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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 228-254 (1. Oktober 1919 - 31. Oktober 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0320
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stecken, weil die notwendige Kohle sehlt. Jn
der lehten ZeiL erhielt ein Hciushalt in Wien
durchschnittlich nur 1 Kilogramin Kohle pro
Tag zugewiescn. Die Strahenbahn war eine
Woche lang gai^ eingestellt, und die Stadt
ist abends fast in Dunkelheit gehüllt. Selbst-
'verständlich steht auch der größte Teil der Zn-
dustrie insolge Kohlenmangels, und die Fol-
gen sind Arbeitslosigkeit und Fehlen jedes Ex-
portes, was den tiesen Stand unserer Valuta
erklärt. Unser Gcld ist heute im Ausland auf
weniger als den zwanzigsten Teil dcs Vor-
kriegswertes gesunken! Wie soll man bei ei-
nem solchen Tiefstcmd des Gcldwertes auslän-
dische Nahrungsmirtel beschassen können? dcur
ausgiebige Kredite können uns Rettung brin-
gen. Wie arg die derzeitige Finanzlage ist,
geht daraus hervor, daß wir jetzt gezwungen
sind, binnen wenigcn Tagen KunÜschätze von
großem Werte ins Ausland zu verkaufen, um
dic Bevölkerung für wenige Wochen vor dem
Verhungern zu schützen.

Es ist sehr fraglich, ob die Wiener Bevöl-
kerung auch nur so viel Kohle haben wird, um
regelmäßig die Nahrung zu kochen. Von einer
Beheizung der Wohnräume kann naturlich
keine Rede sein. Selbst Vie Spitäler haben
keine Vorräte.

Diese Verhältnisse lassen die schlimmsten
Zustände bcfürchten. Es ist kaum möglich, sich
die Leiden vorzustellen, die hieraus für die
durch die Entbehrungen der letzten fünf Jahre
so schwer getroffene Bevölkerung erwachsen
werden. Die Kranken, die Kinder und die al-
ten Leutc find natürlich diesem Elend am mei-
sten ausgesetzt. Viele tausend Personen sind
schon der ständigen Unterernährung zum Opfer
gefallen, wenn auch als Todesursache meist ir-
gendeine Krankheit angegeben wurde. Jns-
besondere die Kindersterblichkeit ist enorm ge-
stiegen. Bisher hat die Bevölkerung diese un-
sagbaren Leiden mit außerordentlicher Eeduld
getragen. Die Ordnung in Wien war niemals
ernstlich gestört, selbst nicht, als in Ungarn
und Bayern der Kommunismus herrschte und
an vielen Orten Dentschlands spartakistische
Straßenkämpfe stattfanden. Aber «aturlich
kann niemand die Eewähr daflir übernehmen,
daß keine VerzVeiflungsausbrüche vorkommen,
wesn nicht fchlennigst Hilfe gcörachL wird.

Dicse Hilse müßte vor' allem in Kreditcn
für die Veschaffung von Lebensmitteln und
Rohftoffen Leftehen, serner in Waggons und
Ldkomotiven für den Lebensmitteltransport.
Vor allem aber müßte dem Zustande ein Ende
gefetzt werden, daß jedes Land, ja bcinahe je-
des Dorf fich absperrt uud keine Lebensmittel
nach autzen hin abgeben will. Es mützte wie-
der der freie Verkehr von Volk zu Volk und
von Ort zu OrL her'geftellt werden. Es ist na-
türlich im höchsten Eradc unrationell, daß
Wien auf LebensmittelLezüge aus Amerita
angewiesen ist, wahrend weurge Stundeu ent-
fernt sEegenden mit einem verhLlLmsmäßi-
gev Ueberfluß^n Lebeusmitteln cxistte-
ren. Selbstoerständlich müßten wir aber auch
imstande sein, Jndustrieartikel zu produzie-
ren, damit wir für unsere Exportwaren Le^
bensmittel eintauschen können.

Dre EntenLekommission in Danzig

(:) Berlin, 29. Okt. Wie wir von zuver-
läfiiger Seite erfahren, traf gestern ein hohe-
rer Beamter des englischen Auswärti-
genAmtes inDanzig ein, der als interi-
mistischer Oberkommisar fur den Freiftaat
Danzig sobald dieser erklärt wird, tätig sein
wird. Der endgiltige Oberkommifiar wird,
nach diesem Vorgang zu urteilen wahrschein-
lich auch ein englischer sein.

Nationalversammlung

Berlin. 28. Oktober.

Präsident ssebrenback eröffnet die Sitzuna
um 1.15 llbr. Das 6aus ist sckroack besetzt.

Auf eine Anfraae des Abg. Dr. Mittelmann
(D. Vp.) weaen der trauriaen Lage deutscher Ee-
sangenen iu Aeanvten wird reaierungsseitia ae-
antwortet. datz die Unterbrinauna der Defanaenen
im allae-meinen erträalich ist. doch ist der Gesund-
heitszustand sckleckt. Es sei bei der britischen Re,
aieruna auf-'Abstelluna der Mitzstände und srrei-
lassnnn aedrunaen worden unid es sei ilu hoffen.
datz sämtlicke Gefanaene bald icurückkehrten. Eine
Anfraae desselben Aba. weaen salschsr 5V Mark.-
Scheinc wird dabin beantwortet. datz infolae des
Zusammenwirkens des Berliner Polijceipräsidiums.
des Reicksbankdirektoriums und der Staatsan-
waltsckast und infolae Aufwenduna reicklicker
Geldmittel für 2laenten un!d Belohnuuaen in den
letzten Mocken 24 Nalsckmiimerbanden den Gerick-
ten -cuaefiibrt werden konnten. Es ist mne Ab-
nahme der Herstelluua von Psalsckaeld fest-ustellen.

Auf eine Anfraae des Nba. Dr. Hugo (,D. Vp.)
weaen Sckmuaaels in Sckleswia wird reaiernvas-
seitia aeantwortet. dab wirksame Anordnunaen ae-
troffen seien und der ErenMutz verstärkt wurde.

Hierauf solat Fortsetmng der zweiten Deratuna
des Erausbaltes des

Reichswirtsckaftsministeriums.

Aba. Düwell (U. S ): Der Zusamnvenbruck ist
eine Piolae der Politik der Reckten. Eine Zwanas-
wirtschast baben wir überbauvt nickt mebr: sie
wivd überall durckbrocken. Brauckbare Koblen
werden auf die Sckuttbaufen aeschüttet und Arbei-
teranaebots feitens der Arbeitsnachweise werden
von den Berawerksdirektoren Aurückaeröiesen. Wir
befinden uns immer nock im kavitalistischen Staat:
deshalb bat die Arbeiterlckaft das Reckt. ück ieden
Mittels jiur Aufbesseruna ibrer Laae r;u bedienen.
(llnruhe). auck der Notbilse des S1 reiks. (Un-
rube). Der deutscke Arbe'tcr wird die Soziali -
sieruna erzwinaen. (Lachen reckts.)

Abg. Dr. Luao lD. Dv.): Die Zwangswirt-
schaft darf nickt -mm 6indernis fur die wirt-
sckastlicke Miedercmsricktuna merden M auck ae-
nüaend Vorsorae aetroffen. dcfii nickt Getreide.
Nahrunasmittel und Rohstoffe ins Ansland ae-
ben und uns nackber seblen? Die Zolldifferenz zwi-
sckcn links- und recktsrbeini-sckem Gebiet muk ver-
schwiuden. Die Dolitik der N ea i« ru n c^
wenn sie auf die Wiederaufricktuna unseres Wirt-
schaftslebens aericktet ?st. mutz unterstützt wer-
den.

Ministrr Sckmidt: ?!ck bin nickt einverstanden
m'.t der Entsckliekuna des AuSschusses. wonach alle
Bestimmunaen in den Ernäbrunasverordnunaen
aufaeboben werden-. welche bindern. den landwirt-
schaftlicken Arbeitern die zuaesickerten Deputats-
beicöae mrs-.uliesern.

ALa. Vel'rcns lDn.) bearündet einen Antraa
Allekotte. das Miniüerium in drei Abteilunaen
zu teilen: für Landwirtsckaft. für Znduftrie und
5>andel und fiir Erok- und Kleinbandel und di.e
Leituna dieser Abteilvnaen ssachmännern M über-
traaen. Der Antraa Allekatte wird abaelebnt.

Vei der Abstimmuno über die Eniscklietzuna
Nrnstadt. betreffeud die Abaabe des Erlöses der
ViÄbäute an den Bentzer des'Viebes weist sich das
Haus als Leschlukunfäbia.

Deutsches Reich

Der neue Kulturkampf

Zn seiner aufsehenerregenden Rede auf
dern Rkünchener Katholikentag hat der Erzbi-
schof F-aulhaber dem katholischen Deutsch-
land das Zeichen zu einem neuen Kampf gegen
die Staatsschule, gegen alles Bekenntnisfeind-
liche im Dentschen Reich gegeben. Der neue
Verfassungseid ohne Anrufung
Eottes im Weimarer Versafiungswerk gab
ihm Anlaß, zuderVerweigerung des
Steuereids aufznfordern, wenn dieser
ebcnso ohne Anrufung Eottes verlangt werde,
dcnn er verpflichtet die gläubigen Katholiken,
dän letzten versteuerbaren Pfennig herzugeben,
lafie aber Freireligiöse im Eewissen
unbehelligt. Ein Steuerprinzip aber
müsse für alle gelten, Ausnahmen könnten da
leine gemacht werden. Wir verlangen Schei-
dung und Entscheidung, rief der Erzbischof,
und sand-auch damit stürmischen Beifall. Frei-
heit des Papftes, Kampf gegen die Staats-

( .

schule, Konfessionsschule, religiöse Erziehung,
Staatsautorität auf religiössittlichcr Erund-
lage (d. h. priestorlich beschützt), unerbittlicher
aKmpf gegen alle offene oder versteckte rcli-
gionsseindliche Kulturpolitik, ein Kulturkampf
in umgekehrtem Stiele, das sind die Forderun-
gen des Münchener Katholikentages. ,Da über
die Aufforderung zur Verleugnung des Steuer-
eids noch ein Streit entstehen wird. so brin-
gen wir imnachstehenden die Aeußerungen des
Erzbifchofs im Wortlaut:

„Zn Weimar teilte nian den Eid in ei-
nen religiösen für die Gläubigen und in ei-
nen bürgerlichen für die Ungläubigen. Schwö-
ren aber ist nicht zweierlei. Entweder es ge-
schieht mit Anrusung Eottes, oder es gibt kein
Schwören. Wenn man auf der einen Seite
Eott beseitigt, dars man ihn aus der a n-
deren nicht wieder herbeiholen,
wenn man sich nicht anders helfen kann. Der
heiligeEid darf nicht zur Polizeimaß-
regel erniedrigt werden. Der neue Staat
will sich an Eott erinnern, um eventuell die
Steuer restlos erfafien zu können, nachdem
man keinen.Polizeihund hatte, um die versteck-
ten Vermögen herauszuholen. Zeder G,l ä u-
bige hat das Recht zu fagen, ich ver -
weigere den Steuereid; wenn du neuer
Staat den Herrgott nicht brauchst in anderen
Punkten, dann brauchst du auch nicht wegen
Steuergesetzen zu Gott zu greifen.

Der Erzbischof sagte weiterhin noch: Wenn
die Arbeitsfreude geweckt werden soll, so dür-
fen wir nicht vergefien, daß nur der Elaube
uns überzeugen kann, daß ArbeiL häheren Wert
hat. Religiosität weckt die Arbeitsfreude, Der
Arbeiter darf aber nicht als Ware eingeschätzr
werden.

Nicht Produktion, sondcrn Zerstörung

Ueber die Spaltung innerhalb der kommu-
nisttschen Partei refahren wir noch: Die Ber-
liner Kommunisten haben sich gegen die Ziele
der Partei gewendet, weil diese die Note
Fahne", die die Sabotage als neue Waffe em-
pfahl, abgelehnt hat. Die Verliner Kommuni-
sten haben fich ausdrücklich für den Artikel der
„Roten Fahne" erklärt und dieser ein Ver-
trauensvotum ausgesprochen. Zn dem Artikel
hieß es u. a.: Das Proletariat hatkeinZn-
teresse an der Hebung der Produktion im
Zuteresfe des Kapitals. Nicht Steigerung, son-
dern Sabotage der Produktion heißt jetzt
die Parole.

