Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

DOI issue:
Heft 1
DOI article:
Villa Stollwerck in Köln a. Rh.
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0017

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1


Villa Stollwerck in Köln. Architekt: Professor Bruno Schmitz
4. Diele. in CharlOttenburg.
Unter dem erweiterten Treppenpodest liegt zu ebener Erde ein kleiner
ovaler Raum als besonderer Empfangsraum für die Frau des Hauses, mit
zierlichen Möbeln ausgestattet und nach der Diele zu mit einem Vorhang
verschließbar. Über dem Podest steigt das große Rundbogenfenster auf,
welches aus der Mitte der Hauptfront an der Volksgartenstraße in flachem
Bogen vortritt (vgl. Tafel 3). Die Verglasung zeigt in leuchtenden Farben
ein Schiff mit Glaube, Liebe und Hoffnung vor der goldenstrahlenden
aufgehenden Sonne. Die dem Fenster gegenüberliegende Wand schmückt
ein reicher Kamin aus graugrünem Marmor mit Rauchfang aus getriebenem
Kupfer (siehe obige Abbildung). Dessen Rand umzieht auf Goldgrund die
Inschrift: »Mein Wort und Ehr’ — mein Hort und Wehr.« In den Seiten-
wänden der Kaminnische sind die Wappen von Köln und Paris in durch-
brochener Arbeit angebracht. Ein zierliches Gitterwerk aus vergoldeter
Bronze mit zwei Beleuchtungskörpern bildet den oberen Abschluß der
Nische unter der vorspringenden Brüstung der Galerie, auf deren Pfeilern
zwei aus Holz geschnitzte Figuren »Deutschland« und »Frankreich« stehen.
Vom Kamin links in der Längswand öffnet sich der Eingang zum
Speisesaal, rechts die große Glastür zum Musiksaal (vgl. Tafel 4). Der
Speisesaal ist mit flachem Gewölbe überspannt, in das sechs Stichkappen
einschneiden. Seine Wände sind mit glatter grünlackierter Holztäfelung
bekleidet, deren Profilleisten vergoldet sind und deren oberen Abschluß
ein goldener Mäanderfries bildet. Die Decke ist zwischen den Kappen
mit streng stilisierten Frauengestalten in flacher Antragearbeit geschmückt,
von denen Bänder ausgehen, welche sich verschlingend die Fläche füllen und
die drei Rosetten umschließen, aus denen die Beleuchtungskörper herab-
hängen, deren Behänge aus opalisierendem Glas die wundervolle Wirkung
von glitzernden Tautropfen geben. Die Mitte der Wand an der einen
Langseite nach der Anrichte zu nimmt das eingebaute Prunkbüfett ein,
die Mitte der Schmalseite nach der Diele zu ein bis zur Decke reichender
Kamin aus grauem, weißgeädertem Marmor. An der andern Längswand
(vgl. unten) öffnen sich drei mächtige Korbbogenfenster mit reichster farbiger
Verglasung nach der offenen Gartenhalle und an der dem Kamin gegen-
überliegenden Stirnseite führt ein phantastischer Portalaufbau mit vergoldeter
Bekrönung in den Wintergarten.
In der Ecke neben dem Speisesaale und der Anrichte liegt das mit
graugebeiztem Eichenholz getäfelte Billardzimmer. Hier sind
in Flachschnitzerei nordische und gotische Motive, Tierstücke und
Jagdszenen angebracht, die Türen mit großen Eisenbeschlägen
geschmückt, die Decke mit gewölbter Holzbalkendecke versehen.
Ein spätgotischer Messingkronleuchter hängt über dem Billard,
das nordisches Flechtwerk an Füßen und Wangen zeigt.
Auf der andern Seite liegt zunächst der im Grundriß als
Gemäldesalon bezeichnete Raum. Seine Wände sind mit grau-
grünem Seidenrips bespannt, die Decke ist mit reichem Band- und
Rankenwerk in Stuck im Charakter des 18. Jahrhunderts überzogen.
Der rote Saal ist als vornehmster Empfangsraum in kräftigen
Farben gehalten und mit reicher Vergoldung versehen: das Holz
der Wandteilungen und der Decke ist rotbraun, die Stofffüllungen
tiefviolett, der Kamin aus schwarzem Marmor mit weißen Adern.
Vier Kronleuchter mit reichem Prismenbehang spenden strahlen-
des Licht. Die Felder der Kassettendecke sind mit Malerei ge-
schmückt, die Hauptbalken derselben mit reichem Ornament und
die Supraporten mit Kartuschen, die figürliche Darstellungen
umschließen.
Den Höhepunkt der Prachtentfaltung aber bildet schließlich
der Musiksaal (Tafel 4). Seine Wände sind mit Onyx belegt, die
gewölbte Decke vergoldet und die Wand- und Deckenflächen der
Apsis mit Goldmosaik belegt. Das Glasfenster zeigt auf tief-
blauem Grunde die Gestalt der Poesie, umgeben von zwölf her-
vorragenden Tondichtern. Die großen Bilder der Decke stellen
Harmonie und Tanz, die vier Randbilder Götterdämmerung,
Siegfried, Walküre und Rheingold dar. Unter der Decke zieht
sich ein Schriftband hin mit dem Text des Gesangs aus den
Jahreszeiten von Haydn: »Die Himmel rühmen des Ewigen
Ehre.« Darunter sind die Noten in den Onyx eingegraben und

