170 Die Macht
schäftsgange wie ein Kohlenpferd einherstampfte, und am Schluß,
froh der dreifachen Deckung, das kurze, knorplige, krumm-
beinige Horn.
So waren sie alle Vier, sich ängstlich aufmerksam um-
schauend, fast bis auf die Mitte der Weide gekommen, die Violine
quickte schon, ganz übermüthiges Zeug und selbst das Horn fing
an aufzuathmen — da Plötzlich tönte hinter einem Weidenbusch
ein tiefes, dumpfes Brummen, und eine rothbraune Masse fing
an sich schwerfällig zu erheben.
Wie durch einen Zauberschlag standen alle Vier still, der
Clarinette schlugen hörbar die Kniee zusammen und der Baß
zog im ersten Schreck mechanisch sein rothes Tuch aus der Tasche.
„Herr Gott! das Taschentuch!" schrie die Clarinette angst-
voll und der Baß suchte es schnell wieder wegzustopfen, konnte
aber in der Angst die Tasche nicht finden.
Das Brummen verstärkte sich und das gewaltige Thier
kam mit gesenktem Kops und tückisch funkelnden Augen durch
das hohe Gras langsam aus sie zu.
der Töne.
„O — o — " seufzte das Horn, „nun wird er uns
alle Vier abthun!" und dabei duckte er sich hinter die anderen
Drei und schielte mit angstvollen Blicken seitwärts hervor.
Unterdessen war es dem Baß gelungen, das Taschentuch
glücklich zu beseitigen, allein der Zorn des Thieres schien sich
nur zu verstärken, seine Schritte wurden rascher, er schüttelte
sein gewaltiges Haupt und brummte stärker. Keiner wagte sich
zu rühren, obgleich es die höchste Zeit war, denn nun war der
Bull plötzlich stehen geblieben, peitschte mit dem Schweif die
Lenden und konnte jeden Augenblick auf sie zustürzen. Die
Violine hatte Plötzlich eine Idee.
„Musik, Musik!" kreischte er auf, und wie ein Blitz
fuhr es in alle Anderen. Der Baß schälte mit nie geahnter
Geschwindigkeit sein Instrument aus dem Futteral, ebenso die
Uebrigen und als das Thier nun, wüthend gemacht durch die
plötzliche Bewegung, laut aufbrummte und gesenkten Hauptes auf
sie losstürzte, wurde es von einer musikalischen Salve empfangen,
die an Gräßlichkeit ihres Gleichen suchte. Es war wie ein Ge- \
misch aus dem Brüllen des Ochsen, dem Schwanengesang des
j Schweines, dem Kreischen einer ungeschmierten Thür und dem
I Krächzen des Raben.
Das Mittel that seine Wirkung. Der Bull stutzte mitten
im Lauf und zog sich dann mit tiefgesenktem Haupt brummend, mit
dem Schweif die Flanken peitschend, eine Strecke zurück. Dort
stand er nun, funkelte tückisch mit den Augen und netzte das
Gras mit dem Schaum seines Maules. Der Baß sägte noch
wie rasend auf den Saiten, die Clarinette schrillte und das Horn
sah dunkelblau im Gesicht aus, so wüthend blies es — da gebot
die Violine mit ihrer durchdringenden Stimme Stillschweigen.
„Still, still!" kreischte sic, „das Biest wird es ja sonst
j gewohnt!"
Das leuchtete den Anderen ein und sie schwiegen.
Unterdessen hatte der Bull seine Fassung wiedergewonnen
und seine Wuth, vergrößert durch den gräulichen Lärm, ließ ihn
plötzlich zum zweiten Angriff schreiten. Eine zweite Salve empfing
ihn, womöglich noch gräßlicher als die erste, dem Baß platzte I
eine Saite, die Clarinette und die Violine kreischten wie eine !
Legion Teufel, und das Horn ließ durch seine Anstrengungen '
den Fall der Mauern von Jericho durch ähnliche Töne nicht j
mehr unwahrscheinlich erscheinen. Auch dießmal wirkte es; allein
das Biest schien es wirklich gewohnt zu werden und zog sich
dießmal viel weniger weit zurück, wühlte mit den Vordersüßen
in der Erde und schien jeden Augenblick im Begriff, von Neuem
loszustürzen.
schäftsgange wie ein Kohlenpferd einherstampfte, und am Schluß,
froh der dreifachen Deckung, das kurze, knorplige, krumm-
beinige Horn.
