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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 43.1918-1919

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Hirsching, August: Nach dem Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9119#0241

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NACH DEM KRIEG.

VON AUGUST BIRSCHING.

Der Krieg ist aus. Zwar bereiten uns seine
letzten Zuckungen noch manche bange
Sorgenstunde, zwar haben die Geburtswehen
einer neuen Zeit unser Volksleben auf's heftig-
ste erschüttert und erschüttern es noch, aber
der Krieg ist aus.

Neue Aufgaben, neue Pflichten, noch dring-
licher vielleicht, und vor allem schwerer noch
zu erfüllen, als die bisherigen, treten an unsheran.

Nicht nur für uns, aber ganz besonders für
uns Deutsche gilt es heute, das große Erbe
einer alten, durch den Fleiß und das Streben
der Jahrhunderte errungenen Kultur sicherzu-
stellen und zu erhalten. Einer nachfolgenden
Generation wenigstens in ideeller Hinsicht das
auf uns Überkommene ungeschmälert zu hinter-
lassen. — Wir sind imstande, es zu tun, wenn
wir alle inneren, geistigen Kräfte zusammen-
fassen, wenn wir uns bewußt werden, daß die
geistigen Kräfte in erster Linie es sind, die einen
gesunden Wiederaufbau des alten, morsch ge-
wordenen Staatsgebäudes ermöglichen.

Man sagt zwar im allgemeinen, daß politische
Macht und weltliche Größe die Vorbedingung
seien zum künstlerischen Aufschwung. Doch
nicht immer ist dies der Fall. Unser gewiß
beispielloser Aufschwung, der diesem Krieg
vorausgegangen, hat jedenfalls im Laufe der
Zeit eine Überkultur gezüchtet, die ihrerseits
sowieso zu einer Katastrophe in irgend einer
Form geführt haben müßte, wäre sie nicht auf
diese Weise über uns hereingebrochen.

Die näheren und entfernteren Gesamtum-
stände freilich, unter denen wir diese Kata-
strophe erleben, sind bitter. Wir alle sind die
Leidtragenden dabei.

Der schier unverwüstlich scheinende Wohl-
stand unseres Volkes ist auf's schwerste ge-
schädigt. Im Materialismus droht nun
alles zu versinken, im Materialismus
droht unser hohes, den Idealen des Gei-
stes geweihtes Kulturleben zu erstik-
ken. — Das wäre von allem Schlimmen das
Schlimmste, was uns geschehen könnte.

Ein völliger Niedergang des deutschen Vol-
kes in jeder, aber auch jeder Hinsicht wäre die
Folge. Seien wir uns dessen bewußt. Hüten
wir uns, dieses geistige Moment zu unter-
schätzen und über den äußeren Sorgen und der
Not des Alltags diese ernste Aufgabe der Zeit
zu vergessen. — Unsere Ideale wenig-
stens, unser im weitesten Sinn in der

künstlerischen Kraft bestehendes Volks-
vermögen aus diesen bösenTagen in bes-
sere Zeiten hinüberzuretten, ist heute
ein Gebot der Stunde.

Die Gaben der Kunst sind es mit in erster
Linie, die uns helfen können, über die furcht-
bare Schwere der Zeit hinwegzukommen, die
schier erdrückende Last unserer Tage einiger-
maßen erträglich zu machen.

Es ist freilich nicht leicht, einer in den sich
überstürzenden Ereignissen der Zeit fast stumpf
gewordenen Mehrheit derBevölkerung das heute
klar zu machen, ihr überhaupt nur davon zu
reden. Kleinmut und Verzagtheit, ohnehin schon
länger die Trabanten eines leider sehr großen
Teils unsres Volkes, wollen nichts davon wissen.

Es ist eine traurige Tatsache, daß schon in
guten Tagen nur ein verschwindend kleiner
Teil unseres Volks, ja selbst unserer sogenann-
ten gebildeten Welt überhaupt für die schönen
Gaben der Kunst lebendiges Interesse zeigte.
Heute von ihnen dieses Interesse zu verlangen,
ist fast aussichtslos, könnte fast als Vermessen-
heit oder Überspannung gedeutet werden.

Wir geben trotzdem die Hoffnung nicht auf.

Daß ein Kant, ein Goethe, ein Schiller nicht
umsonst gelebt hat, dessen müssen wir uns heute
erinnern, und daß wir würdig sind, in ihre Fuß-
stapfen zu treten, das müssen wir einer Welt
voll Feinden von neuem beweisen.

Daß dies heute sehr schwer sein wird, muß
einem Jeden klar sein, der mit offenen Augen
durch die letzten Jahre gegangen ist.

Es ist überaus schwer, aber es ist nicht
unmöglich, und wir werden die Kraft dazu fin-
den, wenn wir uns der ungeheueren Verantwor-
tung bewußt werden, die wir mit dem unermeß-
lichen geistigen und künstlerischen Besitz unse-
res Volkes übernommen haben.

Deutsches Volk, zeige Dich würdig
Deiner großen Denker, Deiner großen
Künstler. Sorge dafür, daß ihr Erbe Dei-
nen Söhnen bleiben möge!

Deutsche Künstler, Ihr alle, die Ihr
berufen seid, das heilige Feuer der
Kunst pflegen und wahren zu helfen,
schart Euch zusammen und zeigt einer
Welt von niedrigen Spöttern und Has-
sern, daß Ihr fähig seid der großen und
schweren Aufgabe, einer tief gesunke-
nen Menschheit ihre Würde wiederzu-
geben und zu bewahren!............
 
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