des Herzogs von Teschen und trägt die
Signatur J. W. 126. Radschloßgewehr Nr. 79 trägt die Jah-
reszahl 1676, Nr. 80 die Bezeichnung C. F. Sul 1616. Nr. 83,
ein kurzer Radschloßkarabiner für Reiterei, 98 cm lang, mit
der Inschrift Kubik, Prag, gehört schon ins 18. Jahrhundert,
für das 17. vertritt offenbar Nr. 108, ein 80 cm langes
Steinschloßgewehr, diese Reiterwaffe.
Außer der schon erwähnten Pistole an der Streitaxt
Nr. 173 gehört nur die Radschloßpistole Nr. 116 in das
16. Jahrhundert, eine Reiterpistole von 46 cm Länge,
Beineinlagen im schwarzen Schafte und mit kugligem
Knopfe am Kolbenende. Unter den Pulverhörnern des
16. Jahrhunderts hat Nr. 126 das Wappen der Rosenbergs.
Jahreszahlen, außer den schon erwähnten, begegnen auf
älteren Waffen:
Auf der Hellebarde Nr. 148 1620 mit der Widmung Legi-
time certantibus, und der Partisane Nr. 152 mit der In-
schrift Kaiser Ferdinands III. 1652 und König Johann Ka-
simirs von Polen und Schweden 1652, ferner am Richt-
schwert Nr. 194 1589, Nr. 193 1479(?), endlich am Degen
202 1563 nebst Doppeladler mit Krone und Meisterzeichen,
springender Wolf, 1 m lang, Degen 201 1552 Dresden, 80 cm
lang. Friedrich Lammert.

2) Techn. Mitteilungen Krupp. Techn. Ber. 9. Jahrg. Heft 4, Juli en France jusqu'au milieu du XVIII- siede (Mem. de l'art. franc.
1941, 8. 77. XIV, 4- fasc. Paris 1935, Taf. S. 1053) bringt die Zeichnung einer

3) A. Basset: Essais sur l'historique des fabrications d'armemes Mörsergußform mit stehendem Kern aus dem Ende des 18. Jahrh.
 
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