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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Corwegh, Robert: Gottfried Diehl - Frankfurt A.M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0229

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G. DIEHL—FRANKFURT M.

»VORSTADT-STRASSE«

GOTTFRIED DIEHL-FRANKFURT A. M.

Wer von Kunst sonnige Heiterkeit erwartet,
geboren aus Optimismus der Welt und dem
Leben gegenüber, wer über Kunst seine Sorgen
vergessen möchte, der wendet enttäuscht den
Kopf von der modernen Künstlerjugend. Sie
will in ihren Schöpfungen nicht Lösung zwischen
aller stofflichen Schwere und dem Geist durch
eine abgeklärte Form bieten. Wohl sucht auch
sie Klarheit in der eigenen Not und in der Not
der Zeit; aber ihre Werke zeugen nur von
ihrem heftigen Ringen und Kämpfen. Sie sind
nicht Dokumente des Errungenen. Wie Lessing
die Möglichkeit ewigen Forschens der Klarheit
vorzog, so soll die Kunst der modernen Künst-
lergeneration ihre Nöte, Kämpfe und Zweifel
vor uns ausbreiten. Hierin äußert sich eine völ-
lige Umstellung der Gesinnung gegen früher.
Die vorangegangene Generation hielt ihre in-
neren Kämpfe vor anderen verborgen. Die
heutige Jugend hat erkannt, wie Aussprache
innere Belastung löst, und darum schleudert sie
bedrückende Gedanken und Gefühle aus sich
heraus. Das ist es, was Viele von ihren Werken
abstößt, und doch wieder zu ihnen hinzieht. Sind

diese dargestellten Kämpfe und Nöte nicht auch
Ausdruck unseres eigenen Ringens? Verkörpert
nicht der Künstler in seinen Werken in eigener
Form die allgemeine Not? Das gibt freilich
nicht hellenische Heiterkeit (ein mißverstan-
denes Wort; denn kaum ein Volk stand dem Da-
sein tragischer gegenüber als die Griechen), aber
es kann den Geist zu Höherem erheben. Indem
wir den Weg der Kämpfe starker Persönlich-
keiten nacherleben, klären wir die eigene Not.
Nicht Heiterkeit des Seins zu schildern ist die
Aufgabe der modernen Kunst, sondern Verklär-
ung der Menschennot in der Bezwingung durch
die künstlerische Form. Ein so Ringender, den
die Tragik des Lebens aus jedem Menschen-
antlitz und allem Gestalteten anblickt, ist der
Frankfurter Gottfried Diehl. Seine Jugend-
tage spielten sich in dem engen Häuserviertel
um den Frankfurter Dom ab, und unter den
dämmerigen Wölbungen des Doms selbst. Die-
ses Dämmerlicht belebte sich schon damals für
ihn mit Gestalten, und noch heilte legt sich über
seine Farbe irgendwie Schattenschwere. Dann
folgten Lehrjahre in der Werkstatt des Vaters.
 
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