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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

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Nr. 228-254 (1. Oktober 1919 - 31. Oktober 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0243
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Beilage der Vadischen Post Nr. 239

70 Iahre innere Mission in
Baden

Steht man auch heute noch zu der Anschauung
Ioh. Heinr. Wicherns, des Eründers der Jnneren
M'ssion. es sollte die Arbeit derInneren Mis-
iion unmittelbar von der Kirche felbst betrieben
wsrdeii, ui'd nicht von mehr'oder meniger freien
Vereinen aus. so kann man sich dessen nicht vcr-
ichliehen. wie Erostes diese Vereinstatigleit. auch
ihr Zweiq in Baden. im Laufe der 70er Aahre
aeleistct hat. Maq dies ein kurzer Ueberblick auf
einzelne Bcstrebnnaen und den ihnen dienenden
Anstalten crläutern.

Da wärL zu uennen die Arbeiterkolonie
IuA enbu ck. die schon ehe das heute so wilde
b>e,pen,t der ArbeitsuiuviMakeit um sick, ariff. de-
nen wieber^den Wert der Arbeit beibrinaen sollte,
die ihren Seaen verlernt hatten. Eeariindet wurdc
,ie 1884 von evanaelischer Seite. wird aber par>-
tütisch aeleitet und uufaesucht. Leide'r trifft freilich
zu. was in einer Beschreibuna zu lesen stceht: ..Sie
ü!bt den arbeitslosen Wanderern Unterkunft und
Beschäsiiauna. wird ubcr änastlich, aemieden von
Stromern uud Bettlern. da mau dort Arbeit. aber
ieinen Schnaps findet." Jmmerhin war diie Ko-
lonie im Jahre 1905 z. B. voi: 181 Kolonisten be-
sucht.^ Dies- Zahlen werden sich im Krica verrin-
aert haben»heute dürften ste eher aröster. als tlei-
nsr sein. Mit einer solchen Kolonie wird freilich
d^s hier lieaeiide soziale Problem nicht restlos ae-
lo,t. heute weniaer denn je. Aber aelinat es auch
uur in ileinem Mas;e. Vorbestvafte auf gute Weae
zu brinaen. Uiibestraft>e vor Verbrechen und Strafe
zu schühen. so ist das allcin schon ein Stück Da-
leiiisber^chtiauna. Und da in der Regel der arö-
stere Tei! seine Zeit aushält und nur der kleinere
zu den ..Schinerzenskindern der Anstalt" gehört.
die .die Anstalt als Erholunasstation betrachten
und sobald sü» sich von ihren Wanderstrapazen er-
^st.lraben. aereinigt sind und frische Kleider und
Wa,che b-sthen. wieder weiter ziehen". so darf
von einem Segen wohl gesprochen werden.

Aus ühnlicher Erundläge liegen sodann die E r-
zrshunasansta lten für Knaben auf dem
schwarzacher Hof uno für Mädchen in
Bretten. Verde Häuser in schöner srejer Lage
gelegeir. bildon heute Lcveits schon einen Hüuser-
lomplex. Schon ein äusteres Zeichen ihres Wachs-
tums! Das darf uns natürlich nicht eitel Freude
erwecken. ist doch jcder Stein ein Stück Anklage
fur die mcnschliche Gesellschaft! Und doch wird
man sich sagen müssen. die rund 120 Zöalinge. die
sr Schwarzach-er Hof bei Aalasterhausen anfneh-
taiin. die 170 verfüabaren. wenn auch z. Zt.
nur mit 100 Asädchen desehten Stell-en des Mäd-
ch-'ib«. u.s zu Bretten werden auch durch eine in
fsainilirnlreis versuchte Zürsoraeerziehmia nicht er-
sctsi werden rönnen. Es wird immer jun.ae Men-
.chei'.tiiider a.lien. die — abgesehen. dast es auch
mc'ir an acciancten willigen Zamili-.'n fehlt —
ausjerhcilb c-iner siamilie iin Rahmen einer arvste-
ren Schar ahnlich gearteter Eenossen wieder auf
dessere Bahnen zu bringen siud. Das; di-es Z'el
osi alten Enttäuschun.qen und trüben Ersahrungen
dennoch mancherseits erreicht wurde und erreicht
wird. ijt unbestreitbar. Familienfürsorae wird
dan.bcn iminer als beste ..Korrekturanstalt aller
mciischlichen Schäden" auch hicr weiterhelfen köu-
nen und müssen.

