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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Jaumann, Anton: Die Hand
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0314

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JOSEF BATO —BERLIN.

»SOLDATENHEIM IN MONASTIR«

DIE HAND.

Geh durch eine Expressionistenschau und
sieh dir an, wie die Hände gezeichnet
sind! Du wirst erstaunt sein, entsetzt. Was
ist aus dem edlen Instrument, dem feinen
Gliederbau geworden! Bisher setzte der Maler
seine Ehre darein, gerade die Hand, die neben
dem Gesicht der ausdrucksvollste, der einzige
noch sprechende, beseelte Teil des Menschen-
körpers ist, mit Aufbietung seines ganzen Kön-
nens darzustellen. Es bestand, schon von Leibi
und Lenbach her, ein Wettbewerb unter den
Künstlern, namentlich den Bildnismalern, in
der Darstellung der menschlichen Hand. Die
malerische Auffassung, die Charakteristik, die
Beseelung der Hand war zur höchsten Vollen-
dung gesteigert. Hat doch Leibi die wunderbar
durchgeistigte Hand des Rembrandtdeutschen
für würdig befunden, uns als vollwertige Er-
innerung an diesen einzigen Menschen zu dienen!

Wenn die Expressionisten diesen Namen zu
recht tragen, dann hätten sie doch die Darstel-
lung der Hand mit besonderer Hingabe pflegen
müssen. Wo könnten sie mehr Ausdruck, Lei-

denschaft, Seele geben, als im Bild der Hand?
Nichts davon ist geschehen. Du siehst Klumpen,
Schnörkel, Zacken, Flammen, Bänder, Klam-
mern und andere Gebilde, die mit dem edlen
Bau der menschlichen Hand kaum mehr eine
Ähnlichkeit haben. Und das bei Künstlern,
die früher — vor ihrer Expressionistenzeit —
recht gut wußten, wie eine Hand aussieht und wie
sie zu zeichnen ist. Wie ist das alles zu erklären?

Das Beispiel der Hand zeigt wieder einmal
deutlich, daß es den Expressionisten gar nicht
auf Ausdruck oder Beseelung ankommt, wie
so oft geschrieben und nachgeschrieben worden
ist. Man hält sich an das Wort und sucht —
mit mehr oder weniger Gewalt — das in den
Bildern zu finden, was dem Wort entsprechen
müßte. Nie war ein Wort unglücklicher ge-
wählt. Es trifft wohl unsere Abkehr vom Im-
pressionismus, das ist aber für die Kunst von
heute nicht das Wesentliche. Waren denn Van
Gogh,Gauguin, Cezanne Impressionisten? Oder
Corinth, Slevogt, Kalckreuth? Tatsächlich sind
nur verschwindend wenig Bilder gemalt worden,

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