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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 255-279 (1. November 1919 - 29. November 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0386
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iren 6 Wochcm. Die ruislfären DolksbeaufitrLLlen
aniten trot; ber Sorvjet-Verfaffung noch hentc. Die
dentfchen leaten ihLe M,ilL-.'r nach der Wicchl dor
Nattoimilverfanlmlung und der Bildung des
Neichskabin-etts nach 5 Moimten nieder. So -erhobt
sich von selibft die Fvagc, in welchen Bcchnen die «e-
fchWliche Weiterant w icklnng vsrllm§Ln
wird Die Gefahr einer weiteren 'NadiKvlifiernns
nach links säteint. bcfonders naä) den Ereignisson
dcr letzten Wochen. behoiben M sein. Dentfchkrnd
ist e>bcn nicht Nlltz'-and. und die böhere Kulturforln
bringt cmch tisfero Erkenntnüs für StaatSnotweir-
digkeiti.'n m-lt sich Solange fv.'ilich dle Düinokratis
in der jetztgen Forni bestehen bleibt, d. h. «rlso
mit ErschKnungen. dt>e uns in der GesamtchÄt nicht
nur frenid und unoeläuffig. sondern auch unbegucm
und unansrnebm sind. sMnge ferner die Demokra-
tie die H<rup 1 schuld an unserer imtionalen
Zerriss'onlheit, Schwächt und Okmmacht trägt. sind
EvschütterU'Ugen nicht ausgeschlossen. Erst wenn in
und mit der Nepuiblik ftarke monarchrsche Werte.
wie eine IbaUke Spitze und eine entsprechende Boll-
-iligsgowalt. ferner oine sachliche, nicht r>on den
Eliiflüssen und Vegehrnissen der Stratze -abliänaige
G-of.'tzg.ibunL und oildiich auch oine vorsichttge,
wemi auch bewuhte auswärtige Politik zur Gel-
tung kommen. ist der innere und äussero Aufstiea
nrösUch. Die Frage der Monarchre. von Vielen
roin aafühlsmäsrig brtrioben. splolt dabri im Mo-
ment keine Rolle. Der Standpunkt. den die Deutsche
Dolkspartei dab-'i einnimvmt. das; die Monarchie
nur uiuif dem güsetzmäkigen Woge nach dem Willen
dcr Mchrhoit wieker etngcfü'hrt worden darf, ist
der in der gcgenwärtigen Lage gogebene und rich-
trge. Uober die Form der Manarchie sich jetzt die
Köpfe M zerbrechen. ilst überflirssig. weil später die
pkraA' des Einheitsst-aates eine ganz andere
Nolle spielen wirv, als heule. wo lle nach dem ver-
schandetlen Preutzschen Entwurf nur ein geringes
Stück vorcrn gekommen ist. Getrachten wir die Ent-
wicklung Deutschlands m grotzen Linien. so zeigt
sich <vls erngige wirkliche „Errungenschast" der Re-
volution der kleine Schritt wvitor auf dom Wege
Klvm Einheitsskvat. Noch ist die Entwicklung. die
mit dem Reichsdeputationsliauptschlufi 1803 erst-
mals bogann und über 1816 und 1666 zu einer
Vereinfachung der Ctaatsaobildv- führte. Nicbt ab-
geschlossen. Sie wivd aber mit geschichiliäien
Zwnngsnotwendigkeiten woit-.r gehicn. ein Rück-
wärtsrevidieren hierbei wäre wirklich ReMion.

D'r tzcchrestag der Revolution ist aiuch der Er-
innerungstag «n die Wafscnstilkstandsbedingungen.
Für uns. dio wir das Leid unscres Vatorlandes
und seiner Schnmch und Not nicht Mrteipolitisch
betrackten, sondcrn als Deutsche empfllüien und
darunter leiden. richlet sjch non soM der Vlick da-
hin. wo wir Erhorung und Erlökmg erhoffen. Wir
erwarten sie nicht von Parteitagen und Parla-
NlentSbeschlüsfrn. sondern nur a'.n einer tnneren
Gosamtoesundung unscres Volkes heraus.
Wlr.müslen alle miteinLnder an ber HMmg unse-
rcr moralischen Daluto adbeiten. in dcr Trostnng
deiscn. wus uns ein gütiges Eeschick durch den
Mino unserer Dichter und Er>'«se-l :<ch.-itze'i hat
Vom DöU'.i'chlachtdenHnvas in Leip.vg sp > t s'ch
ein unnchtbarcr Vrgen cum kierrinai.i'.sdenk n.li im
Tantoburger Wcvld. Beide find Künder einer Be-
freiung, unv was Vaterland >und FreiheiL
heißen. wiffen wir heute besfer a>ls in drn Tasen
des Glückv.- Aber nje merden wir die Lukere Frei-
beit errinarn. b.'vor wir nickft innerlich.beffreüt sind
Datz rvir ffe erreick>en, ist unsere Hoffmmg. ja un-
sere Gcwitzheit. Denn wir können uns halten an
das Wort des Apvstels Pcmlus. das er im Gala-
kherbrief Kap. 5. Vers 13 niodevgelegt hat:

Jhr ober. lioben Briider, seid zur Freiheit
b-arufe n." Mögen divse Worte in Wahrheit als
ein Evckngelünn. eine froho LZotschcrst von allen
Knnzeln und KatlhiKern. in den Dcrsammlungen
und tn den Familien verkündet werden, <cu.f datz
N« joder höve -und davan gjlaube. cvus demselben Gc-
fiilhl der Dewifcheit heraus in dem einst der Dich-
1er Max von Schenbmdorff sang:.

Ein Morgen wird noch tommen,

Ein Morgen lrcht und klar.

Sein harren alle Frommen.

Jhn schaut der Ensel Schar.

Bald schaut er sonder Hülle

Auf stckn doulsch'n Mann:: :

O brlch du der Fülle.

Du F^eiheitstag brich an!"

L. 1?.

Die Sozialdemokratie feiert!

Wor am 9. und 10. November des vorigen 3ah-
ves mit wachen Augen u.nd klaren Slnnen durch
d'e Hauptstrasren Berlins wausoerte. dem bot sich
ern Schauspiel so besonderer Art. datz er glauben
mutzbe. auf ei-nem Zcmbermantel plötzlich in ein
fernes Land oersetzt zu soin. das von den Schreckon
und Leiden des Krreges nichts wutzto. Die Linden
entlang. über den Schlofwlatz. durch den Luftgar-
ten und die rmgsum mündeuden Stratzen wälzten
sich unabsehbare Schareu von Menschen. Mann,
Weib und Kind. ang-ezogen wie zu einem Feft an
emem schönen Sommertaa. plaudernid und lachend.
mit bi.'schwinatem. sorgenbefrestem Schritt. Und
wenn auch aelegentlich einnral ein Schuff f»el oder
droheud ein Lastauto mit schwerbawaffneten Re-
volutionehelden vorübervaffelte. wer achtete da-
rauf. weiii störte das die Freilde des allaemeinen
Feiertaas?

Nur einen Auaenblick scheint es. als wolle ein
Wermutstropsen bilter und schwer in den schäu-
menden Becher der Freude ffck senken. An einer
Ctraffenecke verliest von einer Autodroschke herab
eim Redner ein langes Telearamm — dle Wafsen-
stillstandsbodinaunacn der Entente. Ninas verdü-
stern ffch die Geüäiter. Fäuste ballen ffch. ..das
M-nze lmte Rbeinufer wollen sie haben?" Aber der
Redner hat auäi dasür -einen Trost bereit: es^ei
noch lanae mcht aefaat. daff wir diefe Vedinaunaen
annehmen mükten. Auch drüben werde schon die
roto Fahne aebtkt. die Weltrevokution soi auf dem
Marsche. da werde Alles aut werden! Und weiter
aeht der arauffae Karneval. —

Wer diese Szenen miterlebt hat. wird ffe nie
veraeffen können 3miner werden sie rhm vor der
Soele stehen als «ntsetzliches Stnnbikd sür d'e po-
litische Urteilsloffakeit und Plxrntafterei des deut-
schen Volkes. Das Erundaesetz alles politischen
Lebens. wie es Ranle uns lehrte. die ernste Er-
fahvuna. dak die arokcn Tatsachen der ausrvartiaen
Politik entsckieldend sind auch für das innere Leben
der Völker. ni.e ist es in aleich verhänanisvoller
Wcife verkannt. auf den Kopf aestellt worden. Denn
während drausch'n die Dämme brachen und eine
fein-dliche Welt. m makloser Wut aepeitscht. in
Mhriaen Kämvfen voll Mord und Verwüstuna.
übor d-as wassenlos arwordene Deimchla,nd her-
einstürzte. stand hior der deutschs Träumer. vcr-
aak um ffck di-e Welt und iubelte in tindlicher
Freu^e. we>il er ern Paradies abstrakter» Theo-
rion aiuf den diirren Boden der Wirklichkeit her.ab-
aezaul>ert zu sel-en alaubte.

Wie schnell ffnd doch die Träue verfloaen!
Wo ist he,ute die Weltrevolution?
Keine Hand hat sich nerührt. als die Feinde einen
Frieden auf unsern Nacken leaten. der in dcr Ge-
schichte seines Gleichvn nicht kennt und der uns in
Wahrhest nichts läkt. als di-e AuaUK unser Un-
alück und unsere Schmach zu baweinen: ein Friede
auch. der 3eden. auch den Aermsten. ins Mark
seines Daseins trisst. der alle Wohlfahrt. alle so-
ziale Fürsorae beschneidet und hemmt. weil er auf
Generationen hinaus vor alle Ziele und Zwecke
unseres Dolkslebens ein eisernes Gebo! setzt: die
SklaveriLrbeil im DieMe des Ententekapitalis-
mus'

Die GeschichtsschrLibuna maa einst darüber ent-
schcliden. ob die Nevoliution und ihre Vorboten es
maren. die uniere Niederlaae herbeiführten. Aber
heute schon seben wir ein-es mit unerbittlicher
Wahrheit: erst durch die Revolution ward di«
Niedrrlaae z^r Ka-Iastrophe. erst die Revolution
lieferte uns mit aebundenen Händen den Fojnden
aus. erst ffe maLte Deutschlands Glück und Deutsch-
lcvnds Ebre zum Svielball feindlicher Willkür. In
Versailles am 23. 3unr 1919 ernteten -mir die
Frucht des 9. November 1918!

Vor diesen barten Tatsachen ffnd inzwischen
vielen die Auaen aufaeaanaen. Auch ein Teil der
Führer in der Sozialdemokratie ist viel zu klua.
ffch diesen Zusammenhäncrrn M verschlieken. Wie
der jetziae Reichskanzler und damaliqs Staatssekre-
tär Bauer schon in jenoa Novembertaaen bleich
und mit aerunaenen Händen in scinem Ministe-
rium bin- und herlief. als die Nevolutionsnach-
richten kamen. so wird noch mancher seiner jetziarn
Kolleaen nur halben Henens -an die Feier des 9.
November heranaehen Aber was hilft das Alles.
Auch hier entscheiden Rücksichten «incr beschränkten

-uusnrill) w'-eocr ern-
mal dj« Hosfnuna auf ein Eesunden der deutschen
Dernunft aufgeben. der Karneval muk wleder bv-
lebt. die Sinnestäuschuna d«s deutschen Trönmers
künstltch verlänaert werden. Und so beaeht auch
die Sozialdeniokratie seierlich den Taa. an dem in
Wahrheit über Deutschlands Knechtschaft entschro-
deu wurde. so foieri auch ffe das Totensest des
fveien Deutschland!

Wir aber wollon dankbar sein sür diese Feier.
dsirn sie schaffl Klarheit uind brrnat
«.in Geständnis! Wenn in letzter Zeit die
wohl beareiflÄen Stimmen ffch mehrten die da
vevffchern wollten. die Mehrheitssozialdemokratie
traae belne Vevantwortuna für die Revolution. ffe
habe ffe nicht aewollt. fie aar m verhtndern ae-
.. Ht nehnien wir die Sozialdemokratie beim
Man feiert nur. was man im Herzen be-
>E u-nd bearükt. Auf dem zweiten Rätekonarek
m Berl'N im Avvil 1919 sprach ein Sozialdemo-
krat die vvophetischen Worte: ..In zwanzia Iahren
wlrd das deutsche Volk die Varteien veädammen,
di« ffch rühmen. die Neoolution aemacht zu haben."
- ^-Ä^booofeier dcr Revolution saat uns mit vol-
ler Oftenheät. dak auch die Mehrhestssozialdemo-
Mrtie zu diesen Parteien aerechnet werden will-
Wir werven es niLt veraessen! L.

Der Menschenverlust Deutschlands

lle-ber den Mcnfchenverlu-st. den die uns durch
den Frictzi-'nsvertrag aliserlcgtcHl Gelöieisabtretun-
gen -für das Doutsche Reich mit sich bringen werden
ffnd unrichtige. mcist viel zu opti'imstische Mittei'
lrmgen verbreitet worden. Wir entnc.hmen den
MttoAungen des Vercins für das Doutschtum im
Ausland, datz wir in Eurooa 6 Millioncn Einwoh-
ner (von 66 Aüillionen überhaupt) unbdingt ver-
licran, während über das Schickjal weiterer 3 Mil-
lionen die Aöstnmnungen entscheidon wordcn. Dasu
kvmmt dav Verlust dcr Gssamtbovölterung unserer
Kolonien. Von den 6 Millioncst, deren Aötretung
rom Re:chskörv:r -nicht mehr in Fnage chc.ht, stnd
3.8 Millioircn doutscher Muttersvvachs imis nur 2^
Millionen Fvomdsvrach'lge,- von den 3 .Mllionen
Vewohireljn dev Abstimmungs-gcbiete 1,2 Ml.lliow n
deutsch und 1.8 Millivnen sremdsprachig. Alle diche
Zahlen stützon sich auf die Vol-kszählung von 1910.
Sie bewcisen. dnb -wischen 3,8 Mllionen und 5
Millioiwn Znlanddeutschör kiinftig, je nach doin Er-
gvbnis der SWstimmMgen, ru Auslandsdeut.
schen gest mvclt werdcn sollen, oder vielmchr
ivenn es nach dom Willen unserer Feinde geht zu
Ausländern schllchtweg. Sioch gröbsr ist crbcsr
die Aahl der östc rrei chischu ngarischcn Deutschens d!«
unter -Fremdherrschast geizwungen werden od-r vci:>-
bleiben sollen.



Fiume. 9. Nov. (Wiener Korr.-Bur.) Am
vrngenen Mittwoä? kcnn es zu einem blutigen K
ammenstob zwffchen italienischen Reaie^,»
^!!k^!E.^^?unzio-T

Lpfer aefordert hat.

Als Arbeitssklaven und Gciseln

Der Progrek de la Somme schreibt: Das Zn-
krafttreteil des Fri-edensvcrtrages schliekt die Be-
freiung derdeutschen Kriegs.gefangenen
ein. Man muk aber nicht glauben. dak wir
Deutschland zugleich uiisere 4.'ü1000 Eefangenen
zurücksenden werden: sie werden bei der Wied-sr-
herstellung der zerstörten Eebietc
verwendet. anderseits kai'n man ffe als Eeise'ln
ansehen. avrlche den Respckt vor dem Friodensver-
trag ficherffellen: bevor inan sie llber den Rhein
sendet. muk Berlin zuerst Earantien für die Ge-
stellung von Handwertern und Technikrrn geben.

, Es ist bestimmt anzunehnien. dak noch einige
Wochen, wenn nicht Monate vergehen wer-
den. bis die Regierung ffch emschliekt. die Kriegs-
giefankenen zurückzuziehen, dir das wiederhevstellcn.
was ihre Brüder in vcrbrccherischer Weise zerstört
haben/ ^

llnd die Menschen. die sich nicht-nur über das
ungeschrlebcn-e Recht der Menschlichkeit. sondern
auch über das verbriefte Necht untersckfriebener
Verträg-e hinwsgsetzen. ver^angen von uns Scha-
densersatz wegen anaeblich nicht erfüllter Vedin-
aunaen.

Deutsches Reich
Württemberg sordert sosortige
weitere Einschränkungen

Das württembergische StaatsmmisterÜM bat
einmüti« bäschloffen, dieRelchsr-egierunn^

das dringendste zu erfuäM, sie möge '

1. Das gescmite Verkehr srckefen in Dcvtsch-
la"d mit sofortiger Wivkung einer mit wei-
tejtgehcnden Dollmachten ausseftatteien zentraleü
Devtehrsleitu-ng unterstellen.

2. Borsorge treffen, datz a-uch nach dem 15. No-
vember -durch goeignete Einschränkungen dcs
sonenverkehrs die Flüffilckeit und ausreichend.'Lej'-
stu'-iMähigkeit des Mterverkehrs aus allen hrut-
schen Eiisonbahnen gesichert ist.

3. Den Personenverlehr an nllen Coun- und
Feiertagen auf allcn deuischen Erscnbcchnen bis
auf weiteres untcrfagen.

4. Die Benutzung von Personen-kHastwa-
gen nur an Wcrktagcn rmd in jedem emzrinen
Falle nur gogen besond-erebehördlicheEr-
laubnis zuibaffen.

5. Eine b sondere Ucb1:wachung zur D-.cherfkl-
lvng vegSlmätzisei und ausreichender Kohlentrans-
porte auf dem Nhein und d-urch die -Da-Hn ncch
Süddeutsch-land einrichten.

6. Eine weitere Einschränkung -des Ver-
brauches an Eas und elcktrischem
Strom für das ganze Rüich einheitlich vor-
schlMen und ebcmso eine einhe'tliche Polizeistunde
sür alle öffentlichen Lo-kale vorschre.ben,
Lie.nicht nach 10 Uhr abends liegen soll.

Die Veoolkerung Süddeutfchlands
vermag die ihr a-ufgezwMlgenVN ü-beraus barten
Einschränkungen sernerhin nm- Lann zu ertragon,
w-enn sie die Gewitzheit hat, datz die sür dcn Koh-
lenbesug günistiger liegenden R<ichsteile -denselben
Einschräntuilge-n unterwcrfen sind.

Gute Folgen d:r Verkehrssperre

Aus Essen an der Nuhr wiird gemeldet. datz
infolge der Verbehrssperre die Brennstofsab-
fuhr aus dem Ruhrgebiet erheblich gestie-
gen ist. So wurden von den Zechon 1044 Waggon
angeforderk. von diesen fehlten nur 538. Beccits
Mrückgeliefert wurden 16106.

* Noch ein nenes Neicksamt. Die Erledigung
der nach der Auflösuna dcs alten Heeres sehr um-
fangreicken Abwickelunaearbeiten erfolgen zurzeit
durch unaefähr 2000 über das ganze R«'ch zer-
strKuten Abwickslunasffellen. de ihrer
bisheriae-l Zuaehörigkeit entsprechend drm frühe-
ren Kriegsministerilim. dem Reichsministerium des
Znnern. dem Reichskolonialm'Nlitcr'-um und ande-
ren Reichsbehördcn untersteben. Von dem Reichs-
finanzministeriuly ist daber im Zntereffe der
Neichsfrnanzen die Einsetzung eines Reichsab-
w ickelunasar-tes mit einem Reichsabwiäe-
lungskommiffar ün der Spitze in Vörschlag ge-
braäit worden.

* Der Wiesbadener Oberbll:gcrmelfter im
Darmstädter Scklo'n. Der frühere Grotzherzog von
Heffen hat dem ausgewiesenen OberbLrgermeister
von W «sbaden. Glaesffna. eine Wohnung in sei-
nem Palais anaeboten. Elaesffng hat das Ange-
bot anaenommen.

-s Haases Nnchfolger. Das durch den Tod Haa>s
crlckoigte Mandat der deutschen Nati-onalversa'mm-
luug für den Wahlkreis Berlin sällt an R'chnd
Herbst, der aus de-r K-cvndldateul'osto der Una-L-
hnngigen an fünster Stelle steht. -

Die gewöhnliche erste Stufe einer besseren ^
N Laufbahn ist die, dah w.jr daS Nechte unb H
H Gute ernstlich wollen und allmählich dem Ge- d
<0 nuß jeder Art vorziehen lernen. Das ist die H
2 Trkenntnis des wahren Glückes gegeniiber dcm F
8 falschen. Hilty.

^L-SSVSSSSSSSS » SeSESLELLSES

Synnenfinsternis

Noman von Else Stieler-Marshall
Lop^rixbrb^ QrethleinLLo. Q.m.b.II. Leiprig 1916
. (33. Fvrtsetzung)

Alles roar M bohaglichem Trimkc Punfch bereit,
nur die recht« Stimnuulg fehltr nun plötz.ich.
Zwar braute er d!as rvijrzige Eetränk. Er lietz -auch
einige Zweigp soines C-Hristbaulines knisternd -a-m
slammenden Liäste anslühen und spie'te -auf der
Geisr di,s -alte fchöne Weise von der Heikiaen Nachi
... Hirten erst Sundgemacht.

Und er griff zu dem nouen Buche seines Liob-
lingsschriffftellers, das er sich a.1s Fsstgeschenk hatte
kommien taffen lmd entziindete die Zmporbe, di,> er
-sich zur besondSren Feier gönnen wollte. Alter sü-
tzer tlndl-sitsvertrauter Weihnachtsduft Wlte den
kleinen Raum. der Punjch war kräftig nnd gut,
die Zigarre -mild und vornehm ini G-fchmgck, das
Buch verriet schon a-uf den ersten Seiten alle Vor-
Lügc des oon ihm göiiebten V«rfäffers.

Und doch, un-d doch, er logte d.m Baild aus
der Hand.

Cr verfuchte es nock einmal mit den alten

gvij-f an fein Hern und sana es dock) nicht
zur Ru-Ho... Sohnbucht hiell es in Zwang.

Eine unbändig schmcrzlich w-.che Sohnsucht, die
nack-k der verlorenen Schwesterscele suchte. nach
d.in trouen suten Lebmskameraden verlanate.
.und nach der hdlden liebreichen Fraru schrie und
'brannte.

Er löschte die Lichter am Vmime. ffe talen ilM
weh. Alles Licht lietz «r vvrgehen. Er l«Lte sein«
heihe Stirn «uf das kül)le Glas. das Hannas Mld

barg... wohl tat es ihm wi-e einstmals ihre linde
Hand.

So fatz ei lanse, vrrgraben -und versunken in
öine schöne Llückliche Verkangenhcit.

SöMbetrug alles, was ihn jetzt ibefriedigte
und manchmail sogar beglllätü Und darunter blu-
tete-dle ofsene Minde und schm^rzte. schml.'rztL!

Aber dankbar mutzte man diesen Selbstibetrug
immer wi^ier cus einon stillenden Verband an-
leaen.

Ack die gj.priesn-e Gnade der Einsamkeit. Was
für ein -salsches trügeriif-ches Ding. War es nicht
das Erstft, was der Schöpfer selibst -cimpfilnden, als
er den Mann. die Kvone der Schöpfung. ersäMen?

,.Gs ist nicht aut, dak der Mensch -allein sei...
Zch will ilstn vine GeHilifin machen, die um ihn
-s-ei!"

Dcr enae'Raium erstickte den Sehwsucht Ver-
sehrten.

Er stiea hinaus auf seines Gipfels höchsten
Punkt. Die Mitl-ciuM lvar nass>:... das Kind-
lein wärd geb-oren. Drcchen cinn Hlnftnel sliammte
ffegp.'ich der Stcrn von B-'Wehrm.

Schwestersdele, pw schwebst du im All? Schwe-
stersicele, ich grütze oich! Ehre sei Eott in der Höhs
und Fricden Ef Erden uud den Menschen ein
ÜLohlgesallen...

Am ersten Fuiertaae b'-ate es ffch wle -eän dichter
bvwog icher weitzex Netzschleter -um den Wetter-
turm, -alle Aueiffcht mit tollenr Geflimmer verber-
igend Es schneite den aanzen Daa und -aluch die
Nacht hindurch ununterlbroch-.'n. der zwivite Fest-
stag aber brachte bl-auen wolkenl-as-en Hftnmel und
strahli-nd ao-ldenen Sonn-e-n-schein. Der SchiLee lwa
festgefroren über dem Bevge. auch d-le Gründe er-
glänztlen wie Silber n-nd hie aeg-enüber ltvgenden
Fekfenzacken der Notnadel und der Sonnenflügel-
spitze, ti'iiaen mächtige roeike Ka-ppen... es war
ein Anblick, bci dem Klinsharts Herz -all seine
Schnsucht ^uxrna und das Triumphlicd wiedcr
in i.hin klang. leben zu dürsen in diieser Welt der
reinsten Sä>önheit, weit über dem Alltag mit sei-
nen k-leinlichen Kümmerniffen.

Dcr kl-cine Peter kam herausgestiegen, er brachbe
Weihnachtsbuchen. den die Bäuerin gebacken haite,
srostrot u-ar se-in Gesicht, die Auaen blitzten in hel-
ler Winterlust.

„Hrut ists stnn lustig", sagte er. „es klingt in
den Ohren!"

„Wie war denn dcr Wea?" ^

„Halt slatt eind wenig", erzählte der Hütb-u-b.
„Aber fcst ift der Schnee, so ist ein Gehrn wie auf
gefrorenem Stein."

>Zn der Küch.i packte P-'ter den Rucksack aus.
Lamter gute Dinse. und er berichlete m>it frohem
Eifer, wie fein die Bäu-erin gebacken und. was sür
einen schönen n-euen Anzug si: ihm genäht habe.

«Zch hätt Euch den Kuä>en sern schon g.stern
heramfgebracht, abcr es wirbelte io stavk. und dann
stt es oefährlich amf dsy Dexg zu steigen weHen der
Schneefvau."

sFortsetzpng folgt)

Äunst und W ssenschast
Das Wcsen der Polkshochschule

Leitsähc zum Vortrag von Prof. Dr. NieÜLrgaÜ
am 10. November in Heidelberg.

l. Wir sind noch lanse kein Volk. so'.idern wir
sind zwei Völker auf einom Bodsn. di» sich
nicht kennen noch vcrstehen. Daran träat der U n-
terschied der Bildung mvhr Schnld. als der
des B-'-sitzes. Unter Bildnng ist absr hierbei die
llanz Art verstanden, zu Leben und «Welt Stellrinü
zu nehmen.

3. Zuimeist freilich fakt nmn Dildung <vls Wissen
auf. Mithin h.'rrfcht noch das Norurtsil. dak 2vis-
sen, -also Eedächt-nis-besitz, Macht und Reichtum set.
So erüärt stK die Entfremdun.g zwischin der sog.
gebildeten Schicht mnd der L'öasse; man hat zu we-
nig mitsinander gemein, um ffch als ein Volk süh-
llen zu können. wv'il die Vinen wtssenschaftliches
Wiffen habcn und die Andern nickt.

9. Volkshocksämlen sollen keine Anstalten
bein, >um dsr ^>Näff-e von den Tisch:n der soa. Bil-
duns ein paar Broiämen zukomimon zu lassen: das
wäre sanz im Eeist einer vergangenen ZsiL ge-
kÄckst. die nicht nur einseitig ocrstandsmäkig.. son-
dern auck stoffglüubig gcrichtct war Nur solana;
es den wirklich wissensdurstigen Ang-ehörigen der
LMfe noch nicht niöalick ist, wlsl-c-nschIftlick.'s Wis-
sen amf Fackschulen zu erwerben. soll die VolkShoch-
MUo dtesem Zwecke W dienen Lereit setn.

4. Unsere ganze politische und soziale Lage erfor-

dert ein ganz andeves Dorgchen: wr-e in Däncffarck
na.ch seinem Zusa.nvmenbru:h 1861 oie ganze Anl-
ga-be der. Vo-lksbilduna zum Neuaus-baai des Ds'kes
an.gcsakt wurde. so muk sie auck bei uns mnter du:-
sen Gesichtspuiikt treten. Darum sti ste wer.igcr
Unterricht des so-g. Voites durch Akadomiker, a-s
cine sozial gidachte Vevansta-ltuNo: im geme'insa-
men Genuk der -geistigen Güter der Nation sollen
sich di« Ang-ehörigm der verschiedeneR Bolls'Hich-
tcn Msammensinden lernen So sei das Lcitwort
weniger: Bildung des Vslkez. als Mldung zum
Dolk. d. h. Heranbildung zu einem ein-
hVitlick« n V 0 lk..

5. Darum kommt es auf folaendc Punktr. bestn-
ders an: Bo ksaefiihl, StmtsEhl. Gv'ileliMst
und Freude im Genukl jener nationalea Gcftltze,
Gcminn einer Lebens und Weltanschaui'.ns, vie
Knrft speichen -tlnn, i-M alles SKwere -der kommen-
den Zal)re zu ertragen und zu leisten.

6. Tmum kommen vor aslem solsLnde Stosfe m

Detracht: G schichte als'Lchrmeisterin der
Volksart und i)es nntionalen Vokkswillens; Natur-
wissenschast nicht als 'Autorität des -2tofglau^n^
sondorn als Vorn erhcbeuden Velitäudniffes lli "
essanter uud -sinnvoller VorgäE soivie der ft^i '
an der Heinmt; Kunst u,w D.äiiung atz GeaenK
wicht gegen Arb?it und Verdr-uk d-^s '

als Gegenstand wu.lsch o,er Frende; Das
väl-kischcn GomLinfchaft als Quelle b.« Erk.iinln
und geisüs-'n Förderung; Philoiovhie 'Md ^
gionswiWeschüt zum Anbaiu r'nh ^

AreltanschMunL Sonder,vagen einze >i«r Gr.Pp
und Berufe sollcn nur ausnahmslveist ^rsebo

werdc.il, und zivar unter der im 3. Leit.atz one a
benen Bedingung.

7. Als Weise der Darbietung empfiehlt sick '
Lllgonminen woder der Vortr-ag naco

-mäsjiüe Unterricht. vielmel-r eine ver L^ ^

meffene Eenn.'insck-aft im Suchen und ^

diene zunächst einmal die aam. llnerlatz M ^
sprache nach c'mer.leden Äarbieiung. ^
aber die Arbeitsgenlemswrst oounichtaWV.e^
Lleicha.stimmlen PerfoM-'n; m K konnen
„Gebildete" uud der -.aememe Acann ma^
von einander lernen. So bahne ffck oine
des Volkes zum Volle an.
 
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