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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

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Nr. 255-279 (1. November 1919 - 29. November 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0444
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Das Äeich zerschlageki, trostlos Siück um Stück,

Die Seherblicke heben mühsam sich vom Bodeu
Und fordern laut vernehmlich mit THillionen Toten
^ZHr Recht auf Aukunft unv ihr Recht auf Giück.

A)ann stirbt er endlich an der eignen Scham,

Der welttyrann dcr ^absucht voll Verderben
Und gibt die Lrde'frei den wahren Lrben,

Die unser Schwert urnsonst zu küren kam?
wann kommt ein A7ann, aus Taussnden erbracht,

Gin deutscher A7ann, wenn alle sonst nichts taugen,

Und hebt sein volk empor vor aller Augen
Und bricht den Bann des Schicksals über Nacht?

Auö bem 2. Heft LeS .Schwäbischen Bund"

Scheffel als burschenschaftlicher Reformer

Don Wilhelm Fluhrer, Karlsruhe

Die politische Bewevuns rm ZÄhre 1848 schluü chre Wellen
auch in das deutsche Hochjchulloben hini.'in. Mai des ^»llen Jcrhres
hatle die Burschenjchaft .Germanm' i;u Iena in der m L?aMfurt er-
schcinenden .Deutjch.n Zoitung" einm Aufrm an dre BurichelqchaiUm
an den deutschen Hochschulen als -an den Kern unv das «alz dertt-
fcher öochschulen"^ssen. sich Mm MinÄNeste^ cmf der Wardburg
zu uerMrmeln zur Besprechung der Rösorm der deutschen Akademien.
Ticse Einladung wurde bald m einer -weitm Bekminimachuna er-
weitert a-uf alle Freunde doutscher Untversitaten. Die Wartdursver-
simnmlung sollte am 1. und 2. Pfinssttag (11. und 12. Zuni) Wttsmden
und iman wollte dort über die Universttatsgesetzgeoung beraten und
eine Biitschrift an das deutsche Barlament «ntwerfen. das dj- sämt-
lichen Universitäten M Anstalten der deutschen Nation erklären. chnen
unbedingte Lechr- und Lernftecheit zusprech.m und die eigene Gerrchts-
barkcit au.sheben sollte.. Von der Universitüt Vonn ber knm em ähn-
licher Aufruf und beide fanden auf allen Univevsitäten sroßem An-

klans. Die Veransbaltung selLst war von den meisten deutschen Hoch-
schulen beschickt. sogar aus dem ftrnen Wien war eine 26 Mann
starke Abordnuns einsetroften, Ueb«^ chren ursprünslichen Zweck
hinaus wuchs sich dt» Dcrgung zu eiMm Studentenvcrr amonte aus.
Man fatzte dort BeschLsse "über die ikinziehung des Vermösens aller
Universitäten zu Nationckl'cigentum. einheitliche Leitung dieser An-
stalten durch das Reicks-Unterrichtsministerium, Abschaffuna der Fa-
kultätssonderung, 'VeteMgung der Studierenden beii der Wabl der
akaidemischen Behörden und Lchrer, Nulfhsbung der Ausncchmeserichts-
barkeit. OrMnifierung gller deutschen Studenten LU einer grotzen
Studsntenschast und a. m.

Dieser Tagung roohnte cruch, wie uns Schwanist bezsust hvt.
Scheiffel Lei. Dcmrals war er als Logationssekretar des Gefandten
beim Vundestag, Weffer. in Frankfurt tätig. OL Schefftl bei den
Verbandlungm auf der Wartbura das Wolrt erariffon bat. konnte
nicht festg'stellt werden. Ueber däs F«st besitzen wir den Bericht eines
Augenzeugen, des bekcrnnten Hovfchers a>uf dem Ecbiete der Universi-
tätsgeschichte. Ludwig Vechstem. Dessen Aufzeichmmgen stnd in der
Zeitschrift „Eermanra" erschienen. Leidex find darin die N-amen der
Redner nicht angegHben, südasi stch daraus nicht ersehen lätzt. ob
Schesftl gesprochen hat. Auch aus andevm Quelle-.i. so aus dem Bries-
wechsel Scyefsels mit Schwanitz. konnte in dieser Hinsicht keine Auf-
klärung gvschüpst werden. Jmmerhin ist es fthr wcchrscheinliH, denn
in des D'chtcrs Nachlasi, der jetrt uiiter Leiking von Werner Ärem-
ser im Badischen Dichterarchiv zu Knclsruh- vcrwaltet wird. findet
sich ein Programm Scheffels über die Reform der deutschen Vur-
schenschaft, ofsenbar der Entwurf ftiner Nede, die für das Wartburg-
fest bestimmt war. Die Abhand'ung ist übechhrieben „Die Burschen-
schost und ihre Stellung in der Eegenwart". sii» trägt den srosien all°
semeinen burjchenschaftlichen Zirkel, den bekanntlich die Heidelberger
Burschenschaft »Fvanconia", der Scheffel am Ende seiMs Studiuims
angchörte. auch fiihrte, ulid das Datum 24. Mai 1848. Die Eedanken,
die SHeffel in den ZeWn Misgchrückt hat. srnd heute nüch beachtens-
wert. fodah sich rhre Veröffentlichung auch hier lohnen dürste. Wör-
icr. die Scheffel in seinem Manufkripte gekürzt hatte. wurden in der
folgenden Wiedergabe cmsg^chrieben, auch wuede die neue Recht-
schreibung durchgffuhrt.

Die Handschrift Schefftls lautet: ..Der Drang nach llmgvstal-
tung hat auch oie deutsche Durschenschaft ersrifftn. Dft Berufuns
eines allgemeinen Burschentages auf die Warlbu.-g zum 18. Iuni ist
der Ausdruck dieses Dvcmges. Wer beruf.'n ist. ftir, Scherf-lein Er-
Mhrung aus einem bnrschen.fchaftlichen Leben mitzuteilen. der hal
jetzt Eelegenheit und Pflicht dazu.

- Durschenfchaft ist, wie jedes historis-he Institut. der KrMk
^rftllen. Eine wahre Kritik deffelben wird nur dazu dkrnen. die hi-
storijchcn Schlacken abmstreifen und den Kern der Sache. Wren De-
^rifi in ^ner vollen Derechiigung zur Zeit darstellen. Der Kern drr
Burschenschaft ist ein unleugbar wahrer: Der Eedanke eines einigen.
ireien Vaterlandes. Dieftr EedcmL.' ist jetzt, trotz Pslizei und Metter-
nich. trotz Herrn von Kamp und aller Mainzer Zentraluntersuchunas-
komMsiionien rum Durchbruch gekomTnen und lebt ftisch und

<xorm croer.



solche ist siv durch unsere zur Klarhett dränaende En^talunav^
nichtet worden. Wenn also di-e Bursck^nsckaft letzt /wcS «Us brrE
tigvss Element in der Eeacnwmrt austreten wstl. so ste aue
Romanti! abstreifen — stck im Verhaltnis zu chrem iruheren lnusti-
schen Treibrn geradezu auf ddn Kopf. d. h. auf den Eedanten stellen.
Das genügt.

Zu Ltesem Zwecke 1. Verlass«n dss christlich-ckermia-
nischen Prinzips. Di>e Relinion als solche ist Sache des Ein-
zelnen. der sis m-'t sich in seiner Jnnerlichkeit abzumachen hat. Sie
darf aber nicht' als Prmzip aufaestellt werden. sonst hat man den
alten iexklusiven. aMnseligmachenden Kram. Die Reliaion. fti der
sich alle wiederfimden. ist die Politik. Die Politik ist unftr Kultiis.
unser Pathos: der Staat ist unftre Kirche. Im Staate.^ im wahrhast-
freien, stttlich-humanen Staat, wird nach dem veliaiöftn ElaubenS-
bekeimtnisie n-chts aefragt. , ....

2. Di« alteRomanlikdes Duells must aufhoren
Alles Mittelalter. was noch in der Eeüenwart festsitzt. rnust wie mnt
Scheidewasier weaaeätzt werden. Wir hoben die Feudällasten aus:
dft örgste Fvudallast des akadeniischen Lebens 'ist das Duell. Weg
idamit! Es stehen uns Zeitew beoor. wo sick der wahve Mul genua-
sam zeikftn kann: 'N den arosten Kriogen. die unftre Zukunft im
Schosie führt, giibts genug Eeleaenheit. vor den ftindlichen Schcmzen
zü zeigen. ob ein Mannesherz in der Brust sitzt. Dort ist die wahre
Mensur, wo rmm stch dunh .Llneifen" blamftrt und in die feindlichen
Refiergeschwadsr lassen sich die kräftiaen Derzen und Qmrrten mit
mehr Ruhm und Wirksamkeit hauen. als auf die Wangen eines
durch nichtiwen Vorwand in diie Schranten «erufenen Eeaner-s.

3. Dre exklufiv'e Stolluna der einz-elnen Ver-
bindunaen. «Damit soll nicht vorckschlaaen werden. wie dies in
ftützeren Perioden schon versucht ward. auf jvder Hochschule alle
KommiUiilonen in eine Burschenschaft zusammenzufasien. So schön
der Gedanke ist. so wenig ist die Ausführuna. d. h. Zentralisafion
aller in oine DerbinLuna. möalich. Stets wird der alte Pyozesi ein-
treten. dasi sich svie Persönlichkeiten nach Neiauna aruppierea und
in Diffscrsnzen mit eincmder aeraten. die dann zur Spaltmia und
leider zum ftindlichen Entaeaenstehen der einzelnen Parteien führen.
Diesen Erfahirunassatz bann wobl ieder aus ftinem akademischen Le-
ben Destätiflen. Es ist hier dasselbe im lleinen. wie im politischen
Leben im arosien. Dundesstaat — föderative Republtk unter einer
eimaen und nach austen ftlbständiaen Zentralgiewalt ist unsere staat-
lichs Zukunft. Dadmch wird den Interesien der Allaemeinheit. wie
den partikularistischen Bedürsnisien Einzelner aleichmähia Rechnuna
getraaen.

Es ist hier der Ort. zwei nleichstarke und dem Studente-nleben
gefährliche Irrtümer zu berühren. Der eine ist der schon erwähnte
(die Jdee der alla-emleinen Vurschenschaften auch in Form ein>er ein-
zigen grotzen Verbrnduna durchfühven zu ikönnen). der scheitert daran.
dah in einem Körpsr von mrhreren ^in^ert Leuten stch nie alle unter
einen Hut füaen und dah die Minorität überall von dem Rechte dvs
Austretens Eebrauch machen und stch selbständig konstruftren wird.

Der andere Irrtum aber ist der. dast man das Derbindunasleben
überhaupt als etwas in der Geaenwart Unbörechtiates angreift und
das ganze Studentenleben in ein zerfahrenes Kameltum verwandeln
will.

Meine Freunde! Solanae es Eleichaesimite gLben wird. so-
lange wird auch der Trftb nach Asioziation sie zusammenführen: Eini-
ttung macht stark! sagt.ein altes Spvichwort, und alles sucht aegen-
wärtia. di^s zu verwirklichen. Vergesie man ja nicht. was den Eeg-
norn des mahnenden Studentenlebens, den Korps. ihre Stärke aab und
was sie solange fortveaetieren. jcr auf vielien Univerfitälen fogar die
Oberhand gewinnen lietz. Nicht ihre Prinzipien. denn Prinzipien hat-
ten ste keine, sondern ihr nach autzen festes und aewappnet.es Äuftr'eten.

Es lätzt sich kühn behaupten .alles. roas auf den Universitäten
zur Durchbrechung des Korpslebens aeschehen ist. ist nur durch die
Orgcmisation fester, ihnen entschieden aegenüberiretend'er Derbindun-
gen erreicht worden. Der das DeiiLindunaswesen total neaierende
studenlrsche Radikalismus hat kein Iota oenützt. denn ftindliche Ko-
lonnen kann man nicht mit einzelnen Tiratlleurs spreäaen. von denen
jeder den Kampf führt. wie «s ihm aerade beliebt. Mr Ruf nach
Asioziation. der in allen Kreisen des Lebens' -ertönt. vom Arbeiter bis
hinauf. avird auch auf den Hochschulen nicht vecgeblich erhoben wer-
den. Eerade die neueste Zeit zeigt. wft mit der abstratten Isolierl-
heit des Indiviiduums nicht durchzukommen ist. Wer aber sagt. die
Studentenverbindunaen müsien.darum fallen. rveil sie exklusiv sind
und nach Privileaien schmiecken. dem antworte.ich: ein Privileaium
haben ste allerdinas und sind stolz. es zu haben. und das ist das Pri-
vilegium der Iugend und Poesie. Darum wetzden Verbindunaen auf
den Hochschulen qegründel. um in iurftndfrischer. praktischer Weise am
Bau. der Eeaenwart mltzuarbeiten. und w-er dieses Privileg negierL.
der ist. auch wenni er dem Nanven nach Student ist. facto ein grän^
licher. dämlicher Philister.

4. UeberdasKeuschheitsaesetz. (Hier machte Schef-
ftl in ftinem Manuskriple keine Ausfllhrungen. Offenbar hattc er
die Absicht, in seiner Ansprache auf der Wartbura über dieftn Punkt
ftei zu fppechen. D. Herausgeber.) ^

Welcho Stellung soll nun die Burschenschast im Leben der Ge-
genwart einnehmen? Dies lätzt stch nur im allaenieinen feststellen:
die Burschenschaft soll als Kreis juaendlicher Kräfte crn der Tewin-
nun« der hohen politlschen Resultate.. denen das ganze Baterland
entaegenstrebt. mitarbeit>en Auch hier kann fie aus ihrer Deraanaem.
beit lernen. Ia nicht in Form eines aeheimen poNtischen Vereins.

os-

ftiren Martt« des polttisck>en LeLens. «ftrner fa nicht in der altien
Weise. datz gewisie politischr SLtze als Dogmrn. als allLknsettg-
machendes Crejvo aufgestellt werden. Dies führt zur doamatischen Der-
knöcherung. wie in der Theologft. Unfere Zcit ist so queckfilbern. so
moLil. datz schon heute das ftine Verechtiauna verlftrt. rvas aestern
noch alv richttg galt: «s lätzt stch also nur verlanaen. datz die Buu-
schenschüst ihre polittsche Richtunq nach den lebendiaen Pulsschläqen
der Eeqenwart bestimme. (Keine Seltionen an totim KLrporn. son-
dern l«bendi«e Polittkl) Und >der Instinkt der Iuaend wird sft
!Son auf den richtiqen Plcch stellen: ..Sveh tmmer auf der linken
Seite. da schlägt dein Herz. auch däs der Zett!" saat Sallet. Vor al-
ttrn aber brinqe mnn keine unfruchtbaren Prinzipienkämpfer ins In-
neve der Burschenschaft. z. B. den Streit. ob fie für Republik oder
Monarchie kämpjien soll — das ist eiire der unfruchlbrrrsten Fragen —
ste lasien sich aber ckeide veretniaen. wenn man ein reines denwkra-
tisches Destreben als Ztel der Burschenschaft ausitellt.

hier möchte ich noch einen Eedanken hervorheben. Die

Kreisen wirken. Dazu

die Heranziehuna des

. ... .. datz drr ÄrLeiter als

.Ftnoten" dem Ctudenten aeqenübersteht. ist hoffentich bei uns allen
uberwunder. Dve reine Humanität fieht in jedem Sta-nd einen poli-
tisch-gleichberechtigten. Der deutsche Student und der deutsche Hand-
Erksbursch". ste warvn seit feher natürliche Alliierte: sie waren ftit
Iahrhunderten die einziaen poetischen Staffaaen der Heerstratze und
haben Leid und Freud des Wank>enlebens mit dem Nänzel auf dern
Rücken und wenia Eeld in !der Tasche zienilich gleichmätzig durchqe-
macht. In den Revolulionen uinseres Iahres war es Ärbeitcirblut,
Studentestblut, wav der neuen Freiheit die Bluttaufe geqeben hat.
Dre Universität Wien hat gezekgt. wie effprietzlich ein Änschlietzen
beider Teile wftkt.

Der Student ist ftlbst noch ein Lernender. er weitz nicht grnua. um
das Mter zu belehren. Wohl aber weitz er aenug. um dem ATbeiler.
dem sein Deruf schwer macht. sich mit Ven Fvanen der Eea-enwcrrl zu
beschäftiaen. Aufklärunq zu verschaffen und von dsv frischen Iuqend
nimmt derselbe auch lftber u^d dankbarer auf. als vom deutschen
Hoftate.

ack vacem akademtsche Eerichtsbarke.it: Nicht to-
tale Aufhebung. denn jeder Kreis von Eleichqestellten hat autzar den
allqemeinen Formen ,des büraerlichen Lebrns noch sein eiqenes Ee°
wohnheitsrecht. wohl aber Umgestaltung und Aufhebnng aller der Ce-
fttze, die aus dem Prinzip politischer. zeitücher und oormundschast-
licher Ueberwachuna herooraingen. daaeqen Derechtiaung des spezi-
oen-studentischen. aüch in der akademischen Eesetzaebunq. Etwa am
desten durck) Z-uziehuna von Geschworenen bei allen
Rechtsfällen »ines Studenten. besondrrs bei Freorln. Skandalen ufto."


Dom Handwerk und seinen Bräuchen

Ein Dlick in Deulschlands Dergangenheil

Von A. Hajemann

yandwerk hat qoldenen Boden! Dieser alte Spruch. der aus
«iner lünast entschwundenen Derqanaenheit stammt. hat unter qWisien
Vorausfetzunaen auch heute noch ftine Eültigkeit. Länpst stnd fteilich
die Zeiten dahin, da der Handwerker allein matzqebend war im Rate
der deutschen Städte, da di-s Handwerksailden zu den matzqebenden
Vere-niqunaen qkhorten. die ein bedeutendes Wort im Eemeinweftn
mitNlsprechon hatftn. und mit Venen. zumcvl in den freien Reichs-
stkdten, dei Rat qewaltia zu rechnen hatte. Denn wMen.dre Eilden
sür Neuerungen oder grotze Ausgaben nicht zu qewinnen. oder verdarb
der Rat es sonstwie mil ihnen. so erwuchs ihm darcvus ein nicht zu
unterschätzender Fvind. dem die meisten und angefthensten Mitalieder
der Bürqerschaft anqehörten. ,

Zucht und Sitte inn.erhalb der Eilden waren crutzerordentlich
stren». Auf richtiqes Matz und ELwicht wurde mit einar Strenae ae-
halten, div heutzutaqe sonderbar anmutet. In reaelmätziqen Abstän-
den erschien. vom Büra-ermeisteramt oder in- den fteien Reichsstödten
vom Rate qesandt, m den Weirfftätten ein sogenannter ..Wardsin",
Ver nachzuprüfen hatte, ob in der Werkftatt auch aenau nach den vor-
geschriebenen Regeln qearbeitet wurde. War dfts nicht der Fall.
strmmten Matz und Eewicht nicht. so wurde der schuldiqe Handwerts-
meister unweiaerlich aus der Eilds ausqestotzen und führte dann den
Namen ..Frvidöttck>er". ..Freischuster" oder ..Freihjickesr". js nach dem
Handwerk. das er belrftb. zum Zeichen. datz er seiner Eilde nicht mrhc
angehö.rke. Der Ausqeitotzene aoar ein aeschlaqener Nkann: denn nie-
inand wollte bet dem VerfehmLen mehr arbeiten lasien. War die
Derfehlung schlimm. so konnte die Ausstotzuna cruf Lebenszeit ae-
schehen, in aeriuafüaigeren Fällen iedoch wurde sie nwch einigen
Iahäen wieder aufgehoben. Derpont war auch dns foq. „in's Handwerk
pfiischen": kein Handwerker durfte eine Arbeit liefern. die in iraend
einer Weift in die Rechte einer anderen Eilde einaeqriffen hatte. So
war es beispielsweise nicht qestattet. datz ein Schuster Pelzstftftl her-
stellte. da dadurch dft Kürschner. oder. wie ste in crlter Zeit hietzen. die
„Pelzer" beeintrSchtiqt worden wären. Der Schuhmacher durfte nur
den Lederschuh anftrtiaen: die Pelzfütterung mutzte er dem Pelzer
überlasien. Empfindliche Geldbützen standen auf drrlei Uebertretrm-
.zen. Ieder Eiide stand ein Amtsmeister vor. der über Necht und

-e>ek waane. Wo.ren^:recr^i

wichtigen B>-sch1utz zu sasien. so rourde ..hotze Moraensprache" aehalftn.
der der Aintsmeister prLstdierte. Doch durfie er dftses nicht a-llein',
er mutzte einen RatsherrN zuziehrn. der die Warde eines „Moraen-
sprachsherrn" beHeidete. sodatz der Stadtrat dauernd über die Vor-
qänae innerh-alb der EUde unterrichtet roar.

Eanz «iaenartig aestaltete sich auch das Leben der Eesellen. Ihve
fteft Zeit war knapp bemesien: dafür wurden fie aber aanz zur Fa-
milie gerechnet und demenlsprrchend aehalten. Keinem Meister. uich
batte er auch die arötzte Werkstatt. war es aestattet. mehr als zwei
Gesellen und einen Lehrjunaen zu halten. Uebertrat er dieft Vor-
schrist, so wurde das Derqehen stren« neahndet. Der in l-eutiqer
Zeit beruchtigte „Dlaue Montaq" war in verganqen-en Iahrhunderten
«tne dürchaus rechtmätzi«e Einrichtuna. eine Veraünstiauna. die den
Eesellen zustand. allerdinns n-cht an je?^en: Nlontaq. sondern nur alle
paar Wochen einmal. In manchen Städten. wft beispkftlsweise in
Lüneburg, gaL es aar nur -vinmal in jedem Dierteljahr einen blauen
Montag. Da die Naufereien an dftftn Taqen eine grotze Rolle spiel-
ten. so hftlt-en dft Eilden ihren fteien Taq abwechselnd. damit nicht
gar zu viele Eeftllen gemeinsam ihre Fneiheit crusnutzten. Wanderte
ern Eeselle in eine ftemde Stadt ein. so mutzte er Nach'aenauen Ne-
geln seiner Eilde durch das Stgdttor zfthen und sich dadurch dem
Torwächter als Schneider. Drauer oder Böttcher zu erkennen qrben.
Das Wohnen in effie-r beliebigen Herberqe war ihm nicht aestafiet:
er mutzte vftlmehr in der Herberae seiner Eilde absteiaen. wo er bei
ftlner Ankunft von dem Altschoffer der Gilde einem strenqen Vvrhöc
uNterzogen wurde. Eigenartiq war auch die soqenannte „Einfahrt"
eines neu zugewanderten Ecsellen ^-n die Eildenbriide^schast. Dftft
Etnfahrt fand meist mehrere Wochen nach dem Eintrttt eines Eesellen
bai einem Meister statt und aestaltete sich zu einem grotzen Fest. bei
dem das Biertrinken' fteilich dft Hauptsache war. Doch auch dieftr
Brauch wurde nach genauen Regeln qehandhabt. Die Eeftllen-
brüderschaften besatzen meist eine qanze.Anzahl grotzer Vecher. die nur
bei ihren Festlichkeiten benutzt unmdsn und die sonderbarsten Namen
trugen. Co nanntv die Schuhmacheraeftllenbrüderschaft im alten Lüne-
burq einen Decher ihr Eiqen. der „das arotze Elück" hletz: ein ar.de-
rer wurde .Iunafeankanne" qemrnnt. bei deren Lveven laut oder leise
des fernen Liebchens gedacht wurde. Dann aab es den Beckier „der
gute Wille". der sonderbarerweift einen Schwrinskopf darstellte. den
.^>emsbccher". drr voN einem einqeritfion Deraitzmeinnichtkranz um-
wunden war und nur von den ftemd zuqewanderten Gesellen aeleert
wurde, die dabei ihrrr Heimat gedachten. Ein Becher hietz „das
Bier auf jder andern Hand". er war besonders schwer und wulstig und
durfte nur mit der linken Hand zum Munde geführt wecden. Wer
sich aber veraatz und dazu die Rechte aebrauchte. oder beim Trtnken
mehr Bier verschüttete. als eine Hcmd bedecken konnte. der mutzte
Strafe zahlen. D«r letzte Becher .der bei der Einfabrt kreiste. hfttz
die „Gerechligkeit". und dieser gina am längsftn von Hand zu Hand:
denn an ihm durfte fich jeder schadlvs halten. der bei den vorangegan-
genrn zu kurz gekommen schien.

Alle diese Regeln und Vorschristen. dft strenaen Arbeitscftsetze
sowohl wie auch die heitereu Vräuche der Eildengeselligkeit bewrrkten.
datz innerhalb des Handwerks ftstes Zusammenhalten. Zucht und Ord-
nung hckrrschten, datz die Arbeit fröhlich gedieh und dadurch zu Wohl-
stand und Ansehen verhalf. Der alte Svruch. mit dem jeder eine Werk-
statt betrat: „Eott ehr' ein ehrbar Handwerk". bewahrhestete sich:
Eott ehrte das Handwerk in alter Zeit durch seinen Segen, und die
M-rnschen halfen ihm riäilich dabei.

O 2

Gedanken und Sprüche

Eh«r schätfi man das Dute nicht. als bft man es verlor.

H e r d e r.

Unwisiende stnd gleich über ftden Zweifel an ihrer Bildung
empört. während Ilnterrichtete mit dem grötzftn Vehagen zugestehen
können, datz der Mensch niemals auslernen könnte.

Eutzkow

Dft Wahrheit ricktet sick nickt nack uns. wir müsien uns nach
ihr richtem. ^ Claudius

Nur der Denkende «rlebt sein Leben. an Eedankenloftn zftht cs
vorbei Marievon.Ebner-Eschenbach

Nichts hat der Mensch in sick so fthr zu bezähmen. als seine Ein-
bildungskrast. die beweglichsft und- zualeich die qefährlichift aller
menschlichen EeMütsqaben. Herder

Willst ftem-e Seeftn du Lelauschen. mutzt eignes Ich um frem-
des tauschen: wer -n das Ich sich spinnt hinein. dem wird das Du
«in Rätsel sein. ' O. v. Leirner

Wenn mcm mit sich ftlbst einia ist und mit seinem Nächsftn.
das ist auf der Welt das Veste. Eoethe-

Wenn der Pöbsl aller Sorte tanzet um die aoldnen Kälber,
halte fesi: Du haft vom Leben dock am Ende nur dich selber.

Storm
 
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