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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Plehn, A. L.: Das Bild als Kunst-Verglasung und als Wand-Teppich
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0028

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Seite 14.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

Henry van de Velde. Detail aus dem Cigarren-Laden.

Pas Bilp als Kunst-Vergiäsung

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Ein guter Theil der Arbeit, welche die letzten Jahre für
Gesundung der dekorativen Kunst zu leisten hatten,
bestand, wie man weiss, darin, das »Bild« aus der Flächen-
Dekoration auszutreiben. Das Werk ist auch noch keines-
wegs vollendet, immer wieder sieht man dies Gespenst in
der angewandten Kunst umgehen; und glaubt man, dass es
glücklich zu einer Thüre hinausgejagt wurde, so kommt es
im Nu zur anderen wieder herein. Die Dekoration will sich
nicht damit zufrieden geben, zu schmücken, sie möchte gar
zu gern daneben etwas bedeuten, ja manchmal scheint ihre
Absicht sogar hauptsächlich auf das letzte Ziel gerichtet.

Natürlich sind solche Rückfälle in Kinderkrankheiten
da am häufigsten, wo es sich um Gegenstände handelt, welche
an sich leicht mit dem Bilde zu verwechseln sind. Darum
kann man sich nicht wundern, dass sowohl der gewirkte
Wandbehang wie auch die farbige Verglasung, welche ihre
modernen Erzeugnisse immer fester in der Dekoration des
Hauses einbürgern, manchmal zu allerlei Ausstellungen nach
der angedeuteten Richtung Veranlassung geben.

Beide haben von vornherein das reformirte Plakat zu
ihrem Vorbild genommen, bei dem sie ja auch naturgemäss
für Flächenbehandlung und Linienführung die beste Anregung
finden konnten. Dieses Beispiel lehrte sie auf Licht- und
Schattenwirkung verzichten und sich damit begnügen, glatte
Farbenflecke nebeneinander zu setzen. Aber die Bedingungen

der Weber- und Glaserkunst sind darum doch noch nicht
genau dieselben, wie die des Plakats. Man hat da nicht
immer scharf genug unterschieden. Schon die betreffenden
Techniken machen jede in ihrer Weise den Kontur schwer-
fälliger, als ihn der Plakatzeichner hinsetzen kann. Auch
dieser vereinfacht die Linie, aber vermöge der Beweglichkeit
seines Stiftes kann er die Feinheit einer Miene oder einer
Körperstellung genau so sicher treffen, wie der Maler des
Staffeleigemäldes. Man denke nur an die nervöse Fein-
fühligkeit, mit welcher z. B. Muchas Plakate den Karakter
verschiedener Frauenhände mit den geringsten zeichnerischen
Mitteln lebendig machen. Es sind individuelle Gefühlsstim-
mungen, ja sogar der Ausdruck bestimmter Geistesthätigkeiten
in der Führung dieser Linien verborgen. Ich erinnere an
die Verkörperung so abgebrauchter und meistens so nichts-
sagender Allegorieen wie die der Malerei und der Musik,
wo hauptsächlich durch die Stellung und die Karakterisirung
der Hände einmal das Aufhorchen und dann wieder das
ruhige Anschauen absolut deutlich gemacht ist. Wie soll ein
Techniker mit solchen Feinheiten wetteifern, wenn er in
einem spröden Material arbeitet ? Unter seinen Händen muss
die Linie gefühllos werden. Der Glaskünstler setzt an ihre
Stelle die immerhin plumpe Verbleiung, und ihm erstirbt
zugleich mit der Beweglichkeit der beste Theil des Gefälligen.
Das gleiche Schicksal trifft die Weberei. Die Technik mit
ihrem Uebereinanderschiessen der Fäden lässt rechteckige
Punkte stehen, welche in Verbindung mit ihresgleichen die
Linien bilden müssen. Ausserdem wird durch die notwen-
dige Rücksicht auf das Binden der einzelnen Kettfäden jeder
wirklich gerundete Kontur ausgeschlossen. In beiden Fällen

Henry van de Velde. Detail aus dem Cigarren-Laden.
 
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