ARCHITEKTONISCHE
1904
RUNDSCHAU
HEFT 1
Ornament von Regierungsbaumeister A. Hartung in Berlin.
Der Urheberrechtsschutz der Werke der Baukunst.
Von Dr. Albert Osterrieth in Berlin.
ie neuere Gesetzgebung aller Länder sieht für
die Schöpfer von Geisteswerken einen zeitlich
beschränkten Schutz vor, der dem Urheber eines
Werkes das ausschließliche Recht gibt, das
Werk durch Nachdruck, Nachbildung oder Auf-
führung zu verwerten; außerdem macht sich in neueren Gesetz-
gebungen die Tendenz geltend, auch die idealen Interessen
der Urheberschaft in gesetzlichen Schutz zu nehmen.
In Deutschland ist dieses Rechtsgebiet durch zwei Ge-
setze geregelt, durch das Gesetz vom 19. Juni 1901, betreffend
das Urheberrecht an Schriftwerken und Werken der Tonkunst,
sowie durch das Gesetz vom 9. Januar 1876, betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste.
Der Ursprung dieser Gesetzgebung reicht bis in den An-
fang des 19. Jahrhunderts zurück, wie ja überhaupt der Ge-
danke, immaterielle Güter zum Gegenstand von Rechten zu
machen, erst eine Errungenschaft der neueren Wissenschaft
ist. Infolgedessen haftet aber den gesamten Gesetzen noch
eine gewisse Mangelhaftigkeit und Systemlosigkeit an. Lang-
sam und zögernd haben die Gesetzgeber, den dringendsten
praktischen Bedürfnissen folgend, den geistigen Urhebern einen
Schutz geschaffen. Zunächst waren es die Buchhändler, welche
zur Sicherung des Verlagshandels einen
Schutz gegen Nachdruck in Anspruch
nahmen. Darauf kamen die Urheber
von Werken der vervielfältigenden
Künste, die gleichfalls gegen Nach¬
druck der Holzschnitte, Stiche u. s. w.
geschützt wurden. Ihnen schlossen
sich die Komponisten an, deren Schutz
sich zunächst auf die Vervielfältigung,
später auch auf die Aufführung des
Werkes erstreckte.
Die bevorstehende Revision des
Kunstschutzgesetzes von 1876 gibt den
Künstlern Veranlassung, nachzuprüfen,
ob der bisherige Schutz ausreichend
war und den Bedürfnissen der Kunst¬
industrie und des Kunsthandels, sowie
denen des Kunstwerke kaufenden und
Kunst genießenden Publikums ent¬
sprach.
Ein Blick auf das heute noch in
Kraft befindliche Gesetz zeigt eine
weite Lücke. § 3 des Gesetzes vom
9.Januar 1876 besagt nämlich: »Dieses
Gesetz findet auf die Werke der Bau-
kunst keine Anwendung.«
Damit ist allerdings die Baukunst
nicht für ganz schutzlos erklärt, jedoch
beschränkt sich dieser Schutz auf ein
sehr dürftiges Mindestmaß.
Wie schon erwähnt, geht der
Schutz des Urheberrechts dahin, dem
Urheber eines Geisteswerkes einen
Schutz dagegen zu bieten, daß seine
Schöpfung durch Nachahmung oder Nachbildung seitens andrer
wirtschaftlich verwertet werde. Es soll verhindert werden, daß
derjenige, der nicht Eigenes geschaffen hat, Früchte erntet,
wo er nicht gesät hat, und daß er dem Schöpfer den Ertrag
seiner Werke schmälere. In welcher Weise kann nun der
Architekt seine Schöpfungen wirtschaftlich verwerten?
Zunächst ist es ihm möglich, die Pläne und Risse eines
Entwurfes zu vervielfältigen und im Verlage herauszugeben;
das gleiche gilt von den Zeichnungen und Abbildungen, die
er nach dem ausgeführten Gebäude fertigt. Da diese Form
der wirtschaftlichen Verwertung eines Werkes der Baukunst
dem Buch- und graphischen Kunstverlag am nächsten steht,
so war es für den Gesetzgeber auch naheliegend, dem Archi-
tekten einen analogen Schutz zu schaffen. Demgemäß be-
sagt § 1 des Gesetzes vom 19. Juni 1901: »Nach Maßgabe
dieses Gesetzes werden geschützt: die Urheber von solchen
Abbildungen technischer Art, welche nicht ihrem Hauptzweck
nach als Kunstwerk zu betrachten sind. Zu den Abbildungen
gehören auch plastische Darstellungen.« Es besteht kein Zweifel,
daß dieser Wortlaut sich auch auf Pläne von Bauwerken,
Zeichnungen von Ornamenten u. s. w. erstreckt. Hiernach ist
also der Architekt dagegen geschützt, daß seine Zeichnungen,
Pläne, Risse, Entwürfe ohne seine
Genehmigung vervielfältigt und ge-
werbsmäßig verbreitet werden. Auch
ist er, solange der wesentliche Inhalt
des Werkes nicht öffentlich mitgeteilt
ist, ausschließlich zu einer solchen
Mitteilung befugt. Die vorsätzliche
oderfahrlässigeVerletzungdieser Rechte
verbindet zum Schadenersatz; der vor-
sätzliche Eingriff zieht eine Bestrafung
nach sich. Ein weiterer Schutz besteht
für die Werke der Architektur nicht.
Insbesondere ist es zulässig, die Pläne
eines Architekten ohne seine Genehmi-
gung baulich auszuführen; ferner ist
es erlaubt, ein fertiges Gebäude in
baulicher Ausführung oder in Abbil-
dungen nachzubilden.
Dieser Zustand wird von Kreisen
der Architekten mit Recht als unbefrie-
digend angesehen.
Man stelle sich folgende Beispiele
vor. Ein junger Architekt beteiligt sich
an einem Wettbewerb für ein monu-
mentales Gebäude oder für ein Wohn-
haus. Sein Entwurf wird in einer Fach-
zeitschrift veröffentlicht. Aus irgend
einem Grunde erhält er nicht den Preis
oder wird sein Plan nicht zur Ausfüh-
rung erworben. Es würde nun heute
zulässig sein, daß ein andrer den ver-
öffentlichten Plan z. B. in einer andern
Stadt ausführt und zwar in vollkom-
mener Übereinstimmung mit dem Ent-
Garderobeständer. Entwurf: Henry van de Velde in Weimar.
Gesetzlich geschützt. Aus dem Hohenzollern-Kunstgewerbehause
H. Hirschwald O. m. b. H., Berlin.
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1904
RUNDSCHAU
HEFT 1
Ornament von Regierungsbaumeister A. Hartung in Berlin.
Der Urheberrechtsschutz der Werke der Baukunst.
Von Dr. Albert Osterrieth in Berlin.
ie neuere Gesetzgebung aller Länder sieht für
die Schöpfer von Geisteswerken einen zeitlich
beschränkten Schutz vor, der dem Urheber eines
Werkes das ausschließliche Recht gibt, das
Werk durch Nachdruck, Nachbildung oder Auf-
führung zu verwerten; außerdem macht sich in neueren Gesetz-
gebungen die Tendenz geltend, auch die idealen Interessen
der Urheberschaft in gesetzlichen Schutz zu nehmen.
In Deutschland ist dieses Rechtsgebiet durch zwei Ge-
setze geregelt, durch das Gesetz vom 19. Juni 1901, betreffend
das Urheberrecht an Schriftwerken und Werken der Tonkunst,
sowie durch das Gesetz vom 9. Januar 1876, betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste.
Der Ursprung dieser Gesetzgebung reicht bis in den An-
fang des 19. Jahrhunderts zurück, wie ja überhaupt der Ge-
danke, immaterielle Güter zum Gegenstand von Rechten zu
machen, erst eine Errungenschaft der neueren Wissenschaft
ist. Infolgedessen haftet aber den gesamten Gesetzen noch
eine gewisse Mangelhaftigkeit und Systemlosigkeit an. Lang-
sam und zögernd haben die Gesetzgeber, den dringendsten
praktischen Bedürfnissen folgend, den geistigen Urhebern einen
Schutz geschaffen. Zunächst waren es die Buchhändler, welche
zur Sicherung des Verlagshandels einen
Schutz gegen Nachdruck in Anspruch
nahmen. Darauf kamen die Urheber
von Werken der vervielfältigenden
Künste, die gleichfalls gegen Nach¬
druck der Holzschnitte, Stiche u. s. w.
geschützt wurden. Ihnen schlossen
sich die Komponisten an, deren Schutz
sich zunächst auf die Vervielfältigung,
später auch auf die Aufführung des
Werkes erstreckte.
