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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 20.1895

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Heft 4
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Sitzungsprotokolle
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https://doi.org/10.11588/diglit.38033#0524

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508

SITZUNGSPROTOKOLLE

30. Jan. 1895. W. Doerpfeld berichtet über die Ausgra-
bungen am Westabhang der Akropolis. — Th. Wiegand be-
spricht die dabei gefundenen Inschriften aus dem Heiligtum des
Amynos.— P. Wolters erörtert daran anknüpfend die Frage
nach dem Grabe des Sophokles.
Wolters: Dass Δεξιών, welchen die Orgeonen unseres Heiligtums ne-
ben Amynos und Asklepios verehren, der heroisirte Sophokles ist, kann
nicht zweifelhaft sein (Sophoclis Electra 3 ed. 0. Jahn-A. Michaelis S. 17),
ebenso ist deutlich ausgesprochen, dass das Heiligtum des Dexion von dem
der andern beiden Gottheiten getrennt war. Wo es lag wird nicht ange-
deutet, dass es nicht weit von Athen entfernt war, darf man aus dem Feh-
len jeder genaueren Bestimmung folgern; die sich zunächst bietende An-
nahme ist, dass es zum Grab des Sophokles in Beziehung stand, also in
Kolonos I-Iippios lag. Denn den Versuch L. Münters, das Grab des Dich-
ters bei Dekeleia nachzuweisen (Das Grab des Sophokles, Athen 1893, vgl.
Berliner Sitzungsberichte 1893 S. 687) halte ich nach wie vor für verfehlt.
Da neuerdings Herr R. Virchow in der Zeitschrift für Ethnologie 1894 S.
(119) auf die Frage zurückgekommen ist, sei es erlaubt noch einmal darauf
einzugehen, obwol die Gründe, welche er aus einem Brief des inzwischen
verstorbenen L. Münter mitteilt, nur die alten sind, und wir uns also bei
der einmütigen Verwerfung, welche die Hypothese erfahren hat, beruhigen
könnten. Ich muss aber, um Missverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich
erklären, dass Lölling sich niemals in durchaus günstiger Weise für die
Deutung Münters ausgesprochen hat [S. (123)J, sondern sie vielmehr von
ihrem ersten Auftauchen an scharf verurteilte und in seinem nur auf das
Sachliche beschränkten Bericht (Δελτίον 1888 S. 159) auf sie überhaupt gar
keine Rücksicht genommen hat. Dass Münter sich nach Kräften bemüht
hat, seine Auffassung durch gute Gründe zu stützen, wird Jeder anerkennen,
und Niemand wird dem wackeren Mann verargen, dass er als Laie das Ge-
wicht seiner vermeintlichen Gründe nicht zu beurteilen vermochte. Eine
kurze Orientirung des Publicums, wie ich sie im Reichsanzeiger 1893 Nr.
180 gegeben habe, war deshalb nötig, und meine kurze Bemerkung über
den angeblichen Schädel des Sophokles, die als Übergriff auf anatomisches
Gebiet bezeichnet worden ist, war um so weniger überflüssig, als sie nur
eine vom Anatomen ermittelte Thatsache verwertete. Dass die Schiefheit
des Schädels der Identificirung nicht eben günstig stimmt, hat Herr Vir-
chow selber zugestanden, indem er (S. 694) nachwies, dass der sie bewir-
kende Prozess wahrscheinlich eine Geistesstörung herbeigeführt haben
würde, wenn die compensatorische Erweiterung anderer Schädelabschnitte
nicht eine mehr normale Ausbildung des Gehirns ermöglicht hätte. Einen
Schädel, aus dessen Anormalität man heutigen Tages vielleicht eine Prä-
disposition zu verbrecherischen Anlagen, in früheren Zeiten eher die zu den
Excentricitäten der Dichter und Schwärmer erschlossen hätte, für den des
Sophokles zu halten, muss Jedem schwer fallen, der mit dem Altertum an
ihm grade das ruhige Ebenmass in allen Dingen anerkennt.
 
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