So waren sie alle Vier, sich ängstlich aufmerksam um-
schauend, fast bis auf die Mitte der Weide gekommen, die Violine
quickte schon, ganz übermüthiges Zeug und selbst das Horn fing
an aufzuathmen — da Plötzlich tönte hinter einem Weidenbusch
ein tiefes, dumpfes Brummen, und eine rothbraune Masse fing
an sich schwerfällig zu erheben.
Wie durch einen Zauberschlag standen alle Vier still, der
Clarinette schlugen hörbar die Kniee zusammen und der Baß
zog im ersten Schreck mechanisch sein rothes Tuch aus der Tasche.
„Herr Gott! das Taschentuch!" schrie die Clarinette angst-
voll und der Baß suchte es schnell wieder wegzustopfen, konnte
aber in der Angst die Tasche nicht finden.
Das Brummen verstärkte sich und das gewaltige Thier
kam mit gesenktem Kops und tückisch funkelnden Augen durch
das hohe Gras langsam aus sie zu.
der Töne.
„O — o — " seufzte das Horn, „nun wird er uns
alle Vier abthun!" und dabei duckte er sich hinter die anderen
Drei und schielte mit angstvollen Blicken seitwärts hervor.
Unterdessen war es dem Baß gelungen, das Taschentuch
glücklich zu beseitigen, allein der Zorn des Thieres schien sich
nur zu verstärken, seine Schritte wurden rascher, er schüttelte
sein gewaltiges Haupt und brummte stärker. Keiner wagte sich
zu rühren, obgleich es die höchste Zeit war, denn nun war der
Bull plötzlich stehen geblieben, peitschte mit dem Schweif die
Lenden und konnte jeden Augenblick auf sie zustürzen. Die
Violine hatte Plötzlich eine Idee.
„Musik, Musik!" kreischte er auf, und wie ein Blitz
fuhr es in alle Anderen. Der Baß schälte mit nie geahnter
Geschwindigkeit sein Instrument aus dem Futteral, ebenso die
Uebrigen und als das Thier nun, wüthend gemacht durch die
plötzliche Bewegung, laut aufbrummte und gesenkten Hauptes auf
sie losstürzte, wurde es von einer musikalischen Salve empfangen,
die an Gräßlichkeit ihres Gleichen suchte. Es war wie ein Ge- \
misch aus dem Brüllen des Ochsen, dem Schwanengesang des
j Schweines, dem Kreischen einer ungeschmierten Thür und dem
I Krächzen des Raben.
Das Mittel that seine Wirkung. Der Bull stutzte mitten
im Lauf und zog sich dann mit tiefgesenktem Haupt brummend, mit
dem Schweif die Flanken peitschend, eine Strecke zurück. Dort
stand er nun, funkelte tückisch mit den Augen und netzte das
Gras mit dem Schaum seines Maules. Der Baß sägte noch
wie rasend auf den Saiten, die Clarinette schrillte und das Horn
sah dunkelblau im Gesicht aus, so wüthend blies es — da gebot
die Violine mit ihrer durchdringenden Stimme Stillschweigen.
„Still, still!" kreischte sic, „das Biest wird es ja sonst
j gewohnt!"
Das leuchtete den Anderen ein und sie schwiegen.
Unterdessen hatte der Bull seine Fassung wiedergewonnen
und seine Wuth, vergrößert durch den gräulichen Lärm, ließ ihn
plötzlich zum zweiten Angriff schreiten. Eine zweite Salve empfing
ihn, womöglich noch gräßlicher als die erste, dem Baß platzte I
eine Saite, die Clarinette und die Violine kreischten wie eine !
Legion Teufel, und das Horn ließ durch seine Anstrengungen '
den Fall der Mauern von Jericho durch ähnliche Töne nicht j
mehr unwahrscheinlich erscheinen. Auch dießmal wirkte es; allein
das Biest schien es wirklich gewohnt zu werden und zog sich
dießmal viel weniger weit zurück, wühlte mit den Vordersüßen
in der Erde und schien jeden Augenblick im Begriff, von Neuem
loszustürzen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Macht der Töne"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1350, S. 170
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg