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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Jaumann, Anton: Dank den Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0191

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DANK DEN BILDERN.

Eine schlimme Woche habe ich hinter mir,
bös für den Körper und bös für das bißchen
Seele, was man sich in diesen brutalen Zeit-
läuften noch gerettet hat. Man stöhnt und
flucht, aber das ist immer noch besser, als der
ungeheure Stumpfsinn, in den die Langeweile
des Alltags, diese endlose, graue Langeweile,
uns versinken läßt. Wie soll man sich diesem
Meer von Schlamm und Schmutz gegenüber
verhalten? Arbeiten ja, ist diese ewige Wie-
derholung Arbeit? Du denkst an die Million,
die zuhause jetzt ebenfalls durch Schlamm und
Schmutz stapfen zu den schwarzen Fabriken,
wo sie Granaten drehen, nein, der einzelne hat
ja nur ein Gewinde in endloser Wiederholung,
eine Kurve, eine Spitze zu drehen — aber ist
das ein Trost? Und was ist das für eine Tätig-
keit, dieses stumpfe Anstehen und Warten und
Feilschen um jeden Kohlkopf, Apfel, um jeden
Bissen! Und dann hörst du Trauriges von zu-
hause .... Ringsherum Mißgunst, Betrug, bru-
tale Geldmacherei. Die Reichen raffen an sich,
was sie Eß- und Trink-
bares erreichen können.
Die „Schieber", diese
Drohnen der Gesell-
schaft sind die Herren
der Situation. Sie ver-
dienen durch ihre un-
sauberen GeschäfteVer-
mögen, der Gewissen-
hafte wird an die Wand
gedrückt. Wo ist die
tiefgehende Läuterung,
die der Krieg bringen
sollte? Ja, eine tief-
gehende Zersetzung hat
er gebracht, die alle
Kreise, die Führer, die
Geistigen,dieGeschäfts-
welt, aber auch die Fa-
milie erfaßt und vergiftet
hat. Du weißt den Kla-
gen, die aus der Heimat
kommen, keinen Trost.
Wer wagt es, das Wort
Religion unter solchen
Umständen in den Mund
zu nehmen? Und auch
der eitle Lippendienst,
die auf den Knieen rut-
schende Dummheit um

ENTWURF: M. POWOLNY. »KRISTALLGLAS-DOSE«

dich herum kann nur abstoßen. Du greifst zur
Zeitung, um wieder auf nichts als Eitelkeit, Elend
und Verblendung zu stoßen. Professorenhafter
Dünkel spreizt sich in großen Worten, und keiner
findet das erlösende einfache Wort, von Volk zu
Volk, von Mensch zu Mensch. Unterdessen ein
Meer von Blut und Schreck en ringsherum, das die
Widerwärtigkeiten der nächsten Umgebung nur
noch kleinlicher, aber auch ärgerlicher erschei-
nen läßt .... Da kommt wie ein Meteor das
neuste Heft einer Kunstzeitschrift, ein Engel in
der Nacht, und die paar Dutzend Bilder werden
plötzlich zu deiner Erlösung. Kein Künstler,
kein Verleger hat wohl die Wirkung geahnt, die
Bilder in solchen Zeiten ausüben können! Du
hast eben die ganze Politik verflucht und siehst
nun die kühn gewölbte Stirn des Staatsmanns,
das Adlerauge, das eiserne Antlitz. Alle ver-
hängnisvollen Grundirrtümer der Politik sind
vergessen, all das unberechenbare Unheil, das
sie den Menschen gebracht. Du siehst nur diese
wundervolle, mächtige Erscheinung eines Men-
schen, der Größtes sinnt
und wirkt — im Bild,
ob er selbst seine allzu
menschlichen Schwä-
chen gehabt, was küm-
merts dich? Du siehst
die Darstellung religiö-
ser Ekstase — mag das
sonst noch so peinlich
sich abspielen, als Ver-
irrung, als Krankheit des
Geistes oder die er-
schrecklichste Knebe-
lung menschlicher Ge-
dankenfreiheit darstel-
len — hier ist es etwas
großes, ein göttlicher
Blitz, der den armen
Menschen erschüttert,
durchloht, in höchste
Höhen emporreißt. —
Die edlen Linien dieser
Landschaftsbilder las-
sen dich den Schlamm
vergessen, der Arbeiter
ist geadelt in dieser Dar-
stellung , kühne Archi-
tekturen, reizende Ge-
räte , sie erfreuen das
Auge und du brauchst

XXII. Nov.-Dez. 1918. 7
 
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