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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 5
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Gruner, Otto Rudolf: Dekorative Bildhauer- und Antragearbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0049

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5

Kartusche. Bildhauer: H. Hasenohr in Dresden.


Dekorative Bildhauer- und Antragearbeiten.

ist eigentlich nur selbstverständlich, daß die neue
Q Richtung und Bewegung in der Baukunst sich auch
auf die ihr nahe verwandte Bildhauerkunst übertragen
mußte, mindestens wird man das für den Zweig, der mit der
Architektur unzertrennlich zusammenhängt, für die dekorative
Bildhauerei, ohne weiteres zugeben müssen. Bei der Unter-
suchung der Erscheinungen, die unter den neuartigen Einflüssen,
um nicht zu sagen: durch den modernen Stil, gezeitigt worden
sind, kann man mit der Anerkennung nicht zurückhalten, daß
eine große Zahl von Bildhauern mit vollem Verständnis an
diese neuen Aufgaben herangetreten ist und daß auch viele
Arbeiten bisher geliefert wurden, die nicht bloß der Losung:
»Los von der Tradition!« entsprechen, sondern als absolute
Kunstwerke bezeichnet werden dürfen. Es sind nicht bloß

iw
1

neue Gedanken, neue technische Behandlungsweisen, neue
Licht- und Schattenwirkungen gefunden worden, sondern es
sind auch neue Etappen auf dem Wege zur Schönheit zu
verzeichnen. Von dem schulmäßigen Begriff muß man sich
freilich dabei, wie der ganzen neuen Richtung gegenüber, frei-
machen, wenn man den Leistungen gerecht werden will; an
Stelle der Autorität ist auch in der Dekoration vielfach das

Individuum mit seiner eigenen Gesetzgebung getreten, an
Stelle der Stilein- und -reinheit der Charakter, die Stimmung,
die Harmonie. Dafür haben wir aber der Phantasie und dem
künstlerischen Gefühl nun auch auf diesem Gebiet die Tore
geöffnet, und an den Künstlern wird es sein, das Schillersche
Wort von der Menschheit Würde zu beachten. Daß man
für einzelne Zweige moderner Dekoration auswärtige oder
antike Vorbilder glaubt nachweisen zu können, für das Flächen-
relief auf Gesimsgliedern z. B. Nordamerika bezw. Baalbek,
kann der Brauchbarkeit der neuen Manier keinen Abbruch tun;
die Motive sind neu und die technische Ausführung steht
hinter den Vorbildern nicht zurück. Ein hervorragendes Beispiel
einheitlicher Behandlung moderner Architektur und dekorativer
Bildhauerei bietet die wieder erbaute Kreuzkirche in Dresden.
Von den dort beschäftigten Bildhauern hat Ernst Hottenroth
in Dresden einige seiner Arbeiten nebst verschiedenem andern
in dem Werke: Emst Hottenroth, Ausgeführte dekorative Bild-
hauerarbeiten (Verlag von Karl SchoItze in Leipzig), dem die vor-
stehenden Abbildungen entnommen sind, veröffentlicht. Wenn
auch nicht die bedeutendsten Arbeiten (wie die vier Evange-
listensymbole oder der Engelchor der Orgelempore), sind sie
doch von hohem Interesse wegen der kirchlichen Stimmung, die
darin zumeist angestrebt wurde. (Die zärtliche Szene zwischen
Frosch und Eidechse gehört nicht in eine Kirche!) Rühmend
zu nennen sind auch die Band- und Groteskornamente für
den Müllerbrunnen in Plauen bei Dresden, während wir uns
mit den Evangelisten-

Kartusche. Bildhauer: H. Hasenohr in Dresden


Symbolen für Kloster-
grab nicht zu befreun-
den vermögen. Eine
Figur in der hocken-
den Stellung des an-
tiken Schleifers, mit
einem gramdurch-
wühlten Gesicht, ist
kein Engel, und ein
Adler, dem die Beine
aus der Brust wach¬

sen, kann auch
im Himmel nicht
fliegen. Desto
schöner—wenn-
gleich etwas kon-
ventionell— sind
die konsolenbil-
denden Engel-
figuren für die
Kirche in Plauen.
Die Seraphini-


Fensterbekrönung.

Bildhauer: H. Hasenohr in Dresden.

köpfchen derselben Kirche begegnen uns dann wieder — im
Zentraltheater in Chemnitz, gewiß eine starke Deplazierung;
mit den Flachreliefs in diesem Theater (Orpheus, Diana, Opfer-
und Satyrszenen, bei denen auch eine Figur mit allen Engels-
emblemen beschäftigt ist) vermögen wir uns weder nach In-
halt noch Form zu befreunden. Der Beschauer weiß nicht,

ob dieser archäische Stil ernst gemeint ist, ob er naiv oder
komisch aufgefaßt sein will. Im allgemeinen charakterisiert aber
der Inhalt der Mappe die neue Richtung recht treffend.

Haben die bisher besprochenen Arbeiten als Material zu-
meist Sandstein zur Voraussetzung, so hat die dekorative Bild-
hauerei unsrer Tage sich doch auch wieder einem ganz

andern, lange vernachlässigten Material zugewandt, wir meinen
den Fassadenputz oder Wetterstuck der Antragarbeiten. Diese
Technik war (wenigstens in den sächsischen Städten) etwa in
den Dreißigerjah¬
ren des vorigen
Jahrhunderts zu
Grabe gegangen,
nachdem ihre letz¬
ten Proben: aus¬
geschnittene geo¬
metrische Muster,
z. B. an den Ge¬
bäuden der Fun-
kenburginLeipzig,
durch die Hände
und Taschenmes¬
ser der Putzmaurer


Detail von der Kreuzkirche in Dresden.
Architekten : Schilling & Oräbner in Dresden.
Bildhauer: Ernst Hottenroth daselbst.

entstanden waren.
Sie hat jetzt eine
meistens recht erfreuliche Wiederbelebung erfahren und sie wird
an Bedeutung noch gewinnen, wenn der künstlerische Wert des
Putzbaus für unsre bürgerliche Baukunst erst in seinem vollen
Umfange wieder erkannt und gewürdigt wird. Sehr wichtig für
ihre Weiterentwickelung ist es aber, daß ihre Eigenart stets im
Auge behalten wird und ihr nicht etwa Aufgaben angesonnen
werden, die dem Wesen und der Natur des Materials wider-
streben. An eine Konkurrenz mit der Sandstein- oder Stuck¬

dekoration darf bei Antragarbeiten nicht gedacht werden; es
sind von Haus aus aus der Fläche heraus modellierte Flach¬

reliefs, die überall ihren Zusammenhang mit dem Grund be-
wahren sollen, und wenn sie stellenweise durch stärkeren
Auftrag hergestellt werden, sind doch Unterschneidungen zu
vermeiden. Dieses Umstandes muß der Bildhauer sich nament¬

lich dann bewußt bleiben, wenn er das Modell dazu in Ton
anlegt. Als Gegenstand eignen sich am besten sanft gewölbte
Flächen, wie sie durch Ausstreichen des breiartigen Mörtels
mit Spachtel oder Modellierholz entstehen; scharfe, kantige
Linien, z. B. die Stengel oder Rinde von Kletterpflanzen, sollen
möglichst durch dreieckigen Querschnitt gebildet werden:
scharf eingerissene Linien sind der Natur des Materials ange-
messen. Zur Herstellung solider Arbeit ist es nötig, die
Mauer bis auf die Fugen frei zu legen, ein Anträgen auf den

Fries. Bildhauer: H. Hasenohr in Dresden.


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