Roch uncntbehrlicher stnd dann die Heilan-
stalten des Landesvereins für Innere Mission.
Deim d'.e Eeistesschwachheit lästt sich von einem
aewissen Erad an nur selten noch im Hause pfleaen
ooer gar lindern. von Heilen zu schweiaen. Auch
ber Schu'unterricht nümte unterbleiben. währond
lii Ak osba ch. wo der Verein seit -1880 die Er -
ziehunas- und Pflege<rnskalt für
Geiitssschwache betreibt. auch an Schulbil-
duna erreicht wird. was immer sich ecreichen lä«t.
Sollten doch überhaupt ursprünglich nur bilduuas-
lahige Kmder aufgenommen werden. bis man ein-
lah. die Not der Nichtbildungssähiaen wäre noch
we t gröster. Vedenkt man. dast über ein balbes
Daui-nd Kinder innerhalb der ersten 25 Iahre
des Bestehens auiaenommen und verfleat wurden,
°u-,7?^'''^'cht berechnen. wie sich heute das
«ttd aestaltet haben mag. Das erste Tausend
ourste reichlich überschritten sein. Aehnlich lieaen
die Dinae inKor k. der Stätte zur Pflege der
ll/'.^a e n. Jünger an Iuhren. im Iahr
, '"b ^ben gerufen, nimmt ste auch Er-

Neudietrichsdorf

lFortsehung statt Schlust)

. Kunst uiid Arbeit füllts das Leben der Neu-
dretr chsdörfer. Aber nicht ganz. auch das st i l l e
Eluck am heimischen Herd im Kreise der Fa-
mttie und ort war es auch. wo das lehte wuchs.

die Neubietrichsdörfer zu dem starken Ee-
Ichlecht machte, das sie waren. Eine gesunde
,5 r o ni m r g k e i t blühle an diesem heimischen
Herde und rankte sich in die Höhe daran bis hin-
aus in das Blau des Himmels. Sie hatten auch
ihre Kirche. Aber wie beim Bauen der Häuser
waren sie auch h.er der Anschauung. von innen nach
aichen baue ,ich auch die Frömmiateit der Menschen
am echtesten auf und nicht umaekehrt. Der Eang
nach rhrer seibstentworsencn. selbstgebauten und
selbgezierten schlichten Kirche war ein schöner
Brauch, weil die Väter ihn in das neue Dorf aus
alten Dörfern mitbrachten und die. so ihn nicht
mehr oder iroch nicht pflegten. diesen Brauch all-
mählich annehmen und schätjen lernten. Nicht min-
dsr aber deshalb. weil sie in ihrem Pfarrer einen
beratenden Freund hatten. der nicht mehr sein
wollte, als die andern auch und der sie verstand,
cben auch von innen nach austen! Er war aus
ganz anderem Eau hergekommen, aus städtischen
Aerhältiiisseii, aber lange genug auf dein Dorf ge-
wesen, um die Dorfseele zu keunen und zu lieben
uud jhron Glanz aus vielem Schutt doch ans Son-
nenlicht zu brinaen. Darum aingen sie 'auch zu
. thm in die Kirckie und lernten durch ihn den Kirch-
gang um der Geme'nschast willen zu pflegen und
nicht irin des Einzeliien willen. Und der Einzelne
pftegte auch die E.'meinschaft im Hause und dort

Nr. 3

wachsene, diese nrit in erster Linie. auk. Andert-
halb Hundert oder mohr finden dort. was ste
ebcnfalls im Fainilienkreise nur unter aünstlgen'
und feltenen Ausnahmen finden könnten. dauerndr
Pslege. Dak auch diese Anstalten. zwar auf evan-
gelischer Grundlage beruhend. ihre Tove für aM
Konfessionen öffnen. ist wohl nicht notwendia. be-
sonders zu erwähnen.

Das aleiche ist auch bei dem Versorgungs-
h a u s in Handschuhshei mder Fall. jenem
vcrhältnismästia iungen Unternehmen. oas jungen
ledigcn Müttern zunächst ein Unterkommen gewäh-
ren will. dann aber auch beabsichtigt, die morä-
lischen Folgen des Fehltritts zu heilen.

