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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

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Nr. 280-304 (1. Dezember 1919 - 31. Dezember 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3728#0528
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X.

L LL^ Z^^.ZLLDZIL§ A^LÄ^LZW ^ DLL-L.Z LHZF^K^ZUZS

S2. ^r/Ls/arLS
Don Prof. Cngen Fehrle

Der heilme Nikolaus war Bischof in Myra. der Sauptstadt der
kletrmliatischen Provinz Lytien. Sein uwdesiahr setzt man etma urn
Z50 an. Bestiimnter nrnnen dle atten Qu^llen semen Todestaa es
war der 6. DezeinLer. Noch im 5. und 6. Iahrhundert als Nttolirus
in Lykien länkst ein viel gefercrter VolksHeililvr. an dcssen Todes-
-tag feslliche Degehungen stattfanden. wutzte nmn sm ubriaen Ehr-ften-
rum nur wenig oon rhm. Erst unter Kaiser Iustmrcm (52,-562) be-
kam er in Konstanitinopel eine prächtiae K-rche aobcmt. Bon der
Hauptstadt des oströmischen Rciches aus verbreitete sich Name und
Verehrung des Heil'igen weiter im Qsten und m dem von by^nti-
nischer Kultur beeinflus>l>en lbebieten llnteritattens und m Si^lren.
In der HeiligenUteratur des S. Aahrhunderts steht Nikolaus nach ^r
Gottesmutter Mcrria an erster Stelle: ja, er wird als zweiter Er-
lüser gepräesen. Die Kalender verzeichnen vom 9. AKrhundert all-
gemein anr 6. Dezember seinen Namen. Durch dre Ueberruhrung ser-
ner Gebeine nach Bari in Unteri:<alien im Iahre 1087 griff serne Der-
ehrung rn Italieu schneller um sich. Dom Süden und Osten, Europas
kam er -u uns. Nikolaus hcrt kem besonderes Wirkungsreld wis
manche andere Heiligen! er wurde aügemein als Helser m den 2lo-
ten des Lebens aingerufen.

Wi>e kommt nun dieser lnrische Wundertater mit dem Knecht
Rupprecht in Derbindung? Warum wird er Mm besonderen SeUrgerr

Hier greifen verschiedene Anschauungen und Kultureinflüsse rn-
einander. Wenn unser Nikolaus m Bischofstracht erscheint.. so wird
man geneigt sein. söies auf den Bischost von Myra zurückzuführen.
Äber 'viele Bräuche. die sich an den Brschof anknüpfen. sind damit
uicht erllärt. Im Mittelalter wählte man m der Aeit um Weih-
nvchten unter allerlei lächerlichen Bc'aehungen crnen Narrenbischof.
Dieser hielt z. B. in Paris um die Mitte des 15. Icchrhunderts m
der Kirche einen feierlichen lvottesdienst. bei dem der grösite Unfug
begcmgen wurde. Auch in die HäuLer gingen! die Narrenbischöfe. Da
der Brauch vielfach unter Kindern grübt wurde. hvisit der Erwcihlte,
der ein Knabe war. auch Kinderbischof. Manchmal wird er Narren-
könig genannt. Das Fest selbst heisit Narrenfest. Schon in emer Ur-
kunde des Iahres 1299 ist der Narrenbischof mit dem Nrkolaus ver-
Lunden, wÜHrend er sonst auch an irgend emeM' Tag im Dezember
oder auf Neujahr gewcihlt wird. Dieser Brauch aeht zurück äuf ein
altrömisches F^t. die Saturnalieir. das dem Eolle der Sacllen. dem
Saturn galt und im Dezember stallfvnd. Herren und Diener feier-
ren dabei in ausgelassener Vrüderlichleit. ja es bestanden oft umge-
kehrte Verhältnisse: die Herren musiten ihre Sklaven Ledienen. Man
machte sich Geschenke und hiielt Lppige Schmauserei-en ab. Wir tön-
nen das Fest in ssiner äutzeren Erscheinung am bllten mit, unserer
Fastnacht vergleichen. Diese Scllurnalien erhielten m der Kcllserzeit
ein anderes Ausfehen durch orientalische Einflüsse. Römische Soldru
ten lernten im Osten das babylonische Neujahrsfest kennen. bei dem
einer der Germgsten zum Narrenkönig erwahlr wurda. und führten
diesen besden röimschen Saturnalien ein. Während der 300 Iahre,
in denen zu Anfana unserer Zeitrechmmg grosie Teile unseres deut-
schen Vaterlcmdes unter römischer Oberhohsit standen und von rö-
mischen Soldaten besetzt waren. gingen manche Vräuche der romischen
Besahungstruppen auf unfere Vevölkerwng über. so auch der Satur-
ualienkönig als Narrenlönig oder Narren- bezw. KinderLifchof.