Parteipolitischer Eradmefier fur
Erholungsbedursttgkeit

Dem Lokalanzeiger wird die Abschrift ei-
nes Vriefes geschickt, in dem eine hier woh-
nende Frau ausgefordert wird, eines ihrer
Kinder mit einem Transport erholungsbedürf-
tiger Kinder nach der Schweiz mitzuschicken.
Dcr Vrief ist unterzeichnet „Vezirksverband
Eroß-Berlin'der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands." Als Vedingung für die
Zulafiung des erholungsbedurftigen Kindes
wird angegeben, daß die Eltern Parteige-
nossen sein müfien.

Der Lokal-Anzeiger"bemerkt hierzu: „Also
dic Kinder vost Parteigenofien dürfen an der
vom Staat organisterten Erholung in der
Schweiz tellnehtnen. Die anderen, die sich ihre
Eltern nicht so politisch klug ausgesucht haben,
mögen sehen, wo sie bleiben. Warum waren fie
auch so dumm, in einer nicht fozialdemokrati-
schen Familie geboren zu werden? Ware unter
der früheren Verwaltung irgend eine ähnliche
llngerechttgkeit der Negierung vorgekommen
— welch furchtbarer Sturm hatte sich bei deu
Sozialdemokraten erhoben!

*2« Braunschweig rourde Lsschlvgen eine Ar-
beitsgemeinschaft des gewerbtätigen Bür-
gertums ins Lsben zu rufen. _

Badische PoUük

Eienbahner und Beschassungs.
beihilfe

Die vom Verband des deutschen Vcrkehrs-
personals, Eau Baden, auf Dienstag nack
Karlsruhe einberufene L a n de sv e r s a m m.
lung der Eisenbahner war stark besucht
Die Vertreter der einzelnen Landesteile berich^
teten über die dort herrschende Stimmung
Von der Eauleitung la^ eine Protestent^
jchließung vor, die sich erstens Üagegen
wendet, daß die in der interfrakttonellen Sit-
zung gewählte Kommission der Organisationen
nicht zu den Veratungen des Haushaltsaus-
schufies zugezogeu worden war, zweitens gegen
die durchaus ungenügende Höhe der Dcschaf-
fungszulage und drittens insbesondere gegen
die absolut ungerechtfertigte Abstufung nach
Ortsgruppen. Ein Veschluß wurde in der Kon-
ferenz nicht gefaßt. Um 2 Uhr fand fodann in
der Eeneraldirektion der Badifchen Staatsbah-
nen eine Sitzung statt^ der Vertreter der Ne-
gierung und der Veamten- und Eisenbahnor-
ganisationen anwohnten. Die Sttmmung un-
ter den Eisenbahnern des Oberlandes ist ruhig
die der Ersenbahner des Unterlandes dagxgen
kritisch.

Zn der Nachmittagsbesprechung wurde Le
schlofien, dem Haushaltsausschuß des Landtags
neuformulierte Anträge vorz^legen,
dahiugehend, die Staffelung nach Orts
gruppen in der Veschaffungszulage fallen
zu lassen und die Beschaffungszulage selbst et-
was über die vom Haushaltsarsschuß ^eneh-
migten Sätze zu erhöhen.

Abends fand sodann eine Vesprechung der
Vertreter der Arbeiterorganisationen mit
Mitgliedern des Haushaltsausschusses ftatt, in
der die neuen Forderungen vorgelegt werden.

K Karlsruhe, 29. Okt. (Eigener Draht-
bericht). Gestern abend fand im Ständeha"s
in der Frage der Eewährung einer Besch:^-
fungsbeihilfe für die Staatsbeamten uird Ar
beiter eine Sitzung statt. Anrvesend waren fü:
die Regierung Finanzminister Dr. Wirt .
fur die eZntrumsfraktton Landtagsabg. K ch-
ler, sür die Cozialdemokraten Abo Ma-
rum, für dje Demokraten ALg. r. Lescr, fi.r
die Deutschnationalen Abg. Mayer. De.
Badische Veamtenbund war vettreten du^h
Landgerichtsrat Zolly, Obörrevisor Trau.
mann, Stationsvorstehcr Kolb.Knieling'n, i.
Hauptlehrer Huber-Zagstfeld, der Veroaiid
des Verkehrspersonals durch Eauleiter Schu-
der und der badische Eisenbahnerverband dur^
Landtagsabg. Müller. Zn der Vcrsam.nlung
wurde der Beschluß dcs Haushaltsausfchusse^
des Landtages über die Befchaffungel:.chi:'.e
als nicht befriedigend erklärt. Die Vcr-
treter der Beamten und Arbeiter ermäßi.-
ten jedoch ihre ursprüngliche Forderung ven
1000 Mark auf 700 Mark fur Verheirattte
und 600 Mark für Ledige, sowie 200 Maik
Kinderzulage. Als Stichtag soll der 1. Nc-
vember gelten. Es soll ein sofort zahlbarcr
Vorschuß gewähtt werden nach dem L
schluß des Haushaltsausschufies des Landtag'
Vemängelt wurde besonders die E'lnteilur-7,
der Beamten und Arbeitei nach Ortsgrnppen.
Ein Veschluß wurde nicht gefaßt. Heuii'
vormittag wird sich der Haushaltsausschrß
noch einmal mit der Angelegenheit auf dc:
oben angefühtten Grundlage beschäftiger.
heute nachmittag wird die Angelegenheit r.i.
Plenum Lchandelt werden.

Mamrheim. 27. Okt. Der bekannte Führer drr
Unabh. soÄ). Pattei. Wirt Veizinger. der b-i
den Unruhen im Zuni eine Rolle spielte. ist Le:
Baden-Oos weaen Sckleichhandels seftae-
nommen worden.

Aufrus

zur Crrichtung eineL

Coethe-Mariauue v. Willemer-Denkmals

auf de:n Heidelbergi-r Schlotz

Hundert Zahre sind oerflossen, seit im Sommer
1915 Eoethes „We st - öltlicher D'.i v a n", das
Er?!Agnis d:r wundersamen zweiten Iu-aend des
areiscn Dichters. in Buchsorm der Welt gesck-enkt
wcrrd. Kein Teil d.r unvers!eichlich:ii Liedcr-
scrmmlung ist dem Volke derart ins Herz -gedrun-
e-en als das Duch ..SuleikL", die Vercherrlichung
ver späten Liebe (Loethes ^ur dreißlgiährigen an-
nn'tigcn und -gnstreichen Mari-anne voii
Willemer, deren Eestinqe an Hatenr-Eoeths
d-s unijLerLl-ichen Ruhines teiihaistig wurden, als
vellwenige Eliedsr in die Perlenreihe des „Di-
van" eincMet z-u werden. Kein Erlebnis. das
dl<,sr AlterslyriL ?,u Ermide liegt, ist auch so vou
d.m Zln>.b:rhin-ch echter Poeste umwittert als die
marck.cnh.'.st schone sinnigL Begegnung der
r^idcn ^cb'.nden und rhr reines. nur von geistig-
lecliicheu B.r.>^-suttLen ersiUltes Verhälttzis. Jn
tZrankfurt, der zwcitrn Heimat Mariannes, beaon-
nen, au ihrem ldyllijchen Londsitz, der a,n Mam
v-l,.'üc..eu Eerbeimühle. entfacht. ist es in Hei-
"^t.drrg zur «^lamine emper-zelodert, oeren
ml.der Echem furd-rhin das Dassin dcs aus Nim-
merwseder^hen getrennten iLaares >durchleuchtet
und crwariitt^ Das Zufammeiitrsffoir Goethes mit
«vcattanne nnd seine poetisck>en Früchte bilden
Nlcht nur-^tt Höhspunkt ihn.r zart.n Bcziehun-
Len. -londem anch den Eiviel der schönLcistlgeii
PersLl'.gelcheit Heidelbcrgs. dsr fchon vom Elanz
k-er Hrimanistenzeit wie fpäter vom Schimmer der
Slomantik üderhau.chten Slätte.

An seinen sck-önsten, vou Natur und Kunst und
Eeschichte sleich.'rmatzen gEsihten Ort, an das
vlte Pfalzgrasenschloh und leinen' demcrls noch
wrldronittntischeil E-irten sjnd auch die eindrück-

lichsten. Erinnerungen an Goethe-Mattcmne aebun-
den, und hier ruft.allcs dem Freund -und Kenner
des „M'-st-östlichrn Dioan" die Vervflichtung zu,
das Gednchtnis dieser einzigartigen Liebes- uno
Dichtungsperiode durch ttn Sinnbild zu verewioen,
das rhr innsres Wesen sum Ausdruck Lringt. Hier,
cmf der S chlo ß t e r r.a>ss e. d.Lren fast täülichen
B-esuch das Tagebuch Doethes währcnd seines letz-
ten Auferithaltes verzetchnet. Logrüßt der Dichter
das „Prachterschrinen' der Atorgensoinne. hier, an
„'oes lust'gen Brunncns Nand", wie „am Ende der
geroihten Hauptallee" gräbt er den Namenszug der
Eeliebten in den Sand, hier bLsingt er a,n M-or-
üän ihre Nnkunst — ein Symbo!.' der Erfüllung
seiner Sahnstrcht — das Währzeichen der stidlichen
Nülur dieser fchönsten deütschen Eegend. die Edel-
kastanis mst chre-u volien Piisthelzweigen; hierher
wo die „hohen Mauern" glüheu", war die Seele
Ma-rinanni «s anf Flügeln des Etösanses dem
.^Vietgeliebten" entgeAenseeilt, bis sie, am 23.
SopteMi-sr 1815, zur beransche'iden Elücksenrpfin-
dung Eoethes selbsr eintrifst und er im «Wieder-
finden". der Perle seiner Mustik. die Eeligkeit
dieser Bereinigung wie eine Neuschöpfung seines
Ichs und d?r Welt nnt unergründlichsr Tiese be-
juüelt. Noch gohöreir das A<echselgespräch zwischen
Hatem und Suleika „Volk nnd Knecht nnd Ueber-
winder", worin er die Hingabe an die Geliebte
über das Elück dsr Persönlichckcit stellt, sowie das
leidenschastlicho ..Lieh um Liebs", morkn der Greis
stch jugendlichc Neize erschnt. nm Suleikas Schön-
heit zu erwidern, den'Tagen der Bewegung an.
bis iMariaime am 26. September wlcder in die
Heimat reist, von wo ihr herrliches Lied an den
Westwind mit ihrer schmerzlichen Klaig,.' über die
Trennimg erklingt. Goethes glühendes Lied „Lok-
ken ballet mich gcfangen". die Vergleichuns soines
stürmischen Her.zens mit dem unter dem Schnee
seiner weißen Haare h-roorrasendcn Aetua und
des von drr Morgcnröt-: bestruhlten HciliLenberas
mit hem »Frühlingshauch rmd Sommcrbrand" st?i

ner jugendlich-späten Leidenschast fit ganz und gar,

ebsnio wie Vi« Betrachtung vor der östttchen Ginso
biloba, deren gesipalteyLs Blatt ihm den gehei-
men Sinn ldes Erns- und DopMtsvms zu kosten
gibt, cm die pathetische Lmrdschaft des Heü>elberger
Schlossts gÄmnden. Me tief diese zauberhafte
Umgebung uyd sein herbstliches Erlebnis in Eoe-
thes Erinnerung hafteten, drücken se-iniä Dviefe an
Marianne mis, nicht minder die ihrtaen und be-
sonders ihr in Heidelberg gcdichteter Hymnus Ms
oem Zichre 1824 an das Schloß:

„Euch griiß ich weite lichiumflossene Näumie,

Dich alten 'reickchskränzten Fürstcnbau..
worin nochmals, in seinem letzten AMlammen ih-
rer Dichterolut. das leid- und freud-volle Geschick
chrer SnloiLaliehe lebendig wird. „Wo fände sich
sür mich eine schöner, durch Liobe uud Freundschäft
heimischere Gegend als Heidolberg?" — so hatte
kurz zuvor die Dich-terin ihrem Dickter gsschrieben.

Das Denkmal zur Versinnlichung und Ver-
herrlichung der im Heidelberser Aufenchalt
Eoethes und Mattannes M köstlicher Noife ex-
schlossenen HaÜ.nn-Suleika-Liebe soll. den geschick-t-
lickM Aorgängen gemäst, an ielnem laüschigen
Orte des S ch loß g ar t en s, da. wo sich . vie
Schloßlisrrasse gegen Süden zum grünen. schattigen
Tal evweitert, errichtet wecoen, an einer Wiese,
deren Hintergrund die mit holhen Bäumen bsstan-
dene Berohalde bildet und die. schUfbewachsen
und im Anblick einer jungen Gingo biloba. in dem
Beschcmer die Erinnerung.'n an dem westöstlichen
Charakter der Dioan-Poesie auslöst: Ein Platz,
dem E-otriebe der auf die Terrasse flutenden
Menge weit genug entrückt, doch n-icht st> entlegen.
daß ihn nicht der Es.'thefreund leicht und sicher
fände. Zhn solt eine steinerne Sitzbank zu sinnen-
dem V-rweilen aufsyrder», die an ihren P-feilern
die Bronze-Medaistons Esethes und Mariannens
trägt, während die Lehne als Merkmal thrps Her-
zenslundes den graziösen Wiedeiljopf, den orien-
tattschrn Liebesboten aufzeigt. Zn zwei Verszeilen

aus einem Cedichte Suleiksts und Hcktems: „lli d
uoch einmail fühlet Goethe Frühlinesrausch u-d
Sommerbrand" und^ „Dort, wo hohe Maue.:
gttihen, F-inde ich den ViLlgettcblen" an dsr ent.
spreckenden Bildnisseite werdsn unmittelbar
den „Divan" erinnern. Die Mefiterschaft Ludwi^:
Habichs, des Schöpfers des Darmstädttr Eost:^
destkmlrls. bürgt dafür, daß «r die Portraits st
durchgeistigen und beseelen, das Eanzs so anmut^
gcstalten wird, wie es dom historischen Vett.ält-
nifie angemefien ist.

Wir wenden uns mit der Vitte um Deilräge
zur Ermötzttchung des Denkmals nicht an das
große Pu.blikum, sondern an di>2 Eoethe-Ee-
meinde, für die es bestimmt ift, dg. sic allem
seine Bedeutung zu sMtzeu vermag. Attch e-ntsprc-chö
eme an di-e bveite Oesfenlichkeit Lerickztete Wer-
bung nicht der ticfbedrückten Lsge un^xes virsrm-
ten Volres. Wie wir hofsen, die Akittel zux Ber»
wirkttchnng unserer sthönen. pietätvollen AufLabe
in aller Stille aufbringcn ?u können. so soll auch
angesjchts des nationalen Unglückes i^de geräusch
volle Einweihungsfeierlichtett. dle anch dem i,i-
trmen Eharakter- unferev Untrrnejhniens nicht an-
oemefien wäre, unterbleiben.

Gesttllige Oeiträsc bittzen wir an den «Go;tHe->
Marmnne-Fundus" der hicsisen Wanken: Nheinj-
scke Kreditbnnk kPostschecknummer klN). Süddent,
sche Diskontogeselllchaft (PMchecknummer 762),
Dresdener Bank (Postschecknun'mer 886). Volksbam
(Postfchecknummer 753), einzafenden. etwolise An-
frasen und Znschriften an Dr. Ernst Trautmann,
Heidelberg, Bergstraße 76a. zu richten.

Profefior F. Boll. Prostfipr H. Kofiel. Rektor der
Universität. Dr. K. Lohmeyer. Profcfior T. Nen-
miaiitt. Profefior A. CchÜle (Freiburg). ProLefior
R. Sillib Dr. E. Trautmann. Pr^essor M - v-
Waldbsrg. Prostefior E. Walz. Oberbürgermcisttt.

Pro-fessor Wive. ,

HieideLberg im Spätherbst des DivanM^
läumsjahres 1919.
 
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