186 Der Badearzt.
„Sie erlauben also, Herr Doktor, daß ich morgen meine
Kur beginne?"
„Gewiß. Beginnen Sie heute Nachmittag schon."
„Was habe ich Ihnen zu bezahlen, Herr Doktor?"
„Zwanzig Franken, mein lieber Herr."
„Hier, Herr Doktor."
„Besuchen Sie mich gefälligst fünf bis sechs Mal während
der Saison, damit ich mich überzeuge, daß Ihnen die Kur gut
gethan hat."
„Ich werde ohne Zweifel Sie noch mehrmals belästigen
müssen."
„Ich stehe ganz zu Ihren Diensten."
Es klopft wieder. Eine Dame tritt ein.
„Herr Doktor, erlauben Sie, daß ich Ihnen einen Em-
pfehlungsbrief bestelle, den mein Arzt mir zu Ihren geehrten
Händen mitgegeben."
„Solche Briese," entgegnet der Arzt, indem er den Brief
zögernd entgegennimmt, „find sonst nicht von Nöthen; ich in-
teressire mich für alle Kranken, welche die Wiederherstellung
ihrer Gesundheit an unserer trefflichen Heilquelle suchen."
'„Ich habe gedacht," wendet die Dame halblaut ein, „daß
es Ihnen angenehm sein würde."
„Doktor Punktum behandelt Sie also?"
„Ja, Herr Doktor."
„Ach, Doktor Punktum ist einer meiner besten Freunde,
I wir haben zusammen studirt, wir haben das gleiche Spital be-
! sucht, die gleichen Professoren gehört — ach, wie geht es ihm,
, dem guten Jungen?"
„Der Herr Doktor befindet sich sehr wohl," entgegnet
pflichtschuldigst die Dame.
„Nun desto besser, desto besser. Er ist verheirathet,
denke ich?"
„Oh, schon längst, Herr Doktor!"
„Kinder?"
„Vier allerliebste Kinder, Herr Doktor."
„Seine Frau hat ihm etwas Vermögen zugebracht?"
„O gewiß, bei hunderttausend Franken wenigstens."
„Taniit kann mein Freund schon anständig leben."
„Wohl, Herr Doktor, er verdient auch, glücklich zu sein,
er ist so artig, so geschickt —"
Ter Badearzt erhebt sich:
„Wenn Sie wieder nach Hause zurückkehren, so sind Sie
wohl so freundlich, die herzlichsten Grüße von meiner Seite zu
bestellen."
„Ich werde nicht verfehlen — aber, Herr Doktor, ich kam,
um Sie zu fragen —"
„Ebenfalls an seine werthe Frau Gemahlin, die zu kennen
ich leider nicht die Ehre habe —"
„Ich sagte Ihnen, Herr Doktor, daß der Zweck meines
Besuches die Trinkkur —"
„Ah, die Quelle ist rechts im Park, sehen Sie, man kann
sie von hier aus bemerken. Haben Sie schon ein Bad genommen?"
„Noch nicht."
„Ei so gehen Sie schnell, sonst könnte es für heute zu
spät werden."
Tie Dame legt zehn Franken auf die Ecke des Tisches.
„Entschuldigen Sie, Madame," sagt der Badearzt, der
einen flüchtigen Blick auf das Goldstück geworfen, „es sind
zwanzig Franken — "
„Nein," entgegnet die Dame, „es sind nur zehn Franken, j
sehen Sie —"
„Ich sage nicht," bemerkt der Arzt, „daß es nicht zehn
Franken seien, aber gerade dieses Umstandes wegen machte ich
Ihnen eine Bemerkung. Der Preis der Eonsultation ist zwanzig
Franken für Jedermann. Da Sie nun eine Patientin meines
Freundes sind, so würde ich Ihnen gerne ein geringeres Honorar
bedingen, allein ich darf von dem Usus dieser Entschädigung
nicht abgehen, denn wenn dieß die übrigen Badegäste erführen,
so könnte cs eine ungute' Wirkung hervorbringen. Ich würde
in diesem Falle vorziehen. Ihnen Nichts abznnehmen."
„Nein, das wünsche ich nicht," erklärt die Dame und legt
noch zehn Franken zu den übrigen.
„Ich danke Ihnen, meine Wcrthestc, Sie begreifen, daß
ich dieses Honorar nicht für mich in Anspruch nehme —"
„Wem geben Sic denn dieses Geld?"
„Dies Honorar ist bestimmt für die Aufrechthaltung der
Grundsätze."
Die Dame wirft einen Blick des Bedauerns auf die beide"
Goldstücke und geht ab.
Ein anderer Unglücklicher tritt ein. „
„Mit welchem Leiden sind Sie behaftet, mein lieber Freund?
fragt theilnehmend der Arzt.
„Seit acht Tagen bin ich hier, verfolge pünktlich we*1,c
Kur —"
„Sie erlauben also, Herr Doktor, daß ich morgen meine
Kur beginne?"