Diesc Gestalt hätte bei unserem Dolke kaum Emgang gefunden.
wenn sie nichr an Einhlermisches hatts cmgeschlosien werden können:
im alten Deutschland wurden im Dezember vi-elfach Lärmumzüge ver-
mummier Gestalten gemacht. die nach alten llrkundsn wis Tsufsl
oder wilde Tiere aussahen. Im- heutigen Volksbrauch ist. besonders
in der Schweiz und vm südlichen Baden noch manches davon erhalten.
Zn der Schwei^ zishen die .Kläuse" biswsllsn in ganzen S'chwärmen
unter grohem Lärm umher: oder man verMnstaltet das sogenannte
Klausjagen und'lärmt dabei besonders unter den Obstbäumen mit
der ausgesprochensn Absicht, sie vor llnfruchtbarreit M Lewghren. In
Brünnen (Kt. Schwyzs zogen ehsmals die Burschen gsg-en dis Wald-
frauen Strudeli und Stnäddeli. die Unsegen verbreiten. und ver-
jagtsn sie. Alle diese Gestalten. deren noch viele angefühll wsrden
könnten. sind Geister der Todesstärre des Winters. die uach dem
Volksglauben den Menschen Krankhcht und den sveldern llnfruchibar-
keit bringen. Die Burschen. die gegen ste ausziehen, maskieren fich
ebenso schreckhaft. wie man fich dis Ge'ster vorstellt.

Die alten germanischen Unyzüge. die mit der Zsit zu fastnachh-
artigen Begehungen wurden. hat nmn mit dem bunten Treiben der
römifchen Saturnalien verbunden und spärer in.it dem Fest des 5>si-
I'gen Nikolaus vereinigt, wie so manche Volksbegehungen christlichen
Festen angeschlossen worden sind. Auch heute noch gehen neben dem
gutmütigen Nikolaus böse Schreckgestalten um. die Knscht Ruprecht.
Polterklas. Rugpelz oder sonst wie. in Oesterrsich Krampus heisien.
Sie haben sich in der Anschauung dss Volkes mit dem Nikoligus per-
mengt und find ihm zum Teil gleichgesetzt, worden.

Woher kommen nun die Nikolausgeschenke? Darcrus. dast drr
heilige Nikolaus ein Helser und Segenbrinaer für diie Msnschen war.
lassen fie fich nicht allein erklären. wenn diese Anjchcruuna cmch zu
ihrer EinLLrgerung beigeiragsn halben mag. Die alten Römer mach-
ten sich an den Saturnalien und besonders aucki am Neusabrsfest Ge-
schenke. deren Nachwirkung in deutschen Bräuchen zu verspürsn ist.
Der Anfang eines neuen Zeitabschnittes ist vorbedeutend für d'e be-
gmnende. Zeitspanne. Nimmt ineine Habe om Anfana durck, Ccher'-
kungen zu. sn b-deutet das für mich Segen für die ganze Zeit. So

Nlkotlrustaa unb Neujahr sletzteres fiel »eitioerf« nnt W<Nihira«t«r S»
sammen) waren drs oigsntlichen Bescherungstaae der,deutschen
kes. ^edenfalls liegen den Nikolausaeschenken dieselben ^gei»-
wünsche zugrunde. wie fie <m Neujahr masiqebend sind. Andere Erunde
zum Schenken sind mit ihnsn verbunden und «benfalls alt.

Der Nikolaustag gibt sinen lehrreichen Einblick m u-nser m«-
ssitiges Kulturleben: eins altdeutsche Sitt«. Wintergeistsr zu ver-
treiben. hat sich mit dsm römtschn Brwuch der Sa ürnalien vcrbu»-
den. dann ist das Voltsfest an den lykischeu Wundelläter und Bischok
Nikolaus angeschlosien worden. Dis verschiedenalligsten Beitcmdtelle
find verschmolzen und m deutscher Art umgestaltet wordeN zu vinem
grosien Kinderfest. Ssm Glanz musite allerdings in neuerer Zell «-
blasien vor sinem helleven Licht. dssien Trüger auch aus dem Ostrn
kam: das Nikolausfest ist überstrahlt vom Weihnachtsbaum.

O O

Müde Stunden / Hans Gafgen

Die Rose schlietzt die Knospe zu, —

Die Amsel fingt den Tag zur Rtch',

Leicht geht der Abendwind.

Ein später, irrer Sonnensträhl
Erhellt und kränzt zum letzten Mal
Blumen, die müde sind.

Von einer Rose fällt ein Vlatt
Müde vom Tag und sonnensatt,

Fällt leise und verweht.

Die Amsel fingt den Tag zur Ruh',

Die Rose schließt die Knospr zu,

Das Bllllenblatt vergehl'.