Mit all diesen aenannten und den unaenannten
Unternehmen ähnlicher Art. die loser oder enger
mit dem Badischen Landesvercin für Innere Mis-
siou vecbunden sind. ist desten Arboit aber nicht
erschopft. Vorbeuaen ist auch hier das wichtigere
Ziel! So ailt es dns Leben zu beeinflusten. und
zwar an der Stelle. wo «s sich beeinflussen lästt.
wo wir nicht einfach dem Eetriebe und Geschiebe
unkenntlicher Mächte preisge<:ebeii sind. an der
Seele des Einzeliicn. Darauf hinzielen die Ver-
breituna a u t e r S ch r i f t e n. ferner die A r-
beit des Evanaelischen Presjever-
bande s. die persönliche Wirksamkeit der
Stadtmission. die austerkirchliche und anster-
staatliche I u ae n d e r z i h u n g in Vereinen für
Knaben und Müdchen. die von der Inneren Mis-
sion zuerst aepflegt. in erweiterter und oft auch
zweckmästiaer Weise von andern Verbänden über-
nommen wurden. Dahin aeht alles. was auch
hier aegen die Trunksucht. ja Alkoholis-
mus geschieht. der die Wurzel d>.r Truiusucht ist
und der erst.bescitiat wcrden must. ehs jede Trunt-
suchtsbekämpsuna überhaupt einen Sinn und einen
Zweck hai! Dahin aeht der Kampf gegen
Schund inWort und B i ld. in Kino und
mitunter auch T h e a t e r.

Waren daruuf die Arbeiten des Landesvereins
binnen 70 Iahreu in zunehmeiider Weise einge-
stellt. so brachts bc.areülicherweiie der Kriea und
brinaen die Iahre nacki dem Kriege neue Au.fga-
ben. Heute wird ia »ckmand bestceiten. wie sehr
dre Iugend von heute in ihv-'r Gesittung
aesunken ist. Heute wird auch iiiemarid be-
streiten. wie sehr auch iörperlich dre heran-
wachsende Iuaend aefährdet und wie schr Ab-
hilfe durch aesunbe Fürsorge vonnoten ist. Die
Stadttinder auss Land zu briiiffcn. ist ein nicht
einsachcs Unternehmen. Der erste Versuch schon
schien sehlzuschlaaen. Die Gcgensähe selbst untcr
der Iuaend waven zwisch.'ii Stadt und Land zu
arost. Aber unverdroiseii aeht dicse so notwendiac
Arbeit weitcr. man hat auch hier an dcn Fehl.'rn
gelernt. Schliestlich srnd für die Alten neue
E r h o l u n a s st ä t t e n nicht miuder nötia ae-
worden. Vor allem w'll die ..E h a r l o t t e n -
r u ü e" in Herrenalb eines der jünasten Kin-
der des Landesvere ns für Innere Mistion hier-
für ihre Hallen öffncn. woscltst daneben «uch vcr-
schiedene Lehrlurse für allcrlci christlich aesiniinte
Kreise stattfindcn. Und das allerjünaste Kind
des Vereins tritt in unfern Tagen erstmals ins
Leben. die D i a t o n e n a n st a l t auf dem be-
rcits erwähnten Schwarzacher Hof. Hier
sollen junae Münner für den Dienst der Innern
Mistron. als Gcineindebelfer. Iuaendpfleger. Ver-
ernssekretüre nnd dergl. ausgebildct werden.

Neichlich ist wahrlich der we 1e Kreis der Werke
und dec Vestrebnnaen dec Innern Mistton. Wohl
darf sie ittcmals verqessen. was ihr schon an ner
Wiegö aesunaen worden ist. »ämlich ihren Vecuf
darin ?.u erblicken. ..sich überflüssia zu machcn".
Es wird noch lange wühren. bis dies erreicht ist.
Bvs dahin hat sie sich an ein anderes Wort
halten. das in keiner Werse im Widerspruch dazu
zn stehrn braucht. das Wort des ^chwaben und
Misiivnssreui'.dcs Gustav Alb'.rt Werner:

„Was uicht zur Tat wird. das hat keine« Wrrt!"

Die Vorlage des Cvcmg. Ober-
kirchenrats an die autzerordent-
liche Generalsynode 1919

Der austerordentlichen Eeneralslinode werden zur
verfastunasmästiaen Beschlustfastuna solaende Ent-
würfe vorgeleat werdcn?)

