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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 255-279 (1. November 1919 - 29. November 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0363
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81. Iahrgang - Nr. 259 ^eiöblberger FeiLung

Donnerstag, 6. Novemder 191^



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r ?!^ °rsch^nt an jedem wochentage mlttags 12 Uhr und kostet bel

. ledcr postanltalt monatlich Mk.220. vlerteljährlich Mk. 6.60 ausschließlich Zultell-
r gebuhr; durch die Kgenturen od-r die Trägerinnen fret ins Kaus monatlich Mk.2.25
: lrauptschriftleiter: Uurt Fischer.

......

Gegründet 1858

6inelaenpreis:die ISmmbreitcssetltzeile oderderenUaum40pfg.,imReklamen«

^ -. -- - " ^ ' olungen

lOPfg.,

leil dic75m'm breitepetitzeil« i^opsg.,mitplatzvorschristisi Pfg.Vetwiederholungen
uf kostct die „Badischepost" in heidelberg

Nachlatz nach Tarif. Dm Linzelverkau.

auswärts 15 Pfg.

Mochenbeirage: Oer Vorn

Landesorgan der veutschen Nberalen Volksvartei vadens

Hauptscyristleiter und verantwortlich für den
Feuilleton, Kunst und Willenschaft, Theater und
Iulius liraemer, für

en und volkswirtschaftlichen Teil Kurt Fischer, für das
usik, Neucs aus aller Wrlt und die Unterhaltungsbetlage
aden, Oertliches und Literatur F ritz Gan denb erger vonMoisy, für Turnen

Spiel und Sport Alfred Sch mttz, sämtlich inHeidelberg. Fernrus 182. - BerlinerDertretung: Berlin VV 50-
Bambergerstr. 9. Fernruf Amt Kursürst 318. - Für den Anzeigenteil oerantworiltch AlfreüSchmitzinHetdelberg,
Fernruf82. - Druck nnd Verlag : Heidelberger Derlagsanstalt und Drucksrei (S.m.b.H. Heidelberg, tzauptstr. 23.

Das Wichtigste vom Tage

Vor dem Unteriirchungsausschust wuröe qestern
die Veruehmunq Vethmann Hollwegs teil-
weise unter Ausschlust der Oeffenttichkeit been-
dct

Der Streik in Berlin bekommt immer mehr
politischen Charakter.

, . Die Reaieruna hat sich gegen schwere Aus-
brllchc oon Unruhen aerüstet. Trotz nutzerst kriti-
scher Spannunq alaubt sie die Hauptgcjahrrn e.nes
allgemernen Ceneralstreikes bereits als überwun-
deu ansehen zu könncn.

Nunmehr ist die offiziclle Aufforderung zur
Teilnahme Deutschlands nn dcr internationalcn
Arbeitcrkonferenz durch die Alliierten eingetrosfcn.
Die deutsche Delegation ivird in der nüchsten
Woche abreisen.

Die Betriebsräte Mllnchens beschlof-
fen. die Nevolutionsfeier am Samstag durch Ar-
veitsruhe zu beqehen.

Der Oberfte Nat hat die holländ fche Ncgierung
benachrichtigt. dast die Entente das holländi-
sche Eigentum an deutschen Schiffen. die nach
Ausbruch der Feindfcliakeiten angekauft wnrdrn.
nicht anerkenne.

Am Peipussee und bci Pleskau gr'ffen
die Bolschewisten wieder an. Die Entente-
flotte beschiestt die Truppen des Oberften Be?«
mondt unter lettifchcr Flagge. Die Fortsetzung dcr
Konferenz de« Slandstaaten findet am S. Noncmber
in Dorpai Ltatt.

Die Ltreikiage

Weitere Ausdehnung der Verliner
- Streiks -

7^^ Bon unserem Berliner ertretec '

(:) Berlin, K. Noo. Die a! lgemeine
Streiklage hat gegen geftcrn insokern eine
Veränderung erfahren, als nunmchr auch von den
Strancnbahnern ein Stre!k zur Untcrftützung
dcs Metallarbejter-Ausstandcs in Erwügung gezo>
gen ist. Heute Nacht fauden nach Betriebsschluf,
noch Versammlungcn der Strotzenbohner statt, in
denen über den Streik abg:stilnint wurde. Datz der
Ecneralftrcik nur noch politifchen Zweüen
dlent. wird in einem Aufruf, der n. a. vom Bezirks-
?at der USP. BLrlin-Vranvenburg, der Konunu-
!il>tijchen Partei unÄ dem Vollzugsrat dcr Arbeitcr-
räte Grohberlins n'w. unterzeichnct ist, zuzegcbcn.
Dic Eewerkschrstskommlsslo«r, dre gestcrn obend zn
dcm von der Streikleitung der Metallarbeiter aus-
kcrufeuen Eeneralstre'ik Stellü^g nahm, lehnte die
Zulossung der Preffe ab. Es »par doher gcstern
abend nicht mchr möslich, e?n tlares B'ld von der
.Tlreiklage zu gewinncn. Bon der Neg'erttNg sind
vor allen D'nigcn die notrvendigcn MadrSZeln go-
trossen wordsn. So hat die technische Noi -
l» ilfe brreits Befehl bekommsitz sich bereit zn hal-
ten. Ein Versuch, dre W e r k st ä t t e n a r b e i t er
drr Strakrenbahn in dcn SLreik hineinzur'iehen,
ist Sis zur Stun-e gescheitert. Die Stettung-
nahme der städtischen Arbeiter zu drm gc-
vlairten E-rieralstreik ist ebenfallv schon festgelcgt.
Die Arbeiterausschüfso der städtischen Arbeitcx er-
klälten, datz sie sich dem Eeneralstreik olme weiterks
iügen, sobald die Gerverk chaftskommiss.on sie ans-
riifen sottte.

Verlin, 6. Nov. Wte das 8 Ubr-Mendblarl mcb.
det, LoMlossen hente die Fnnktionäve der Stra-
tzenbahner zur UnterstntznM Les M!:tallarber-
tcr-Ausstandes vcm lnocgen (Donnerstag) a«b i n
den'Streik zu tret "n. Nach ldüssenl B> schlntz
nnih mtt einer völligen LahinU'Ming desE>:-otzber-
linor Strüstenbaihnverkehls gercchnet werden.

Die Aburteiluug der Schuldigen

Der Pariscr Temps nieldet: Fn der neu «e-
bildeten Kommission. welcho die Uoberfüi-rung der
Schuldiaen nach Paris zu vevan'asfen hat, erhält
Foch ben Vorsitz. Als Sitz des alliierten Ee-
rtchtchosi.'V Mr Aüurteibung dsr Schuldigon anr
Weltkrteg und der vö^orrechtsiKjdrigen Krie«ftl'h»
vung ist vom Nckt drr Alli-rrten endgü tiL Par is
bestinunt worden ^

Einr nsue versewaltigung

Das Vlanko-Akzept und seine
Folgen

Es tommt so, wie mcm voraussah. Noch ha-
ben wir uicht schwarz nuf weisi, was uns ein-
mal unsere Gegner als Kriegsentschädigung ab-
nehmen werden. Noch immer streiten sie sich
um die Veute. Aber die Forderung wird nicht
gering scin. Und das voa uns ausgestetlte
Blankoakzept gestattet es. daß man uns alle
Koften auferlegt, die man irgendwie erfolg-
reich verbuchen möchte. Hierzu gehört auch die
ncue Foroerung an Deutschland, die den Ersatz
von -MOOO Tonnen Kriegsschiffraum ver-
langt, den es in der Bucht bei Scapa Flow
gehabt hat. Ob eine Verechtigung zu dieser
Forderung vorhanden ist, darüber läßt sich
streiten. Selbst das Blanko-Akzept dürfte
nicht hinreichen. diese Forderung zu begründen.
Denn dann tonnten. alle Eegner von ehedem
uns ihre Forderungen ernreichen über die
Vernichtung des militürischen Geräts, das sie
gegen uns verwandt haben.

Es ist aber noch niemals dagewesen, daß der
Sieger sich vom Besiegten seine Kriegsmittel
beznhlen lüßt. Wohl kennt man einen Pau-
schalersntz, in dem vielleicht auch die Kriegs-
mittel, die a ufgewendet wurden, eingerechnet
wurden, aber eine direkte Forderung für
Kriegsverlusle tritt uns hier zum ersten Male
entgegen. Selbstverständlich haben wir Ur-
sache, uns gegen eine solche Forderung zu weh-
ren. Sie ist nnberechtigt und entspricht nicht
dem Volksempfinden. Es hat aber den An-
schein, als ob Vernunst und bisherige Eepflo-
genheiten nicht mchr gelten. Jeder sucht aus
dem armen Deutschland. das bis zum Weiß-
bluten mit Steuern beladen wird, alles heraus-
zupresscn, was er erlangen kann. Dabei ist es
interessant, zu beohgchten, daß die Sieger un-
ter sich neidisch sind und sich gegenseitig von
ihrcn Forderungen an Deutschland abhandeln,
weil sie meinen, selbst zu kurz zu kommen. Von
keiner Scite gewahrt man ein Entgegenkom-
mcn, sieht man eine Einsicht. llnd dße Verzö-
gerung der offiziellen Friedenserklärung wird
lcdiglich deshalb betrieben. weil man das
Druclmittel des Krieges weiter ausnutzen
möchte. Jndessen haben wir keinen Erund,
anzunchmen, daß wir vor maßlosen Forderun-
gen der Entente geschützt sein werden, wenn
die Ratifikationsakte ausgetauscht sind. Das
Vlanlvakzept ist dehnbcrr und es wird sich auf
jeden weiteren Einfall der Entente modellieren
lassen.

Das Eanze ist ein neues Veispiel zur Betci-
tigung der „Ideale" Bölkerversöhnung, Demo-
kiatie, Zioilisation und anderer Schwindel!

^ Bestiirzung in Verlin

Von unser-em Bc'rliner Bertteter 's'"'

(:) Berlin, 6. Ncw. We wir börc'n, hat dieNote
Lei Entente Lei Äer Negierung g robe D-estür-
znng hervorgeruseii. Ftt Bo.'lin wur nnm nicht
darimf vovhereitet, noch vor Fnkrnfttveten desFrte-
densvertvages devartig schworS KomVlilatio-
uen zu bemältigen. Döe von Berlin ülbwesvnden
KabinettLmitslieder sind so-fort von der Ang leLen-
l:eit verständiat worden. Die lSituation ist
äuberst kritisch. Lttce wir weiter cjcffahren,
wird idas Kcübin-ett hcute su der Note Stellung
nehnren. Dor AuÄschuh sür Auswärtige Angelegon-
heitvn soll fvätvstens Scmnstaa zusammentteteir.

2lus dem Jnhalt

Did neue Note der Entente, die im fvaiidösischen
Tert. 11 eiisaoschr'wbencl Schreökmaschinenseitm um-
fatzt, läbt sich in 4 Hauptteile'gli.edern: i. etne Ein,
liMmg sur Ausst lluna des Protokolls über
dte Rattfikatton dcs Friedensvertraaes. 2. ein Ver-
zelchnts der Friedensbodi>NMiiigon, die sofort in
Kraft tueten: die Tiitigkeit der interalliöetten
Rbointanld2kammission, dor militär'tschen Kontroll-
kcnmnisiian mid der Wiedergtttmachungskonrmisiion,

d"r Uebcrgang der Staiatshoheit in Memc-l. Danzig
u.'rd dem Saarhecken an den Völlerbund, döe Arti-
kol -betllLffeud die Vol-ksabstinrinuuz in Oderschle.-
sien, Schlesmig, Allenstein uud Maricnwerdcr, 3.
ci-rq Eiuladnng -an dis dcutsche Regierung, bös zum
10. November die Vertrcter zur Regelung der
lle.hergangsbostimnlungen nach Vcrsaill>.s zu entsen-
den. 4. eine Erklärung, dai; der Fricd^ ärst in Kraft
tritt nach Unterzeichnung einos 5 weiten Proto-
kells, m weschcm De-utschland sich vb.rflichtet, -alle
nicht erfüllten Wasfeirstillstandsbldiiigungen jetzt
noch auszusiihren und St:afb.sti'nnnungcn der En-
tente aNLuerkcmien.

Androhung von Zwangsmaßnahmen

Die Note der Entente zählt dem B. T. sufülge 9
„.vonsequeirzön" d s Friedensvertrages auf. döe jetzt
ins Auge zu fasien seien. Als erste Konsequeirz ist
angegclben, irunmehr die liiterattr.''elte Kommis-
sion für die rhei-nläirdöschen Eebiete in Wirksamkeit
tritt. als Punikt 3 Bagönn der Tätigkeit der Me-
dergutmachungc.konimisiion, Punkt 4 lautet:

U^beirtraaung der,Sc u veränität im Falle
oon Memel und Danzig, Pu-nkt 5 .betrifst das
Saartzobiet, Punkt 6 Oberschlcsien. Punkt 7
Schleswig, Punkt 8 ldöe ostvreustjschen Eebiete, in
denen Abstimmungen stattsjndcm, Puirkt ö
besazt, dab innerh-.ilb 14 Ta.gon dre Abgrenzungs-
konrmissionen ihre Tätigkeit -begilinen wcrdcln.

Die Note nennt 11 W as f c n st i l l sta n dsh e -
d inigun g>cin, die ncch ganz oder-teilmeise zu er-
ft-llen sHien. Von d.'n 5000 Lokomottocn, die aus-
zulicferii waren, sind 42 noch nicht geiliefert, von
de„ gesorderten. 150000 Maggons feihlen noch 4460,
g>misie Unterseedoote, -d'ie ausgelie,sert w rden soll-
tcn, seien von ihrer Besatzn.ng vernichtet morden;
am 21 .Funi se'u.',a vor. Soaoa Flom did znr Ans-
licferung bestiimnten deutschen Kriegsschifse versenkt
worden; es seö >m noch nicht -alle Kunstwerke und
lünistlerischen Doknment-e znrückgegoben, die in Nord-
f'-ankreich unid Bel.Z.cn entwendet murden; die voa-
geschriobene Zahl lcuidw'lrlschrstlichor M aschinen
s >i noch nicht voll ausgcliefcrt. Das Matcrial dtt
belaischen und sranzösischen Industrieanlagen, das
fortgesi'chrt murdc. sei noch nicht ganir zurückgolie-
sett: eine gewisse Auzabl H a n d e lss ch i f fo
wi-'rde entgegen dem Vertrag noch zurückb halten:
in Verletzung der Vertragsoorschriften, welche die
MiÄfuihrl von Kriegsmaterial aus Deutschlanld un-
tersagt, seien Flugzeuge nach Schweden, Holland
und DäncMarl verkauft worden-: als Miedcr-
gulinuchnng siir die Versenkung der deutschen Flotte
öer Scapa Flo,w soll Devttchland inntthalb 60 Ta.
-en die 5 leichten Kreuzer „Köiilgsberg".
„Pillau", „Eraudenz", „R-egensburg"' ^nld .Mrab-
bnrg" abliefern* ferner iunerhalb 90 Tagen
e'ine -Mzahl Schlwimmdocls. Krähne, Schlepper usw.
eiitsprechend eiiwm Deplacement von 400 000 T.
Wviter wird als En.tschädignirg ftir die oeriuchteteu
U-Boote die Heransgabe von U-Bootmaschrnen uud
Motore-n gcfordert. Wenn Doutschland diese Ver-
rslichtungen nicht erfülle, behielten die tillnerten
Mftchte sich vor, . zu allen Zwangsmabre-
gcklir, .mölitärischen oder anderen-zu greifen, die
si-e sür geeignet hielten.

Die Unterzeichnung des Natifizicrungs-
Protokolls

Berlin^ 5. Noo. Clemenc -oau hat der di'dt-
schen. Regieruürg am 3. No-vember eine Noto übsrt-
sandt» in der er sie auffordert, nachd-em dio Vorbe-
dingungen erfüllt seien, einen zm llnterzeichnung
Les Protekolls über die Niederlegung der Ratiföka«
tton beoollmächtigten Vertre?t»r a„
d^m demnächst zu bestiminenden Tag nnchParts
zu senden und ihn glc'ichzeitig znr Un-terzeichnung
dcs d-er Note beili-e-genden zweiten Proto-
kolls zu -el'ollmächtige.a, das die Regelung der
ron Dsutschiland Idlurch das Waffenst'.llstand-iabkom-
men und dbv Zusatzverträge übernommenen. noch
nicht erMten Ne'pslichtungsn betrifft.

„Feiern" am 9.November

Die Sozialdemokraten wollen dcn 9. Novem-
ber durchaus sestlich begehen. Sis halten den
Tag als den Beginn de? Zeit fost, da sie die
Macht erhielten und nehmen auf die Gesühle
der übrigen Parteien keine Nückstcht. Sie den-
ken nicht einmal den Demokraten, die jetzt mit
ihnen in der Regierung sitzen, entgcgen zu kom-
mcn. llnd wahrscheinlich, um der Masse der
Mehrheitssozialisten willen, die durchaus den
guten Feier-Anlaß nicht vorübergehen laffen
wollen, ist (obwohl es zuerst anders gepiant
war). gestattet worden, daß Versammlungen
statlfinden. Man wird daher den Tag so bege-
hen, wie es beabsichtigt war. Und das sehr
zum Kummer der Regiernug, die ihren Anhün-
gern diese Konzeffion machen mußte, obwohl
feststeht, daß die Freiheit, die nun einmal ge-
währt werden mußte, von den radikaleren Par«
tcien weidlich ausgenutzt werden wird. Es ist
kein Echeimnis, daß die Unabhängigen und
Kommunisten den 9. November schon lange als
Stichtag erkoren haben^und alle Vorbereitun-
gen getroffen haben, um an diesem Tage ihre
gewachsene Macht zu zeigen. Es schien so, als
ob die Regierung durch ein strenges Versamm-
lungsverbot den „Feiern" der Radikalen entge-
genwirken wollte, etwa wie es in Bayern ge«
schehen ist, doch darf sie jetzt, da sie ihren
Stützen die Erlaubnis zum Feiern gegeben hat,
nicht einseittg werden.

Aus diesem Erunde besteht die Möglichkeit,
daß uns der 9. November noch Ueberraschungen
bringen kann. Die Bewegung in den-radikalen
Reihen, die für den 9. November Putsche, Pro-
teste nnd sogar bewaffncten Widerstand vorsah,
dcutet noch immer auf Sturm nnd wird
durch die Daumenschrauben, die man gerade
den Nadikalen ankegen will, nicht eingedämmt
werden. Es überrafchtc durchaus nicht, daß
die Einstellung des Eiscnbahn-Personenver«
kchrs gerade jetzt erfolgt. Man will gewiß die
Transportmöglichkeiten fördern ,aber mair hat
bei oieser Einschränkung auch daran gedacht, das
Reisen dcr radikalen Agitatoren zu verhindern
und der überall zu erwartenden Bewegung die
Vcrbindung zu nehmcn.

Diese Vorgänge beweisen wieder, wie schwach
das Fundament ist, auf dem unsere Negierung
steht, dre nicht.einmal ehrlich wagen darf, den
Kampf gegen den rtmsturz zu führen, sondern
sich, weil sie fürchtet, eigene Anhänger zu ver-
lieren, zu zweifelhaften Mitteln entschließt, um
das Ziel zu erreichen. sich den Ansturm vom
Hulse zu halten. Ob ste mit dieser Maßnahme
äber nicht den Umsiurzgedanken der Nadikalen
noch weiter geweckt hat? Wir werden es ja
bald erleben. Eewiß besitzen. wie man hört,
dic Unabhängigen und Kommunisten heute
nicht mehr-die Wasfen, die sie noch im März
hatten, um sich kämpsend auf die Straße zu be-
geben. Indeffen fürchtet die Negicrung heute
wohl mehr denn je, we.m Massenkundgebungen
erweisen sollten, daß die Zahl der Gegncr dec
Neaieruug stetig wächst, mährend die Anhänger
abnehmen. Das ist der Erfolg der Politik, die»
wir nun schon ein Jahr lcrng erleben, und die
'immer mehr dahin führt, daß die Unabhängi-
gen und Kommunisten Zulauf aus den Scheide-
niann-Reihen erhalten. Selbstverständlich wird
niemand wünschen, die Radikalen erreichten am
9 November den Sturz der Regierung und
schwängen sich selbst an die Spitze. Das ist wohl
auch nicht anzunehmen. Aber man darf wohl
hoffen, daß auch aus diesem brenzlichen Tag sich
ein wenig Einsicht ergibt, sodaß dte Mitglie-
der der Negierung, die da meinen, alles allein
za können und die ihren Anhängern dauernd
einreden, sie werde den Karren schon aus dem
S.hmutz ziehen, ehrlicher werden als bksher.
Am 9. November mag sich die Reglerung ein-
mal die Bilanz ihres Wirkcns ziehen. Sie
mird finden, daß sie das nicht geben kann, was
die Hoffnung vieler am 9. November 1918 war
und sie wird erkennen müffen» daß sie unmög.
lich das durchzusetzen vermag, was im Pro-
 
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