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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 5
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Wohnhaus des Herrn Max Wilke in Guben
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Leixner, Othmar von: Kirchenbau und Stimmungsarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0045

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5

Das Wohnzimmer ist durch eine
Galerie mit dem Blumenzimmer und Win-
tergarten verbunden. Die Wendeltreppe
im runden Türmchen führt zu den im
Obergeschoß liegenden Zimmern der
Hausfrau.
Vom Blumenzimmer öffnet sich eine
Tür auf die langgestreckte offene Terrasse,
die über der Kegelbahn bis zum Pförtner-
hause hinführt (vgl. die Abb. auf S. 33) und
von der eine Freitreppe zum Garten hinab-
geht. Unsre Abbildung zeigt, wie ge-
schickt die Architekten es verstanden
haben, durch eine anmutige, vollkommen
natürliche und ungekünstelte Anlage
ohne jeden Formenaufwand, unter Zu-
hilfenahme von Spalieren u. s.w. die lange
öde Grenzmauer zu verdecken und Haupt-
gebäude und Torhäuschen ungesucht zu
verbinden.
Die äußeren Wandflächen des Haupt-
gebäudes sind in roten Backsteinen aus-
geführt, die ArcTiitekturteile in Sandstein,
die Dächer mit Schiefer eingedeckt. Bild-
nerischer Schmuck ist nur äußerst spar-
sam verwendet und auf wenige Stellen,
den Haupteingang, den Giebel über den
Zimmern der Hausfrau und die Brüstung

Wohnhaus des Herrn Max Wilke in Guben. Architekten: Spalding & Grenander in Berlin.
7. Perspektivische Ansicht.


des Blumenzimmers beschränkt, in den Einzelheiten aber desto
vollendeter durchgeführt. Dies zeigt auch die Abbildung der
Eingangspforte am Pförtnerhaus, deren kunstvoll geschmiedetes
Eisengitter zu den besten Leistungen des Berliner Kunstge-
werbes auf der Berliner Kunstausstellung des Jahres 1902 zählte.
Wie das Hauptgebäude sind auch die Fronten des Pförtner-
hauses aus roten Backsteinen aufgeführt und die Dachflächen
mit Schiefer eingedeckt. Besondern Reiz verleiht dem kleinen
Bau die Bekleidung der obern Wandflächen mit Hängeziegeln


und die reichliche Anwendung weißlackierten Holzwerks für
die Profilierungen der Dachgesimse und für die reich ausgebil-
dete Holzarchitektur des offenen Vorbaus (Loggia) der Pförtner-
wohnung und für die Brüstung über der Einfahrt. Die kupfernen
Dachrinnen und Abfallrohre sind teils vergoldet, teils rötlich
und grün getönt.
So bietet die ganze Anlage im Verein mit dem sorgsam
gepflegten Garten und Park ein anmutiges Bild, eine wohl-
gelungene Schöpfung recht aus einem Guß und mit allen
Mitteln feinen Empfindens und künstlerischen Könnens durch-
geführt in wohltuender echter Vornehmheit.
Bei der Ausführung waren u.a.beteiligt: Hofsteinmetzmeister
Schilling (Sandsteinarbeiten) und Bildhauer Alb. Kretzschmar
(Stuck), Kimbel & Friedrichsen und Siebert & Aschenbach
(Tischlerarbeiten), Ferd. Paul Krüger (Kunstschmiedearbeiten),
sämtlich in Berlin. Die Warmwasserheizungsanlage ist von
Angrick in Guben ausgeführt. Die Baukosten betrugen rund
300000 Mark. Z.


Kirchenbau und Stimmungsarchitektur.
Von Othmar von Leixner.

eit den Anfängen der Kunst steht der Kultbau an erster
Stelle in der Architekturgeschichte als monumentaler
Ausdruck des jeweiligen Religionsgedankens. Als
solcher bildet er den Höhepunkt idealen künstlerischen Schaffens,
die großartigste gewaltigste Aufgabe auf dem Gebiete der
Stimmungsarchitektur. Der Innenraum des Kultbaues soll den
Gläubigen sowohl als den Ungläubigen die alltäglichen Ge-
danken vergessen machen, damit an deren Stelle Ruhe, Frieden
und Glaube treten. Die Kunst muß hier ihre höchste Ausdrucks-
fähigkeit erhalten, der Bau als solcher dem Besucher Stim-
mung bringen, Stimmungen fördern. Deshalb tritt der Wandel
der religiösen Anschauungen in der Gestaltung des Kultbaues
deutlich zu Tage oder wie Reichensperger in seinen Aufsätzen
sich ausdrückt, die kirchliche Kunst hält gleichen Schritt mit
den unterschiedlichen Zuständen, denen der Menschen Seele
unterworfen ist. Immer strebt der Mensch, seine tiefsten Ge-
danken in der Welt der Anschauung zu verkörpern, und legt
dadurch Zeugnis ab von dem, was ihn beseelt, was den Inhalt
seines Lebens ausmacht


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