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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Schaefer, Karl: Dänemark und wir
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0255

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D.W.B.-AUSSTKLLUNG IN KOPENHAGEN.

»RAUM FÜR MONUM. MALEREI U. PLASTIKc

DÄNEMARK UND WIR.

VON K. SCHAEFER,

Wenn überspanntes Selbstbewußtsein ein
Grundzug deutschen Wesens wäre, der
nach Gloire drängte und in gewaltsamer Angriffs-
lust seine Befriedigung suchte, dann wäre
schlechterdings nicht zu verstehen, daß unser
Volk von jeher so eifrig und gerne in sich auf-
nahm, was die Nachbarn ringsum als ihre besten
Geistesgüter zu bieten hatten. Nein, gerade
weil es dem Deutschen an einem stark ent-
wickelten, durch die Jahrhunderte einer fest-
gefügten Staatsüberlieferung geformten Volks-
bewußtsein mangelte, hat er sich — natürlich
und unbefangen — dem Ausland anders gegen-
übergestellt, ganz unpolitisch, sachlicher und
selbstloser als die Völker, die als Typen natio-
naler, vom Ausland sich absondernder Ge-
schlossenheit, seit vielen Menschenaltern im
Bewußtsein der Volksgenossen den Gedanken
pflegen, daß in ihrem Lande allein der Boden
für eine freie, ungehemmte, zu den höchsten
Leistungen führende Entfaltung der Kultur, der
Künste, des Menschengeistes überhaupt vor-
handen sei. Daß wir so nie gedacht und emp-
funden haben, daß unser Europäertum deshalb
auf einer Grundanlage des deutschen Denkens
erwachsen und also auch fester verankert ist

als jene Zivilisation der Westvölker mit ihrer
dekorativen Geberde und dem schwungvollen
Pathos der Weltschlagwörter, dafür gibt es
keinen schöneren Beweis als eben die liebe-
volle, neidlose Aufmerksamkeit und Pflege, die
wir den Werken des fremden Nachbars stets
bewiesen haben. Wir sind darin sogar so un-
politisch, daß es jedem Deutschen lächerlich
erscheinen würde, wollte jemand in der Be-
tätigung dieser Neigung zur Erkenntnis fremder
Geisteswerte auch nur im geringsten politische
Absicht vermuten.

Und diese Wißbegierde und Anpassungsfähig-
keit, die bekanntermaßen unter Umständen
beim Einzelnen in Deutschland zu alberner Aus-
länderei ausarten konnte, und der wir auf der
andern Seite den Reichtum unseres von allen
Seiten genährten Geisteslebens verdanken,
ist während des letztvergangenen Menschen-
alters niemandem so gerne und willig entgegen-
gebracht worden, als unsern nordischen Nach-
barn. Viele von den Besten Skandinaviens
haben unter uns gelebt, ihren Dichtern hat man
auf unsern Bühnen einen breiten Raum gewährt,
und unser eifriger Buchverlag hat ihnen einen
großen Kreis verständnisvoller Leser gewonnen;

XXII. Januar 1919. 4
 
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