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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 7.1882

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Lange, Konrad von: Zwei Köpfe von der Akropolis in Athen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35009#0219

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ZWEI KOEPFE VON DER AKROPOLIS IN ATHEN

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bezeichnen pflegt, ist die Summe einer langen langen Ent-
wicklung, die mit den ersten Regungen der griechischen
Kunstthätigkeit beginnend die verschiedensten sich kreuzen-
den Richtungen durchlauft, um seihst in Phidias nicht ein-
mal ihren Abschluss zu finden. In dieser Entwicklung, deren
Epochen zu erkennen wir noch weit entfernt sind, stehen un-
sere beiden Köpfe mitten inne, ihre Bedeutung beruht darin
dass sie, beide aus Athen stammend und nur wenige Jahr-
zehnte auseinander liegend, doch mit einander verglichen
trotz ihres gemeinsamen Fundorts die grössten
stilistischen Verschiedenheiten zeigen, die inner-
halb der archaischen Kunst überhaupt denkbar
s ind.
2 ist offenbar älter als 1. Ohr und Auge sind noch weni-
ger ausgebildet, die Augenhöhle vertieft sich kaum gegen die
Stirn, der Mund lächelt noch in archaischer Weise. 1 dage-
gen steht unmittelbar vor der Vollendung. Alles hat die rich-
tige anatomische Form und nur der Mund hat einen ernsten
fast stieren Ausdruck, der die völlige Freiheit vermissen lässt.
Aber es sind nicht nur zeitliche Unterschiede, die beide
Köpfe von einander trennen, ihr ganzes Formenprincip ist
verschieden. Wo bei 2 Fleisch und Fett in wenn nicht form-
loser so doch schwülstiger Weichheit die harte Unterlage be-
decken, volle Nasenflügel, dicke Lippen, rundes Kinn mit
üppigem unteren Contour und breite massige Wangen erzeu-
gen, da liegt bei 1 die Haut fast unmittelbar über dem Kno-
chengerüst; der scharf markirte Superciliarbogen, das vortre-
tende Jochbein,die eckige schräg nach vorn geschobene Kinn-
lade, alles das gibt einen Eindruck von Straffheit, wie er nur
durch einen gründlichen Wechsel der Kunstanschauung er-
klärt werden kann.Sind beide Principien auf attischem Boden
erwachsen? Und wenn nur das eine, wo stammt dann das
andere her? Oder sind gar beide nach Athen importirt worden?
Wenn man die auffallende Unsicherheit bedenkt,die grade
jetzt in der Schulbestimmung archaischer Köpfe herrscht, so
sollte man eigentlich ander Lösung dieser Fragen verzweifeln.
 
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