*) iSe sind in erster Linie das Werk des Kam-
merstenoaraphen und früheren Psacrcrs Ernst Frey.

waren deirn auch die Wurzeln dec relia'iösen Ge-
meinschaft gewachsen. Und dieser Brauch war durch
keine Arbeit zerrüttelt. An einem Sonntag hat
man noch keinen NeUtdretrichsdörfer arbeiten schen.
Und wenn Feierabend war, dann brannto das
Licht nicht mehr der Arbeit wegen. sondern der
geistiaen Erholuna, der häuslichen Erbauung oder
der Pflcge der Kunst zuliebe, und der Strahl des
Lichtes brach stch im Widerschein strahlender Äugen
von stillen glücklichen Menschen.

Ach, es gab auch friedlose und unglückliche Men-
schen, es gab aber ke-ireii. dcr nicht in der Eerneln-
schaft der andern staiid und an dein nicht die Ge-
meinschaft arbeitele. Eanz Unverbesserliche hielten
cs nicht auf die Dauer aus und wanderten aus.
Aus diesem Grunde «ber waren es nicht vtele. dis
drausten anzutreffen waven. Wsn man drausten
traf, war entweder kein echtcr Dietrichsdörfer. oder
er war einer, der der Heiinat Ehre brachte und
ihren Ruf übers Weltmeer trug. Ach noch war «r
ja die schlimine Zeit, dast nach Beendigung des
grosten Krieges durch die Schuld des eigenen Vol-
kes die besten Söhne hinausmustten iiber See und
in fremde Fron. Hätten sie alle so gearbeitet und
so gelebt, wie in Neudietrichsdors. bald wären aüe
Spuren des Krieges verwischt gewesen tn Deut»
schen Landen!-

Drum brachte auch .das politisch« Leben
keine Störun^in die Vemeiiide. Die MSnner,
wie die Frauen hatten zu viel gelernt und gelesen.
nicht blost aus Bllchern, auch aus dem Leben. Die
Männer lernten es kennen im Dienste der Deut.
schen Wehr. wie man nunmehr die Soldaten
hieh, und die Frauen im „Hausjahr". wonach
die Mädchen vor Beendigung des 21. Jahres ver-'

1. einer Verfastuna für die evana.-protestant'sche
Kirche Ba-dens.

2. etnes Einfiihrunasaefestes hierzu.

3. einer Kirchenaemeindewahlordnung nach dem
System der Mehrheitswahl.

4. einer solchen nach dem System der Verhältnis-
wahl.

6. einer Pfarrwahlordnung.

6. einer Lehrerwahlordnung für die Wahl von
Reliaionslehrern und Reliaionslehrerinnen
zur Bezirkssynode.

7. einer Wahlordnuna für die Wahl der Abge-
ordneten zur Landessynode.

Den dazu vom Evang. Oberkirchenrat gegebenen
Erläuterunaen entnehmen wir folgende. allgemein
zu wisten wertvolle Säste:

..Eine Umaestaltung der Verfassung im Sinne
nieuzeitlicher Forderungen war schon vor dem
Krieg in Aussicht genommen worden. sie hatte aber
wege„ des Krieges zurllckgestellt werden müssen.
Durch die Staatsumwälzung vom 9. November
1918 wurde sie dringlich, weil die Kirchr ihren
Landesbischof und damit ein wesentliches Stück ih-
rer bisheriaen Berfassuna verlor." Nach Schilde-
runa der durch das provisorische Eesest vom 20. No-
vember 1918 entstandenen und in den lestten Mo-
naten mehrfach daraestellten Nechtslage. wonach
die kirchliche Reaicrunasaewalt vom Erostherlfog
vorläufig aus dcn Oberkirchenrat überaina. lästt
die Vehörde sich weiber vernehmen: ..Die wich-
t'.gste Frage diescr Umgestaltuna (der Verfassung)
ist die Bilduna der Kirchenreaierung". Dabei ist
es besonk^rs wertvoll. zu erfahren. wie die Be-
hörde aründsästlich die Lage betrachkrt. ja dast sie
selber sich bewustt auf den Boden der Nolkskirchs
stellt. Denn anch für sie ..unterlieat es teinem
Zwe.sel. dast die Kirchengewalt an die Kirche
felbst. d. h. an die Eesantthcit der in den Ee-
meinden zusamnrenaefastten Mitalicder derseben
zurückaesallen ist. Als deren Organ ist zunächst die
gewählte Laiideskirchenvcrtretuna sSynode) an-
zusehon." — Dem midersprrcht nicht. dast einstwei-
len dennoch eine Kirchcnreaierung ini Hauptamt
die Goschästc siihrt. denii die Erläuteruna des
Oberkirchenrats hat durchaus recht, däst eini.qes
Sachverständnis immerhin dazu aehöre. eine groste
Kirche zu letten und dast mun bei eincr kleinen
Eeme.nschaft allenfalls. aber nicht bei einer Lan-
destirchs eine rcin synodale, d. h. aus der Sy-
node hervoracaaiiaene Verwaltunqsbehörde brau-
chen könne. Darum soll ein Oberkirchcnrat auch
bei dcx ncuen Verfasi'uiia die Geschäfte sühren.
Freilich nicht die Kirchenr<a erunq allein durch
sich übernehmen. Zu dieser eiacntl!^'-! Kirchcn-
regieruna soll der Oberkirchenrat blost dcn Präsi-
dsnten. seinen Stellvertreter und den Prülaten
stellen. d e Lundessynode daaeqen 5 Mitali-der.
sodast das synodale Moment deutlich aewahri
bleibe.*)

