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Literatur
mit schmalen Schienen in der Weise, daß drei schmale
zwischen vier breiten zu liegen kommen, und zwar so, daß
zwei breite Schienen Anfang und Beschluß bilden.
Bei beiden Gruppen ist eine der beiden Randschienen
und zwar bei Gruppe 2 die äußerste links, bei Gruppe: 3'
die äußerste rechts, durch leichte dekorative Behandlung
als offenbarer Abschluß betont. Der äußere Rand verläuft
hier nicht gerade, sondern nach der Mitte zu sich ver-
breiternd kurvenförmig mit zwei Absätzen. Entsprechend
der größeren Länge stellen hier drei Querriemen, oben,
unten und in der Mitte, die Verbindung her, an
den Stäben deutlich sich inarkierend durch Reihen
von gewölbten Kupfernietenköpfen, die je nach
der Breite der Schienen in ihrer Zahl zwischen 2—4
Nieten je Schiene schwanken. Zwischen den drei Riemen-
nietenreihen sind in gleichem Abstand noch zwei Zier-
nietenreihen eingelegt, so daß also im ganzen 5 Nietreihen
in Erscheinung treten. Wie bei der ersten Groppe verlau-
fen auch hier die Riemen auf der Innen-, der Körperseite.
Bei sämtlichen drei Gruppen sind nun die Schienen an
ihrem schmalen Ende dafür eingerichtet, in ein Ringelpan-
zersystem eingehängt zu werden, von dem noch Reste an
den Schienen hafteten. Dies geschieht bei Gruppe 1 und 2
auf die gleiche einfache Weise mittels Durchlochungen, die
je nach der Breite der Schienen zwischen zwei bis vier
schwanken. Eine entwickeltere Vorrichtung zeigt Gruppe 3.
Hier ist der Rand umgebörtelt und oben mit Schlitzen ver-
sehen. Die in die Schlitze eingeführten Ringe werden auf
einen durch die röhrenartige Börtelung laufenden, am
Ende umgebogenen Draht aufgezogen. Diese sinnvolle Be-
festigungsweise dürfte dem gleichen Zweck dienen wie bei
der in ähnlicher Weise an der Beckenhaube des 14. Jahr-
hunderts angeknöpften und durch eine Schnur festgehal-
tenen Brünne, dem nämlich, den Ringelpanzer jeder Zeit
zum Reinigen ahnehmen zu können. Die an späterer Stelle
von der Verf. gemachte Feststellung, daß die gleiche Be^
festigungsweise an Helmen der Vendelperiode wiederkehrt,
scheint meine Vermutung zu bekräftigen.
Abgesehen von den Ziernietreihen zeigen die einzelnen
Schienen z. T. auch außen eine leichte dekorative Behand-
lung und zwar durch abwechselnde, eingeritzte Parallel- und
Kreuzschraffuren und rahmende Randlinien. Bei Gruppe 1
sind außerdem an den schmalen Enden der Schienen Tier-
köpfe leicht angedeutet.
Was nun die Hauptfrage betrifft, die Bestimmung und
Anbringung der drei Panzerteile, so hat die glückliche
Entdeckerin hierfür folgende Deutung, die sich aus dem
Zuschnitt ergab. Gruppe 1 mit den kürzeren Stäben ge-
hört einer Armbeschienung an und zwar, wie Verf. an-
nimmt, der eines Oberarms. Die an einer Figurine
demonstrierte einleuchtende Rekonstruktion ist in diesem
Heft im Rahmen eines Aufsatzes von Bengt Thordeman ab-
gebildet (S. 221, Abb. 8). Verf. nimmt demnach an, daß
das Schienensystem etwa handbreit unterhalb der Schulter
an einem kragenartigen Ringelpanzer eingehängt, den äu-
ßeren linken Arm bis zum Ellenbogen deckte. Nach der
Armbeuge zu liegen die kürzeren vier Schienen, die drei
längeren außen streben auf den Ellenbogen zu, alle mit
den breiten Enden nach unten. Nicht ganz so einfach und,
wie gleich vorausgeschickt sei, auch nicht so überzeugend
wie die Lokalisierung dieser ersten Gruppe am Arm war die
der beiden anderen Panzergruppen am Rumpf, und zwar
je als Viertelteil einer Panzerung des Oberkörpers. Ar-
widsson erwägt hierbei eine ganze Reihe von Möglichkei-
ten und nimmt zunächst an, daß beide, ja in der Länge und
Stangenzahl fast gleichartigen Panzerfragmente, aneinan-
derschließend zu einem Panzer gehörten. Hier nun gibt
es zwei Möglichkeiten: Im ersten Fall, den auch die Rekon-
struktion auf der Figurine veranschaulicht (a. a. O. Abb.