„Gewiß. Beginnen Sie heute Nachmittag schon."
„Was habe ich Ihnen zu bezahlen, Herr Doktor?"
„Zwanzig Franken, mein lieber Herr."
„Hier, Herr Doktor."
„Besuchen Sie mich gefälligst fünf bis sechs Mal während
der Saison, damit ich mich überzeuge, daß Ihnen die Kur gut
gethan hat."
„Ich werde ohne Zweifel Sie noch mehrmals belästigen
müssen."
„Ich stehe ganz zu Ihren Diensten."
Es klopft wieder. Eine Dame tritt ein.
„Herr Doktor, erlauben Sie, daß ich Ihnen einen Em-
pfehlungsbrief bestelle, den mein Arzt mir zu Ihren geehrten
Händen mitgegeben."
„Solche Briese," entgegnet der Arzt, indem er den Brief
zögernd entgegennimmt, „find sonst nicht von Nöthen; ich in-
teressire mich für alle Kranken, welche die Wiederherstellung
ihrer Gesundheit an unserer trefflichen Heilquelle suchen."
'„Ich habe gedacht," wendet die Dame halblaut ein, „daß
es Ihnen angenehm sein würde."
„Doktor Punktum behandelt Sie also?"
„Ja, Herr Doktor."
„Ach, Doktor Punktum ist einer meiner besten Freunde,
I wir haben zusammen studirt, wir haben das gleiche Spital be-
! sucht, die gleichen Professoren gehört — ach, wie geht es ihm,
, dem guten Jungen?"
„Der Herr Doktor befindet sich sehr wohl," entgegnet
pflichtschuldigst die Dame.
„Nun desto besser, desto besser. Er ist verheirathet,
denke ich?"
„Oh, schon längst, Herr Doktor!"
„Kinder?"
„Vier allerliebste Kinder, Herr Doktor."
„Seine Frau hat ihm etwas Vermögen zugebracht?"
„O gewiß, bei hunderttausend Franken wenigstens."
„Taniit kann mein Freund schon anständig leben."
„Wohl, Herr Doktor, er verdient auch, glücklich zu sein,
er ist so artig, so geschickt —"
Ter Badearzt erhebt sich:
„Wenn Sie wieder nach Hause zurückkehren, so sind Sie
wohl so freundlich, die herzlichsten Grüße von meiner Seite zu
bestellen."
„Ich werde nicht verfehlen — aber, Herr Doktor, ich kam,
um Sie zu fragen —"
„Ebenfalls an seine werthe Frau Gemahlin, die zu kennen
ich leider nicht die Ehre habe —"
„Ich sagte Ihnen, Herr Doktor, daß der Zweck meines
Besuches die Trinkkur —"
„Ah, die Quelle ist rechts im Park, sehen Sie, man kann
sie von hier aus bemerken. Haben Sie schon ein Bad genommen?"
„Noch nicht."
„Ei so gehen Sie schnell, sonst könnte es für heute zu
spät werden."
Tie Dame legt zehn Franken auf die Ecke des Tisches.
„Entschuldigen Sie, Madame," sagt der Badearzt, der
einen flüchtigen Blick auf das Goldstück geworfen, „es sind
zwanzig Franken — "
„Nein," entgegnet die Dame, „es sind nur zehn Franken, j
sehen Sie —"
„Ich sage nicht," bemerkt der Arzt, „daß es nicht zehn
Franken seien, aber gerade dieses Umstandes wegen machte ich
Ihnen eine Bemerkung. Der Preis der Eonsultation ist zwanzig
Franken für Jedermann. Da Sie nun eine Patientin meines
Freundes sind, so würde ich Ihnen gerne ein geringeres Honorar
bedingen, allein ich darf von dem Usus dieser Entschädigung
nicht abgehen, denn wenn dieß die übrigen Badegäste erführen,
so könnte cs eine ungute' Wirkung hervorbringen. Ich würde
in diesem Falle vorziehen. Ihnen Nichts abznnehmen."
„Nein, das wünsche ich nicht," erklärt die Dame und legt
noch zehn Franken zu den übrigen.
„Ich danke Ihnen, meine Wcrthestc, Sie begreifen, daß
ich dieses Honorar nicht für mich in Anspruch nehme —"
„Wem geben Sic denn dieses Geld?"
„Dies Honorar ist bestimmt für die Aufrechthaltung der
Grundsätze."
Die Dame wirft einen Blick des Bedauerns auf die beide"
Goldstücke und geht ab.
Ein anderer Unglücklicher tritt ein. „
„Mit welchem Leiden sind Sie behaftet, mein lieber Freund?
fragt theilnehmend der Arzt.
„Seit acht Tagen bin ich hier, verfolge pünktlich we*1,c
Kur —"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Badearzt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1352, S. 186
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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg