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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Bredt, Ernst Wilhelm: Emanuel Seidl und sein Wohn-Haus
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0223

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XI. Jahrg. 1900.

Darmstadt.

November-Heft.

Emanuel Seipl unp sein Wohn-Haus.

Ein Skizze von Dr. E. W. Bredt, München.

r MANUEL SEIDL's Wohnhaus an der Klee-
strasse, ganz nahe der St.Paul's-Kirche, dankt
nicht dem Materiale, sondern nur der Linien-
führung und der Silhouette seine grosse
stolz-bürgerliche Wirkung. Wie die über-
wiegende Mehrzahl der Häuser am Bavaria-
ring, ist auch das Seidl'sche Wohnhaus ein
mehrgeschossiger Bau und für mehrere Familien-Wohnungen
berechnet. Das hat aber nicht nur seinen Grund in der
möglichsten Ausnutzung des theueren Baugrundes, sondern
man muss dies auch dem weiten Blick der Münchener Bau-
behörde Dank wissen. Die Höhe der Gebäude sollte in einem
richtigen Verhältniss zur Grösse der »Wiese« stehen. Das
geschlossene Bausystem wäre hier finanziell sehr verlockend
gewesen. Mieths-Kasernen hätten auf sehr »billige« Weise
das künstlerisch nöthige Grössenverhältniss erreicht, gleich-
zeitig aber durch ihre Geschlossenheit und den Mangel wohl-
thuender Unterbrechungen und freierer Durchbildung im
Einzelnen die Wiese wie mit einer Mauer gegen das darunter-
liegende Villen-Viertel abgeschlossen.

Seidl's Wohnhaus erscheint vom Bavaria-Ring aus völlig
freistehend, aber der im spitzen Winkel an den Hauptbau
sich anschliessende Nordbau des Hauses stösst direkt an das
Nachbarhaus der Kleestrasse an. Die ganz ungewöhnliche
Eck-Lage des Hauses stellte dem Dispositions-Vermögen des
Architekten die schwierigsten Aufgaben.

Das von einem kleinen Vorgarten umschlossene Haus
hat zwei Eingänge. Der eigentliche Haus-Eingang an der
Kleestrasse ist zunächst durch einen schweren Bogen, von
dem Donatello's stolzer St. Georg sieghaft auf die Vorüber-
gehenden schaut, betont. Wie die Umrahmungen des Portales

1900. xi. 1.

schwer, so zeigen auch die Mehrzahl der breiten Fenster der
Ateliers nicht die zierlichen Profilirungen der anderen Fenster-
rahmen. Das Aeussere und Innere dieser hellen Arbeits-
räume ist fast durchgängig markig und nüchtern. Nur die
Plafonds, die wie die Wände meist weiss getönt sind, zeigen
eine gewisse Pracht. Besonders vornehm wirkt der weisse
Stuck-Plafond mit Stichkappen in dem grossen Zeichnungs-
saal, dessen Boden zu ebener Erde liegt. Vom geräumigen,
behaglich dunklen Warte-Zimmer aus, dessen Stirnwand die
Mauer des kreisrunden Treppenhauses bildet, kann man nach
beiden Seiten die, nur durch weite offene Bogen getrennten,
lichten Arbeits-Säle überblicken.

Vom Warte-Zimmer aus führt ein kleiner Lift direkt in
die — Dach- Wohnung des Meisters undJunggesellen Emanuel
Seidl's. Die Belebung des grossen, hohen Daches, durch
den grossen und durch kleinere Giebel, durch die Thürmchen
und Erkerchen lässt nun wohl von aussen schon vermuthen,
dass es sich in diesem Dachgeschoss ganz angenehm wohnen
lasse. — Wer aber diese Dach-Wohnung betritt und sie sich
genauer anschaut, wird immer wieder ganz vergessen, dass
er sich in einer Dach- Wohnung befindet. Er wird so über-
rascht von der originellen Raum-Ausnutzung sein, dass er
sie, zumal wenn er den herrlichen, unbegrenzten Blick von
einer der kleinen Terrassen geniesst, für das Ideal einer Dach-
Wohnung und vielleicht gar eine Dach-Wohnung von solcher
Raum-Disposition für das Ideal einer Wohnung erklären wird.

Das Gute hat ja fast jede Dach-Wohnung: den freien
Blick; auf alle Fälle hat sie den grossen Vorzug, Niemanden
»über sich« zu haben. Mit den schiefen Wänden aber und
den meist kleinen Fenstern werden sich nur wenige befreunden
können, die einigermassen komfortabel zu leben gewohnt sind.
 
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