8), bilden sie die Brustpanzerung. In Höhe der Achsel-
höhlen an einem Ringelpanzerkragen eingehängt, reicht
die Panzerung mit den breiten Schienenenden bis etwa in
Hüfthöhe, Gruppe 2 liegt auf der rechten Brustseite, Gruppe
3 auf der linken und beide sind mit den drei Riemenenden
vorn in der Mitte verschnallt. Es sind nämlich auch, was
nachzutragen ist, Schnallenreste gefunden und zwar z. T.
von Bronze, z. T. von Eisen. Gegen diese Rekonstruktion
hat nun die Verf. selbst einzuwenden, daß dabei eine An-
zahl von Schnallen keine Verwendung findet. Ihre Zahl
geht dagegen auf, wenn beide Teile an den drei Riemen
unmittelbar zusammenhängend, einen Brust- und Rücken-
teil bilden, der vorn und hinten mit der fehlenden anderen
Hälfte verschnallt war. Auf diese Weise würden auch die
dekorativen Abschlußschienen vorn und hinten in die
Mitte rücken, während sie sonst unter dem Arm verborgen
zusammenstoßen. Indessen auch diese zweite Lösung möch-
ten wir noch entschiedener als die Verf. selbst ablehnen,
da doch die beschriebene, viel reifere Befestigungsweise:
der Ringe bei Gruppe 3 es m. E. ausschließt, daß beide'
Rumpfpanzerviertel überhaupt zusammengehören. Es
dürfte sich also tatsächlich um Fragmente von drei bzw.
zwei verschiedenen Schienenpanzenn handeln; im zweiten
Fall würden wir Gruppe 1 und 2 mit gleicher Lochvorrich-
tung zusammengehörig annehmen.
Bevor wir uns mit diesem überraschenden Panzertyp mit
ganz neuen Perspektiven vom waffenkundlichen Standpunkt
kritisch auseinandersetzen, sei zunächst unser Bericht über
die vorliegende Abhandlung zu Ende geführt, die sich nach
der Rekonstruktion sehr eingehend der Frage der geschicht-
lichen Einordnung und Herleitung des neuen Panzertyps
zuwendet. Seine Homogenität mit den Vendelhelmen und
damit seine nordische Bodenständigkeit wird einwandfrei
bezeugt einmal durch die Tierornamentik bei Gruppe 1
und dann durch die Befestigungstechnik der Ringe bej
Gruppe 3, beides Erscheinungen, die auch bei den Helmen
der Vendelepoche anzutreffen sind. Auch das Panzerungs-
prinzip der Eisenschienen anstelle oder in Ergänzung des
Ringelpanzersystems kehrt in verwandter Form bei einer
Helmgruppe wieder, die an Stelle der Helmbrünne durch
an Hals und Nacken ringsum herabhängende, an den Enden
umgebogene Eisenbänder gedeckt werden (vgl. S. 218 f., Abb.
2, 3 dieses Heftes). Der Typ als solcher, von dem Verf. noch
bisher nicht erkannte Bruchstücke in anderen Grabfun-
den des gleichen Bereichs und der gleichen Periode nach-
zuweisen vermag, bleibt im übrigen einstweilen völlig iso-
liert. Einen gewissen Nachklang sieht die Verf. im öst-
lichen Jushman, dem Ringelpanzertyp mit eingesetzten
Brustplatten, der bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen
ist2). Noch entfernter als bei dieser doch sehr abweichen-
den Verknüpfung von Ringelpanzersystem und Platten-
panzerung scheint mir die Verwandtschaft mit der indi-
schen Serzala, einer Rumpfplattenpanzerung ohne jede or-
9) Das Berliner Zeughaus besitzt ein in Posen angefertigtes Exemplar mit der Jahreszahl 1580.
Literatur
mit schmalen Schienen in der Weise, daß drei schmale
zwischen vier breiten zu liegen kommen, und zwar so, daß
zwei breite Schienen Anfang und Beschluß bilden.
Bei beiden Gruppen ist eine der beiden Randschienen
und zwar bei Gruppe 2 die äußerste links, bei Gruppe: 3'
die äußerste rechts, durch leichte dekorative Behandlung
als offenbarer Abschluß betont. Der äußere Rand verläuft
hier nicht gerade, sondern nach der Mitte zu sich ver-
breiternd kurvenförmig mit zwei Absätzen. Entsprechend
der größeren Länge stellen hier drei Querriemen, oben,
unten und in der Mitte, die Verbindung her, an
den Stäben deutlich sich inarkierend durch Reihen
von gewölbten Kupfernietenköpfen, die je nach
der Breite der Schienen in ihrer Zahl zwischen 2—4
Nieten je Schiene schwanken. Zwischen den drei Riemen-
nietenreihen sind in gleichem Abstand noch zwei Zier-
nietenreihen eingelegt, so daß also im ganzen 5 Nietreihen
in Erscheinung treten. Wie bei der ersten Groppe verlau-
fen auch hier die Riemen auf der Innen-, der Körperseite.
Bei sämtlichen drei Gruppen sind nun die Schienen an
ihrem schmalen Ende dafür eingerichtet, in ein Ringelpan-
zersystem eingehängt zu werden, von dem noch Reste an
den Schienen hafteten. Dies geschieht bei Gruppe 1 und 2
auf die gleiche einfache Weise mittels Durchlochungen, die
je nach der Breite der Schienen zwischen zwei bis vier
schwanken. Eine entwickeltere Vorrichtung zeigt Gruppe 3.
Hier ist der Rand umgebörtelt und oben mit Schlitzen ver-
sehen. Die in die Schlitze eingeführten Ringe werden auf
einen durch die röhrenartige Börtelung laufenden, am
Ende umgebogenen Draht aufgezogen. Diese sinnvolle Be-
festigungsweise dürfte dem gleichen Zweck dienen wie bei
der in ähnlicher Weise an der Beckenhaube des 14. Jahr-
hunderts angeknöpften und durch eine Schnur festgehal-
tenen Brünne, dem nämlich, den Ringelpanzer jeder Zeit
zum Reinigen ahnehmen zu können. Die an späterer Stelle
von der Verf. gemachte Feststellung, daß die gleiche Be^
festigungsweise an Helmen der Vendelperiode wiederkehrt,
scheint meine Vermutung zu bekräftigen.
Abgesehen von den Ziernietreihen zeigen die einzelnen
Schienen z. T. auch außen eine leichte dekorative Behand-
lung und zwar durch abwechselnde, eingeritzte Parallel- und
Kreuzschraffuren und rahmende Randlinien. Bei Gruppe 1
sind außerdem an den schmalen Enden der Schienen Tier-
köpfe leicht angedeutet.
Was nun die Hauptfrage betrifft, die Bestimmung und
Anbringung der drei Panzerteile, so hat die glückliche
Entdeckerin hierfür folgende Deutung, die sich aus dem
Zuschnitt ergab. Gruppe 1 mit den kürzeren Stäben ge-
hört einer Armbeschienung an und zwar, wie Verf. an-
nimmt, der eines Oberarms. Die an einer Figurine
demonstrierte einleuchtende Rekonstruktion ist in diesem
Heft im Rahmen eines Aufsatzes von Bengt Thordeman ab-
gebildet (S. 221, Abb. 8). Verf. nimmt demnach an, daß
das Schienensystem etwa handbreit unterhalb der Schulter
an einem kragenartigen Ringelpanzer eingehängt, den äu-
ßeren linken Arm bis zum Ellenbogen deckte. Nach der
Armbeuge zu liegen die kürzeren vier Schienen, die drei
längeren außen streben auf den Ellenbogen zu, alle mit
den breiten Enden nach unten. Nicht ganz so einfach und,
wie gleich vorausgeschickt sei, auch nicht so überzeugend
wie die Lokalisierung dieser ersten Gruppe am Arm war die
der beiden anderen Panzergruppen am Rumpf, und zwar
je als Viertelteil einer Panzerung des Oberkörpers. Ar-
widsson erwägt hierbei eine ganze Reihe von Möglichkei-
ten und nimmt zunächst an, daß beide, ja in der Länge und
Stangenzahl fast gleichartigen Panzerfragmente, aneinan-
derschließend zu einem Panzer gehörten. Hier nun gibt
es zwei Möglichkeiten: Im ersten Fall, den auch die Rekon-
struktion auf der Figurine veranschaulicht (a. a. O. Abb.