Die bevorstehende Revision des
Kunstschutzgesetzes von 1876 gibt den
Künstlern Veranlassung, nachzuprüfen,
ob der bisherige Schutz ausreichend
war und den Bedürfnissen der Kunst¬
industrie und des Kunsthandels, sowie
denen des Kunstwerke kaufenden und
Kunst genießenden Publikums ent¬
sprach.
Ein Blick auf das heute noch in
Kraft befindliche Gesetz zeigt eine
weite Lücke. § 3 des Gesetzes vom
9.Januar 1876 besagt nämlich: »Dieses
Gesetz findet auf die Werke der Bau-
kunst keine Anwendung.«
Damit ist allerdings die Baukunst
nicht für ganz schutzlos erklärt, jedoch
beschränkt sich dieser Schutz auf ein
sehr dürftiges Mindestmaß.
Wie schon erwähnt, geht der
Schutz des Urheberrechts dahin, dem
Urheber eines Geisteswerkes einen
Schutz dagegen zu bieten, daß seine
Schöpfung durch Nachahmung oder Nachbildung seitens andrer
wirtschaftlich verwertet werde. Es soll verhindert werden, daß
derjenige, der nicht Eigenes geschaffen hat, Früchte erntet,
wo er nicht gesät hat, und daß er dem Schöpfer den Ertrag
seiner Werke schmälere. In welcher Weise kann nun der
Architekt seine Schöpfungen wirtschaftlich verwerten?
Zunächst ist es ihm möglich, die Pläne und Risse eines
Entwurfes zu vervielfältigen und im Verlage herauszugeben;
das gleiche gilt von den Zeichnungen und Abbildungen, die
er nach dem ausgeführten Gebäude fertigt. Da diese Form
der wirtschaftlichen Verwertung eines Werkes der Baukunst
dem Buch- und graphischen Kunstverlag am nächsten steht,
so war es für den Gesetzgeber auch naheliegend, dem Archi-
tekten einen analogen Schutz zu schaffen. Demgemäß be-
sagt § 1 des Gesetzes vom 19. Juni 1901: »Nach Maßgabe
dieses Gesetzes werden geschützt: die Urheber von solchen
Abbildungen technischer Art, welche nicht ihrem Hauptzweck
nach als Kunstwerk zu betrachten sind. Zu den Abbildungen
gehören auch plastische Darstellungen.« Es besteht kein Zweifel,
daß dieser Wortlaut sich auch auf Pläne von Bauwerken,
Zeichnungen von Ornamenten u. s. w. erstreckt. Hiernach ist
also der Architekt dagegen geschützt, daß seine Zeichnungen,
Pläne, Risse, Entwürfe ohne seine
Genehmigung vervielfältigt und ge-
werbsmäßig verbreitet werden. Auch
ist er, solange der wesentliche Inhalt
des Werkes nicht öffentlich mitgeteilt
ist, ausschließlich zu einer solchen
Mitteilung befugt. Die vorsätzliche
oderfahrlässigeVerletzungdieser Rechte
verbindet zum Schadenersatz; der vor-
sätzliche Eingriff zieht eine Bestrafung
nach sich. Ein weiterer Schutz besteht
für die Werke der Architektur nicht.
Insbesondere ist es zulässig, die Pläne
eines Architekten ohne seine Genehmi-
gung baulich auszuführen; ferner ist
es erlaubt, ein fertiges Gebäude in
baulicher Ausführung oder in Abbil-
dungen nachzubilden.
Dieser Zustand wird von Kreisen
der Architekten mit Recht als unbefrie-
digend angesehen.
Man stelle sich folgende Beispiele
vor. Ein junger Architekt beteiligt sich
an einem Wettbewerb für ein monu-
mentales Gebäude oder für ein Wohn-
haus. Sein Entwurf wird in einer Fach-
zeitschrift veröffentlicht. Aus irgend
einem Grunde erhält er nicht den Preis
oder wird sein Plan nicht zur Ausfüh-
rung erworben. Es würde nun heute
zulässig sein, daß ein andrer den ver-
öffentlichten Plan z. B. in einer andern
Stadt ausführt und zwar in vollkom-
mener Übereinstimmung mit dem Ent-
Garderobeständer. Entwurf: Henry van de Velde in Weimar.
Gesetzlich geschützt. Aus dem Hohenzollern-Kunstgewerbehause
H. Hirschwald O. m. b. H., Berlin.
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