vergoldet. Den untern Ab¬
schluß der Onyxfläche bil¬
det ein Fries kränzehalten¬
der Putten, hergestellt aus
Mosaikeinlagen in den
Onyx.
Die realistischen Ge¬
stalten der Tondichter im
Fenster und die recht tri¬
vialen Schwäne auf den
dunkelblauen Samtbezügen
der an den Längsseiten
stehenden Ruhebänke mu¬
ten uns in dem märchen¬
haft gestimmten Raume
und seiner zauberhaften
Pracht recht seltsam an.
Ein Blick auf die Entwurfs¬
skizzen zeigt uns auch, daß
beides nicht ursprünglich
geplant war, und läßt hier
andern Einfluß vermuten.
Das Obergeschoß ent¬
hält die Wohnräume des
Hausherrn und seiner Gat¬
tin, einfacher gehalten und
nach deren besonderer
Neigung ausgestattet, so¬
wie Schlafzimmer, Salon
und Bad für einen Gast.
Die Erd- und Maurer¬
arbeiten wurden von Jos. Boos in Köln, die Steinmetzarbeiten von C.Winter-
helt in Miltenberg a. M. ausgeführt.
An der Ausführung der inneren Ausstattung waren vorwiegend Ber-
liner Künstler und Kunsthandwerker beteiligt. Die Wand- und Decken-
malereien führte Professor August Unger aus, einen Teil der plastischen
Arbeiten Professor Christian Behrens in Breslau, andre Boswau & Knauer
in Berlin. Die vorzüglichen Tischlerarbeiten der meisten Prunkräume fertig-
ten Kimbel & Friederichsen, Berlin, während H. Pallenberg in Köln das
Musikzimmer lieferte. Die Glasfenster wurden von Paul Förster, die Be-
leuchtungskörper von H. Frost & Söhne und die reichen Stickereien von
Marie Kirschner ausgeführt.
Die formvollendete und mustergültige Durchführung der Arbeiten legt
für das Können der Gegenwart ein vortreffliches Zeugnis ab. Der Reich-
tum der Formen und die strotzende Pracht der innern Ausstattung, von
der sichern Hand des schaffenden Meisters überall in den Grenzen ge-
diegener Vornehmheit gehalten, regen unwillkürlich zu Vergleichen an
zwischen dieser hervorragenden Schöpfung für einen der ersten deutschen
Großindustriellen der Gegenwart und den stolzen Patrizierhäusern der Ver-
gangenheit, wie sie im Pellerhaus in Nürnberg und einigen wenigen andern
Beispielen aus der Zeit der Renaissance und des Barock, u. a. auch in den
Stadtkurien in Münster i. W. uns erhalten geblieben sind.
Mag deren Charakter einheitlicher und trotz aller Pracht hie und da
selbstverständlicher erscheinen als die Prunkräume der Gegenwart, bei
denen der Gegensatz zu den eigentlichen Wohnräumen der Besitzer oft
stark hervortritt, so brauchen die neuen Schöpfungen doch nicht mehr
hinter ihnen zurückzustehen in Bezug auf eigenes Gestaltungsvermögen
und künstlerische Farbengebung, wie noch vor wenigen Jahrzehnten selbst
die ausgewähltesten Leistungen unsres Kunstgewerbes, die uns heute —
wie die unvollendet gebliebene Einrichtung des obern Geschosses der Burg
Trausnitz bei Landshut für Ludwig II. von Bayern — als kraft- und saftlose
Schemen anstarren.
Möge unsern Künstlern nur öfters Gelegenheit geboten werden, mit
solchen Mitteln und so weitgehender Freiheit ihre Gedanken zu verkörpern,
so werden wir bald eine Reihe Schöpfungen aufweisen können, die auch vor
der Nachwelt den Vergleich mit der großen Vergangenheit bestehen kann.


Architekt: Professor Bruno Schmitz
in Charlottenburg.

Villa Stollwerck in Köln.
5. Speisesaal.

w
w
' 1
Ü
gk'V]


7
 
Annotationen