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J87

Der Badearzt.

„Daran thun Sie wohl. Wenn man ein Kurhaus be-
tritt, so muß man mit aller Strenge die Vorschriften der Kur
anwenden."

„Einverstanden, Herr Doktor. Allein gestern sagte mir
ein Arzt, daß, wenn ich vier Tage länger hier bliebe, so könnte
ich meiner Sache sicher sein."

„Ei was?"

„Sie wissen ja, Herr Doktor, besser wie ich, daß, wenn
ein Arzt sich dieses Ausdruckes bedient, daß man sein Testament
jeden Augenblick machen kann."

„Wie heißt dieser tolle Mensch?"

„Oh, Herr Doktor, dieser Arzt ist ein sehr geschickter und
unterrichteter Mann, ich schließe dieß aus seinen Consultationen,
die er sich nicht unter zehn Franken bezahlen läßt."

„Sein Name? sein Name?"

„Seines Namens erinnere ich mich nicht," erklärt der
Gefragte, „ich habe ein etwas kurzes Gedächtniß; soviel weiß
ich indessen noch, daß er Badearzt irgend eines auf einige
Stunden von hier entfernten Kurortes ist."

„Und dieser Mensch," entgegnet entrüstet der Arzt, „hat
Sie veranlassen wollen, die dortigen Quellen zu benutzen?"

„Ja, er sagte mir, daß ich, wenn ich seinem Rathe folge,
in kurzer Zeit geheilt sein werde."

Der Badearzt geht einige Schritte im Zimmer auf uud ab.

„Der Elende," murmelt er vor sich hin, „er kommt selbst
an unsere Quelle, um uns die Badegäste wegzufischen."

„Hören Sie, mein lieber Herr," sagt er sodann zu dem
zwischen Scylla und Charybdis stehenden Patienten, „wenn Sie
die dortige Kur benutzen, dann kann ich Ihnen nicht für Ihr
Leben garantiren. Jene Quelle hat ganz andere Bestandtheile,
als Sie zu vertragen im Stande sind; sie wird vollständig die
entgegengesetzte Wirkung Hervorbringen, die Sie zu erzielen hoffen."

„Das sagte mir der andere Arzt ebenfalls von der hie-
sigen Kur. Mein Gott, was soll ich in diesem Falle thun?"

„Befinden Sie sich unwohl," fragt begütigend der Arzt
Und consultirt den Puls, „seit Sie diese Kur benutzen?"

„Nein."

„Sehen Sie wohl, Ihr Puls ist normal."

„Erlauben Sie, Herr Doktor, eine Bemerkung. Seit einigen
Tagen befand ich mich sehr wohl; seitdem ich aber den Arzt
von Dingsda gesprochen, fühle ich mich gar nicht sehr behaglich.
^Las soll ich in diesem Falle thun?"

„Bleiben Sie hier."

„Aber jener Arzt?"

„Ist ein Dummkopf, ein schlechter Kerl, ein —"

„Gerade so," denkt der Patient bei sich, „hat jener Arzt
diesen geheißen. Unter solchen Umständen ist wohl das Beste,
’tf) gehe heim, und pflege dort mein Leiden im Schooße meiner

Familie."

Mit diesem Gedanken reist der Patient ab.

Eine ganze Familie tritt ein.

„Herr Doktor!" beginnt der Ehemann, ich komme meiner
Gattin wegen an diesen Kurort, der mir von meinem Hausarzt

empfohlen worden ist. Meine Frau ist sehr leidend." Der

geplagte Ehemann erzählt des Weiten und Breiten das Leiden
seiner Frau. „Glauben Sie wohl," fragt er dann, daß ihr
die Kur einige Linderung verschaffen werde."

„Linderung? Sichere Heilung sagen Sie," betheuert der
Arzt und indem er auf ein junges Mädchen von 10 Jahren
zeigt, „dieß junge Mädchen ist ohne Zweifel Ihre Tochter?"

„Ja, Herr Doktor."

„Sie sollten sie ebenfalls dazu bestimmen, die Kur mit-
zumachen."

„Oh, ich befinde mich vortrefflich," entgegnet die Kleine
piquirt.

„Entschuldigen L>ie, Fräulein," wendet der Arzt ein, „Sie
haben die ersten Symptome der Krankheit Ihrer Frau Mama.

O ich kenne diese Krankheiten, sie vererben sich von Geschlecht
zu Geschlecht, wenn man nicht rechtzeitig den Keim derselben
zerstört. — Da ist Ihr Sohn z. B. (zeigt auf einen Knaben
von zwölf Jahren) vom gleichen Uebel ergriffen."

„Herr Doktor," wendet sich der kleine Zögling der In-
dustrieschule an den Arzt, „wird meine Krankheit mich hindern,
die Stunden an der Schule einzuhalten?"

„Nein, mein junger Freund, wenn Du fleißig die Kur
gebrauchst, wird Dir das keinen Schaden bringen."

„Also wäre nur ich der einzig Solide in der Familie?"
wirst sich der Familienvater in die Brust.

„Ich glaube, Verehrtester Herr, Ihnen bemerken zu sollen,
daß Sie sich in ziemlichem Jrrthum befinden. Sie sind krank,
ohne es zu wissen, ohne es zu bemerken. Diese Fälle sind oft
am schwersten zu kuriren, weil man ihnen keine Aufmerksamkeit
geschenkt hat."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Badearzt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Seitz, Otto
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Patientin
Symptom
Arztpraxis
Kurort
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Krankheit
Arzt <Motiv>
Familie <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 54.1871, Nr. 1352, S. 187

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