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Joseph Alfs, Der bewegliche Melallpanzer im römischen Heer
Endlich muß hier ein Relieffragment in der Villa
Borghese103) behandelt werden, das mit seinen Schul-
terklappen und seiner wenigstens bis zur Mitte der
Oberschenkel reichenden Länge in die Zeit vor Trajan
gehören müßte, was allerdings dem Stil nach kaum
möglicli ist. Der runde Halsaussclinitt und die Ränder
der Armlöcher sind überhöht; aus letzteren kommt eine
Reihe gefranster Pteryges hervor. Die mit Schuppen
besetzten Schulterklappen haben wiederum die aus-
gesparte äußere Ecke; auf dem Rand, der glatt ist,
laufen zwei parallele Reihen kleiner Eintiefungen; sie
können nichts anderes bedeuten als die Naht, mit
welcher der umgelegte Band der Lederunterlage ge-
steppt ist.
Die einzelnen Schuppen sind glatt und laufen un-
ten rund zu. Mit großer Sorgfalt hat der Meister die
einzelnen Plättchen aus dem Stein herausgeholt und
gibt dadurch, daß er die Schuppen von oben nach
unten größer werden läßt, ein anschaulicheres Bild
von dem Prinzip, nach welchem die Schuppen ange-
ordnet wurden.
b) Von Trajan bis Septimius Severus.
1. Der kurze Schuppenpanzer.
Der Umbruch, der bei der Gegenüberstellung der
Kettenpanzer des 1. und des 2. Jahrhunderts festzu-
stelleu war, zeigt sich auch bei den Schuppenpan-
zern.
Allerdings findet sich der früheste kurze Schuppen-
panzer ohne Schulterklappen, Pteryges und Gürtung
auf dem der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. ange-
hörigen Grabstein eines duplicarius aus der ala I
Thracum, namens Longinus, des Sdapezematycus
Sohn101). Es handelt sich um ein bis zu den Hüften
reichendes Schuppenhemd mit kurzen Ärmeln, run-
dem Halsausschnitt und geradem unteren Abschluß.
Öl) der unten sichtbare Saum zur Unterlage oder zu
einer Tunica gehört, läßt sich nicht entscheiden. Der
Stein wurde bei Colchester in England gefunden.
Die auf den trajanischen Reliefs am Konstantins-
bogen105) erscheinenden Schuppenpanzer (Abb. 4), die
von Reitern und Fußsoldaten getragen werden, haben
einen runden Halsausschnitt, liegen dem Rumpf lose an
103) Nach P. Mingazzini, EA. 2807 hadrianisch.
101) JRS. 18, 1928, 212f. — Ant. Journ. 8, 1928, 527 ff. —
T. D. Kendrick u. C. F. C. Hawkes, Archaeology in Eng-
land and Wales 1914—1931 (1932), 282 f., Taf. 22.
105) Yg], Anni. 31. a) Relief im mittleren Durchgang
(Ostfläche). Schuppenpanzer: zwischen der Victoria und
dem Kettenpanzerträger, b) Relief an der östl. Attika.
Schuppenpanzer: vorn links, d) Relief an der westl.
Attika. Schuppenpanzer: ganz links ein Fußsoldat, rechts
ein Reiter.
und reichen bis zu den Hütten. Schulterklappen und
Gürtung fehlen. Die Schuppen sind so angeordnet, daß
die oberste Reihe kranzartig den Halsausschnitt um-
gibt, und die nächstfolgende jeweils die Lücken der
vorhergehenden ausfüllt. Unten endigt der Panzer in
einem ausgezackten Rand, der bis in die Spitzen hin-
ein mit Schuppen besetzt ist. — Von der notwendig
vorauszusetzenden Unterlage aus Leder oder anderem
Stoff ist nichts zu erkennen.
In ähnlicher Weise ist der Panzer auf dem trajani-
schen Relieffragment mit dem Kopf eines römischen
Soldaten und dem eines kämpfenden Dakers106) zu er-
gänzen. Hier ist der Panzer des Soldaten mit einem
viereckigen Halsausschnitt versehen, wobei die Leder-
unterlage als leichte Wulstkante zum Vorschein
kommt. Die Schuppen sind durch einen senkrechten
Mittelgrat verstärkt.
An den hochrechteckigen Reliefs aus der Zeit Marc
Aurels am Konstantinsbogen und im Konservatoren-
palast107) kommen Schuppenpanzer verschiedener Ge-
stalt vor; der eine (d. Abb. 59 rechts) entspricht denen
von den trajanischen Reliefs am selben Monument.
Der Panzer hat, wie es scheint, einen runden Halsaus-
schnitt. Die Ärmel sind kurz und ausgezackt wie der
untere Rand in Höhe des Gesäßes. Unter den Ärmeln
und dem unteren Rand kommt die bis zur Mitte der
Oberschenkel reichende Tunica hervor. Die Beine sind
mit Dosen bekleidet, die etwas über die Knie hinab-
reichen.
Diesem Panzer ist ein anderer (c. Abb. 17) ähnlich,
jedoch etwas länger, so daß er bis knapp zur Mitte der
Oberschenkel reicht.
Der dritte vorkommende Schuppenpanzer (b) un-
terscheidet sich von dem ersten durch zwei Dinge: 1.
ist der Halsausschnitt weiter und, wie aus dem sicht-
baren horizontalen Teil der Einfassung auf der Brust
hervorgeht, viereckig; 2. wird der Panzer in den Hüf-
ten von einer Feldbinde umschlungen, wodurch der
Träger als Offizier gekennzeichnet wird.
Endlich erscheint ein Panzer (a), der in seinem
oberen Teil mit den ausgezackten Ärmeln und dein
Fehlen der Schulterklappen dem üblichen kurzen
Schuppenhemd gleicht. Mit dem unteren Rande folgt
106) Paris, Louvre. Strong, a. a. O. 149 und Abb. 92.
107) a) H. Stuart Jones, BSR. 3, 1905/06, Taf. 23, 1. Schup-
penpanzer: ganz rechts (Fußsoldat), b) Jones, a. a. O. Taf.
24, 4. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 47 b. Schuppenpanzer:
vorn ein Fußsoldat mit vexillum. c) Jones, a. a. O. Taf. 25,
5. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 46 b. Schuppenpanzer:
Mitte ein Fußsoldat, d) Jones, a. a. O. Tat. 27, 9. BrBr.
530b. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 46 c. Schuppenpanzer:
vorn in der Mitte (Fußsoldat), a) Im Konservatorenpalast,
Rom, b—d) an der Attika des Konstantinsbogens, Rom.
Joseph Alfs, Der bewegliche Melallpanzer im römischen Heer
Endlich muß hier ein Relieffragment in der Villa
Borghese103) behandelt werden, das mit seinen Schul-
terklappen und seiner wenigstens bis zur Mitte der
Oberschenkel reichenden Länge in die Zeit vor Trajan
gehören müßte, was allerdings dem Stil nach kaum
möglicli ist. Der runde Halsaussclinitt und die Ränder
der Armlöcher sind überhöht; aus letzteren kommt eine
Reihe gefranster Pteryges hervor. Die mit Schuppen
besetzten Schulterklappen haben wiederum die aus-
gesparte äußere Ecke; auf dem Rand, der glatt ist,
laufen zwei parallele Reihen kleiner Eintiefungen; sie
können nichts anderes bedeuten als die Naht, mit
welcher der umgelegte Band der Lederunterlage ge-
steppt ist.
Die einzelnen Schuppen sind glatt und laufen un-
ten rund zu. Mit großer Sorgfalt hat der Meister die
einzelnen Plättchen aus dem Stein herausgeholt und
gibt dadurch, daß er die Schuppen von oben nach
unten größer werden läßt, ein anschaulicheres Bild
von dem Prinzip, nach welchem die Schuppen ange-
ordnet wurden.
b) Von Trajan bis Septimius Severus.
1. Der kurze Schuppenpanzer.
Der Umbruch, der bei der Gegenüberstellung der
Kettenpanzer des 1. und des 2. Jahrhunderts festzu-
stelleu war, zeigt sich auch bei den Schuppenpan-
zern.
Allerdings findet sich der früheste kurze Schuppen-
panzer ohne Schulterklappen, Pteryges und Gürtung
auf dem der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. ange-
hörigen Grabstein eines duplicarius aus der ala I
Thracum, namens Longinus, des Sdapezematycus
Sohn101). Es handelt sich um ein bis zu den Hüften
reichendes Schuppenhemd mit kurzen Ärmeln, run-
dem Halsausschnitt und geradem unteren Abschluß.
Öl) der unten sichtbare Saum zur Unterlage oder zu
einer Tunica gehört, läßt sich nicht entscheiden. Der
Stein wurde bei Colchester in England gefunden.
Die auf den trajanischen Reliefs am Konstantins-
bogen105) erscheinenden Schuppenpanzer (Abb. 4), die
von Reitern und Fußsoldaten getragen werden, haben
einen runden Halsausschnitt, liegen dem Rumpf lose an
103) Nach P. Mingazzini, EA. 2807 hadrianisch.
101) JRS. 18, 1928, 212f. — Ant. Journ. 8, 1928, 527 ff. —
T. D. Kendrick u. C. F. C. Hawkes, Archaeology in Eng-
land and Wales 1914—1931 (1932), 282 f., Taf. 22.
105) Yg], Anni. 31. a) Relief im mittleren Durchgang
(Ostfläche). Schuppenpanzer: zwischen der Victoria und
dem Kettenpanzerträger, b) Relief an der östl. Attika.
Schuppenpanzer: vorn links, d) Relief an der westl.
Attika. Schuppenpanzer: ganz links ein Fußsoldat, rechts
ein Reiter.
und reichen bis zu den Hütten. Schulterklappen und
Gürtung fehlen. Die Schuppen sind so angeordnet, daß
die oberste Reihe kranzartig den Halsausschnitt um-
gibt, und die nächstfolgende jeweils die Lücken der
vorhergehenden ausfüllt. Unten endigt der Panzer in
einem ausgezackten Rand, der bis in die Spitzen hin-
ein mit Schuppen besetzt ist. — Von der notwendig
vorauszusetzenden Unterlage aus Leder oder anderem
Stoff ist nichts zu erkennen.
In ähnlicher Weise ist der Panzer auf dem trajani-
schen Relieffragment mit dem Kopf eines römischen
Soldaten und dem eines kämpfenden Dakers106) zu er-
gänzen. Hier ist der Panzer des Soldaten mit einem
viereckigen Halsausschnitt versehen, wobei die Leder-
unterlage als leichte Wulstkante zum Vorschein
kommt. Die Schuppen sind durch einen senkrechten
Mittelgrat verstärkt.
An den hochrechteckigen Reliefs aus der Zeit Marc
Aurels am Konstantinsbogen und im Konservatoren-
palast107) kommen Schuppenpanzer verschiedener Ge-
stalt vor; der eine (d. Abb. 59 rechts) entspricht denen
von den trajanischen Reliefs am selben Monument.
Der Panzer hat, wie es scheint, einen runden Halsaus-
schnitt. Die Ärmel sind kurz und ausgezackt wie der
untere Rand in Höhe des Gesäßes. Unter den Ärmeln
und dem unteren Rand kommt die bis zur Mitte der
Oberschenkel reichende Tunica hervor. Die Beine sind
mit Dosen bekleidet, die etwas über die Knie hinab-
reichen.
Diesem Panzer ist ein anderer (c. Abb. 17) ähnlich,
jedoch etwas länger, so daß er bis knapp zur Mitte der
Oberschenkel reicht.
Der dritte vorkommende Schuppenpanzer (b) un-
terscheidet sich von dem ersten durch zwei Dinge: 1.
ist der Halsausschnitt weiter und, wie aus dem sicht-
baren horizontalen Teil der Einfassung auf der Brust
hervorgeht, viereckig; 2. wird der Panzer in den Hüf-
ten von einer Feldbinde umschlungen, wodurch der
Träger als Offizier gekennzeichnet wird.
Endlich erscheint ein Panzer (a), der in seinem
oberen Teil mit den ausgezackten Ärmeln und dein
Fehlen der Schulterklappen dem üblichen kurzen
Schuppenhemd gleicht. Mit dem unteren Rande folgt
106) Paris, Louvre. Strong, a. a. O. 149 und Abb. 92.
107) a) H. Stuart Jones, BSR. 3, 1905/06, Taf. 23, 1. Schup-
penpanzer: ganz rechts (Fußsoldat), b) Jones, a. a. O. Taf.
24, 4. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 47 b. Schuppenpanzer:
vorn ein Fußsoldat mit vexillum. c) Jones, a. a. O. Taf. 25,
5. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 46 b. Schuppenpanzer:
Mitte ein Fußsoldat, d) Jones, a. a. O. Tat. 27, 9. BrBr.
530b. Gerkan-L'Orange, a. a. O. Taf. 46 c. Schuppenpanzer:
vorn in der Mitte (Fußsoldat), a) Im Konservatorenpalast,
Rom, b—d) an der Attika des Konstantinsbogens, Rom.