8), bilden sie die Brustpanzerung. In Höhe der Achsel-
höhlen an einem Ringelpanzerkragen eingehängt, reicht
die Panzerung mit den breiten Schienenenden bis etwa in
Hüfthöhe, Gruppe 2 liegt auf der rechten Brustseite, Gruppe
3 auf der linken und beide sind mit den drei Riemenenden
vorn in der Mitte verschnallt. Es sind nämlich auch, was
nachzutragen ist, Schnallenreste gefunden und zwar z. T.
von Bronze, z. T. von Eisen. Gegen diese Rekonstruktion
hat nun die Verf. selbst einzuwenden, daß dabei eine An-
zahl von Schnallen keine Verwendung findet. Ihre Zahl
geht dagegen auf, wenn beide Teile an den drei Riemen
unmittelbar zusammenhängend, einen Brust- und Rücken-
teil bilden, der vorn und hinten mit der fehlenden anderen
Hälfte verschnallt war. Auf diese Weise würden auch die
dekorativen Abschlußschienen vorn und hinten in die
Mitte rücken, während sie sonst unter dem Arm verborgen
zusammenstoßen. Indessen auch diese zweite Lösung möch-
ten wir noch entschiedener als die Verf. selbst ablehnen,
da doch die beschriebene, viel reifere Befestigungsweise:
der Ringe bei Gruppe 3 es m. E. ausschließt, daß beide'
Rumpfpanzerviertel überhaupt zusammengehören. Es
dürfte sich also tatsächlich um Fragmente von drei bzw.
zwei verschiedenen Schienenpanzenn handeln; im zweiten
Fall würden wir Gruppe 1 und 2 mit gleicher Lochvorrich-
tung zusammengehörig annehmen.
Bevor wir uns mit diesem überraschenden Panzertyp mit
ganz neuen Perspektiven vom waffenkundlichen Standpunkt
kritisch auseinandersetzen, sei zunächst unser Bericht über
die vorliegende Abhandlung zu Ende geführt, die sich nach
der Rekonstruktion sehr eingehend der Frage der geschicht-
lichen Einordnung und Herleitung des neuen Panzertyps
zuwendet. Seine Homogenität mit den Vendelhelmen und
damit seine nordische Bodenständigkeit wird einwandfrei
bezeugt einmal durch die Tierornamentik bei Gruppe 1
und dann durch die Befestigungstechnik der Ringe bej
Gruppe 3, beides Erscheinungen, die auch bei den Helmen
der Vendelepoche anzutreffen sind. Auch das Panzerungs-
prinzip der Eisenschienen anstelle oder in Ergänzung des
Ringelpanzersystems kehrt in verwandter Form bei einer
Helmgruppe wieder, die an Stelle der Helmbrünne durch
an Hals und Nacken ringsum herabhängende, an den Enden
umgebogene Eisenbänder gedeckt werden (vgl. S. 218 f., Abb.
2, 3 dieses Heftes). Der Typ als solcher, von dem Verf. noch
bisher nicht erkannte Bruchstücke in anderen Grabfun-
den des gleichen Bereichs und der gleichen Periode nach-
zuweisen vermag, bleibt im übrigen einstweilen völlig iso-
liert. Einen gewissen Nachklang sieht die Verf. im öst-
lichen Jushman, dem Ringelpanzertyp mit eingesetzten
Brustplatten, der bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen
ist2). Noch entfernter als bei dieser doch sehr abweichen-
den Verknüpfung von Ringelpanzersystem und Platten-
panzerung scheint mir die Verwandtschaft mit der indi-
schen Serzala, einer Rumpfplattenpanzerung ohne jede or-
9) Das Berliner Zeughaus besitzt ein in Posen angefertigtes Exemplar mit der Jahreszahl 1580.