Einen Vischof an die Spiste der Kirche ?,u stel-
len. .ehnt der bebördlickie Eniwurf zunächst ab
schlicstuna dex Landest rch n zu einem Ende ae-
Erst müsse d.' im Werden lrearifsenc Znsamn >-il-
laiigt sein und sich überhaupt i,i die neucn Ver-
hältnisse einaclebt haben. Bis dahin möge es bei
unseocr Landesvrälatur bleiben. Dem Prälaten
werden zudem neue Vollmnchlcn erteilt. seine
Sii.llung soll durch d s neue Verfassuna über das
hinausaehoüeii werden. wns cr bisher war. Auch
sei dor evang. Landeskirche die Biichofswürde s.it
400 Iahien unbetannt aewcjen. d nn an drn Lan-
desbischof im bisheriaen S.nne könne die Trudi-
Lion eiacntlich nicktt anknüpfen. .Nach evange-
lischer Auffassuna kann cinem Vischof auch „icht
eine besondere Aemt-raewalt odcr si.i besondercr
Weihegrad. gcariindet nus apostolische 'Rachfolqe.
zuqwiesen werden. Er könnte sich — so mcincn
ouch die beaeistertsten Bertretcr d.'s Eedunkens —
üearifflick von cinem Pfarrcr nicht uirterschciden.
Es fehlte also seiiiem Amte an e g'.'nilich.m In-
halt. wührend desscn äusiere monarchische Gestal-
tung mit dem synodalen Wesen schwcr zu vereini-
gen wäre." So die Behördc. Da cs sich hicr für
uns blost um cjnr Darstelluna und nicht um e'>ne
Kritrk handeln kann. maa manches unaesagt ble'-
ben. was man ?,u diescr Auffassun.q und füc eine
qleichwohl berechtratc Ernsühruna .eincs Vischofs-
amts auch bei uns anführen könnte!

*) Aus der Synode soll durch Wahl der Ober-
kirchenratspräsldent hervorachen und zwnr soll er
eine 2 Drittel-Mehrheit auf sich vereiniaen. Dre
übrigen Mitglbeder des Oberkrrcheiirats ernennt.
nach dem Entwurf die Kirchenrea'erung.

pflichtet waren. in fremden Diensten oder in Haus-
haltungsschulen oder in eincm Krankenhaus das
zu lernen pnd zu üben, was der werdenden Mut-
ter und Hausfran zu wisien nötig war
und nötig ist. Nur ganz bestimntte häus-
liche Verhältnisie konnten von d'eser
Pflicht befreien. die eiaentlich zwei Iahre dnu-
ern sollte, nnd die in .qetrennten Abschnitten aus-
geübt werdcn durfte. So also lernten die Men-
schen in Neudietrichsdorf das Leben kennen und
ihnen brauchte kein politischer Wanderredner viel
Worto zu machen. War er kein „Echter", so hatte
er un.d seine Partei von vornl>ereiii verspielt und
eln zweitesmal bekam er keinen Saal im Volks-
hans bereit aestellt. Sonst aber liest mnn sich gerne
Vorträge halten und wählle auch seit Jahr und
Tag einstiimnig den Vürgcrmeister in das Landes-
parlament. Büraermeister freilich war nach der ab-
gelaufenen Dienstzeit immer ein anderer Ortsrat,
denn nach bestimmten Eeseestn aiiig die Ortsrats-
wllrdo reihum im Dorfe und die Bllraermcister-
würde wieder unter den Ortsräten. Wer all ge-
nug wurde, konnto an die Reihe komnien. So war
auch der Dorfpolitik eiii Niegel vorgeschoben und
viel Unfrrede von vornehercin unmöglich.

Eiwr besonders schöne Sitte war der Al -
tentag. Es war der höchste örtliche Festtag in
N^udietrichsdorf. Eefeiert wurde dieser Tag je-
weils am> Iohannistag im Iuni. Da kamen denn
alle. die über 75 Jahre waren. zusammen und wa-
ren Göste der Eenreinde und Gegenstand örtlicher
Verehrung. Sprecher war zunächst ein öOjähriger,
der ntcht etwa eine leere „Festrcde" hielt. er hätte
als ein „Unechter" sofort verspielt. Nein. er dankte
NMeno^dvr Eenielnde den Alten für das. was sie

Dienstag, den 14. Oktober 1919

Untcr den Neuerungen der neuen Nerfasiung istj
eiaentlich die Ausdehnuna des Wahlvechtes auf die-
Fraucn zu allen kirchlichen Wahlen schon keine'
Neuerung mehr. Veseitigt ist die bisher erforder-i
liche Selbständiakeit bei den Wählern. auch bei
den männlichen. Ein arösterer Schust der Minder-j
heiten und damit eine Lockerung des sog. Paro-
chialzwanges ist voraesehen,'d. h. fagt einem Teil
der Ecmeinde der zuständige Pfarrer nicht zu. so
lann sie sich einen andern Psarrer zur Dienst-
leistung erbitten. Dast die Groststädtgeineinden in'
Sprengel zerleat und diese in aegebenem Mast^
selbständia werden. war einfach ein Ding der Not-.
wendigkeit. Unsere Groststadtaemeinden waren!
wirklich über die disherigen Verfasiungsbestim-
mungen hinaus und in verfassungswidriae Zu-'
stände hinein newachsen.

GeblieVen ist die Pfarrwahl als die normalc>
Besehungsart der Psarreien. Weniastens so möchte'
es die Behörde. Sie wird damit einen schweren^
Stand haben und währscheinlich unterlregen. trotz-
dem sie jeweils nunmehr 8 statt wie bisher 0 B«-!
werber den Ecmeinden zur Auswahl aus der,
Zahl der einaelaufenen Bewerber nennt und au-.
derseits statt wie bisher 5 nunmehr jährlich Ilst
Pfarrstellen unmittWlbar auf 6 Iahre befetzen will.

Einen auten Fortschritt werden alle Freunde
unserer Kirche in der Bestimmung erblicken. wo-
nach die Vezirkssynoden auch Reliaionslehrer aus- ^
nehmen solken. Nach einem allrrdinas umstiind-'
lichen Versahren sollen aus der Zahl der.Neli-
gionslehrer bestimmte Vertreter aewählt rverdrn.^

Die Lisheriaen Diözesen. jestt Kirchenbezirke ae-j
nannt. werden also beibehalten und damit auch^
das Amt der Dekane. Man könnte hier andere und-
besiere Wege vorschlaaen. die einen andern Auf-
bau eraäben und die Zwitterämter der Dekane.!
emerscits primi. anderseits doch nur pares zu sern.j
aufhören. Man Lrauchte nur die jüngst gebilde-'
ten. in der neuen Verfassung aber wiedsr auf drei i
zurückqeführten 7 Wahlkreise mit Bezirksprälateii!
zu versehcn. die kein cigenss Pfarramt mehr ver-:
waltcn und dieien dann d're Aufsicht über die ein-!
zelnen Kreise zu aeben. Sie wären dann reichlichi
b.'schästiat und d-e Miststände. die im bisherigeni
Dclanutswesen liegen. wären einiaermasten ver-
schwunden. Dies aber nur nebenbei. Die Dekane
also bleibcn besteben.

Zur Landessynode. die nunmehr alle 4 statt w«c
üisher alle 5 Iahre zusammenkommen soll. wird
wis erwähnt n'.cltt mehr nach 7. sondern nur noch,
nach 3 Wahlkreisen aswählt. Dabei ist die Ur-
wahl nicktt mehr in Aussicht aenommen. sondsru
die Landessynode wird aus den Gemeinde-vertre-
tuna.ii aewählt. ein arundsätstich durchaus rich-
t qcr Ecdanke. Denn die Kirche sestt sich seit ihrer
Entstclmna aus Eemeindcn und nicht aus Einzel-
alicdern zusammcn. auck wenn die Kirchensteuer
dos Eiiizcliiei, an die Landeskirche geht und nicht,
zuerst an die Grmeinde. dorthin vielleicht nur sel-
ten mid eut nach Einführuna besondevcr örtlicher
Kirchensteuer erjolqt. und dieser Tatbcstand im
Lvidersvruch zu L^'m Eemeindeausbauprinzip zu
stehen icheint. Ne'n priilziprell darf man eben
auch hier nicht versahren.

Dast dis Volkskirchc qewahrt blcibe und nicht dre
Bckciintiiiskirchc werde. dast also dem Eutwurf
entiprcchend jeder evanaelische Mann und jede
evanqelische Frau am Orte zur evanaelischen Kirche
acbört. bis ste stch selbex als nicht zugehöria cr-
llärt. ist sicher ein writ aeh.'gter Wunsch. Denn
die soa. Bekeiintniskirche. d. h. eine erst aufgrund
cincs Lesonderen Bekenntnisies erfolgte Zugchö-
rigleit würde zu eincr kleincn. mehr oder weniaer
scllcnhasten Eeincinschaft führen. von der unser
Volk keinen spürbaren Seqsn srwartsn dürfte. Und
ob der Vorzua. eine bcsonders alaubenskräftia«
Ecme'iiischast. eine Kerntruppe des Christeutums.
zu scin. vor dem wirklichen Leben stnndhielte.

wärc noch dis Fraqe.-

So ist also dic neue Verfasiung qeplant. Was
daraus weeden wird. werden dte nächsten Taqe und
Wochcn entscheiden. Möae jedenfalls ein Llciben-
der Zustand darans werden. auj dem sich das be-
kannte Wort Richard Nothes. eines Vaters unserer
l'isherigen Verfasiuna. nicht nttndcr anwcnden
lästt:

„Ie nun. es steht sich auf dem badischen Boden
so übel nicht. und dre einmal aus ihm stehen. die
verlasien ihn nicht gern!" _

Verantwortlicher Leiter: Pfarrer Brnno Eold
schmit in Rinklinaen (Amt Bretten)^

in ihrem Leben geschafft und für die Gemeinde

und das Volk geleistet. Er gedcichts der sert dem
lestten Altentaa aestorbenen Alten. er a<lobte ,in
glcicher Weise namens dor Eleichaltriaen und Iun-
geren tätig scin zu wollen und ähnliches mehr.
Dann kam ein 25jähriger. der für die Iungen und
Ledigen redete und ahnliches gelobte. llnd zulcstt
wurden auf dtesen Tag im Anschlust an den Al-
tentaa. d-r stets in der Kirche oder vor ihr auf
dem Kirchplast stattfand. ein oder mehrere Kinder
getauft, daniit auch die uni we tere 25 Iahre Iün-
gereii beim Alkentag in wichtiger Weise vertretcn
würen. So waren die verschiedenen Menschenalter,
auch hier vcrbunden zu aemeinsaniem Wirken in
kraftvoller Arbeit und durch ehrfürchtige Rlihe.
Das war der Altentag. an dem keiner. der dabet
sein konnte. fehlen mochte.

Wie lange wurde er schon aefeicrt? So lange
wie Neudietrichsdorf steht. Sie sagten sich mik
Nccht. aus der Nevolution stitt) wir geboren. nach!
ihr erst ist unsor Dorf entstanden. Aber aus,
Neuem allein ist noch nie etwas Echtes gebaut
wordcn. In der richtrgen Verbinduna von Altem
und Neuem wird das Echte und das Eute allüber-
all. So legten sie sich selber die Pflicht auf. das >
Alte zu feiern und zu chren und mit dem Nerien
zu verbindem

(Schlust folgt.)

Es ist uns gut. dast wir zuweilen Lasten tragen
und Widerwärtigkeiten erdulden nrüsien. weil ste
den Mcnschen nötiaen. in sein Inneresern«
zukehren. damit er erkenne. dast er hier nimt,
in dex Heimat ist. und damit er nicht seine voss-
nun« °n! -Iwa. «n di«I-r W^lt ^
 
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