Nudolf Herzog

Zum 50. Geburtstag des Dichters am 6. Dez. 1919
Vyn Prof. Dr. Rudolf Dohse

Mitten in der schönsteir. mailevrschsten Esgend. die der Rhein-
sllom durcheftt. hat Rudolf Herzog seine Heimstatt gefunden. Sein
Poetensik. die .T)bere Burg" bei Rheinbreitbach llectt am Fusie des
sagenumwobenen Siebengebirges. fchaut. verfponnen und versonnen
in Erün unb alten Bäumen. herab auf die breiten Wellen des Flusses.
die die lieblichen Inseln Nonnenwert und Erafenwell umspülen. und
bllckt bmüber aufs jenseitige llfer. wo hoch oben am Berge der Ro
landsbogen stolz nnd trutzig -fteht. Nicht Mzu ferne. einige Meilen
ins Land, hinem, winkt die eigentliche Heimat des Dichters. das Wup"
pellal nllt der Industtiestadt Varmen. wo er am 6. Dezember 1869
goboren wurde. in der Nähe lieqt auch Düsieldon. die alte Kunststadt
mit ihrer rheisiischen Fröhlichkeit. die Herzoa die stärllten Anregungen
für seine Kunst gegeben hat. Kein Wunder ists darum. dast der Dich-
ter hier das Ziel seiner Wünsche erreicht sieht. dasr er bier den Drei-
klang gebannt hat. der die Summe semes dichterischen Schafsens aus-
macht. und der auch immer wüeder in hellem Ton sein LebenslieL
durchklingt: deutsche Romantik. deutsche Arbell. deutsch-frohe Kunst.. -

Erst nach harren Arbeits-. Lehy- und Wanderjahren frsillch
ward ihm diese seltcne Eunst des Schicksals zuteil. Zunächst sollte
Herzog. gemäsi der Famillentradillon. Kauftnann werden. Aber we-
der sein-e dreijähllge' Düsieldorfer Apotheterlchrlingszeit. noch seine
weitere Ausbildung in den Elberselder Farbwerken. noch der ALschlub
dieser ganzen Zeit in Düsieldorf. konnte den Iüngling dauernd fesieln.
Ccmz andere Dinge lebten schon ttiihzeillg in .seiner Seeke: ein.küh-
ner Wagemut. es selbständia nrit denr Leben und der Kunst üuszuneh-
men. ein stürniischer Drang nach der Welr und ein dringendsr Wunsch.
seine aus der Schule nicht abgeschlosiene Vildung zu erweitern und
zu vertiesen. So verliek er. 21 Iahre alt. di-e Hetmas und g'ing zu-
nächst nach Berlin. dann nach Frankfurt a. M.. ncrch Hamburg uiü»
schliekllch wieder nach Verlin. überall in hartem Kamps um das Da-
sein. überall fich weiterbildend. llberall aber auch in ttäftigeni. jüng-
llnghasiem Eenieken des Lebens. Dazwischen waren schon einige klei-
nere Arbeiten herausgekommen. die allerdings. an seinem späteren
Schafsen aemessen. belanglos erscheinen. Erst die erfolcrreiche Auf-
sührung seines erften Dramas ..Protektion" in Elberfeld-Bar-
men machre auch weitere Kreise auf ihn ausmerksam. 1894 fand er
dann in der Sängerin Minnie Seiler eine mitempfmdende Lebens-
gesähllin. Nach ein paar Iahren harter. journalistischer Verufsar-
Leit. zunächst in Hambura. dann in Berlin an den ..Berlinrr Neuesten
Nachllchten". folgten. bis er endlich durch Eeheimrät Adols Kröner.
dem damaligen Leiter des Cottaschen Verlages. in dsm fast alleWerke
Herzoas erschienen sind. veranlakt wurde. sich als freier Schrif steller
zu versuchen. 1907 erwarb der Dichter dann seine Burg' ain Rhein.
und 1911 fiedelte er mir seiner Familie zu ständigem Wohnsik dorthin
über.

Ein- sonniaer Lebenswea eines deutschen Dichters liegt in
Herzogs Wander-, Lehr- und Neisejahren vor uns ausgebreitchch
Sonne bestrahlte schon seine Iugend. Sonne und Lebenslust arüktet«
schon iu.seme Düsieldorser Frühzeit. wo er. fast noch als Knabe. zu-

äonTi« belcbren trotz allen Lebensnöten die arbeits- und «ntbehrunas- ,
AAbuIabre.in Hanrbura und Berlm. .Hab' Dank. mein Schiss.

35. En Rh^n: doch nim. Matrosen. werst di« Brücke!".^

h'rreiu ich komme an mit meinem Glücke."
H eimgt zurückgesunden. S i e bedeutete

^^^ Elück. und ihr verdanken rvir denn auch

i ..D i e vom Niederrhei n". ..D ie Wisko t-

bBurglinder". Fn allen dreien meht heimat-
^ wicd das Düsieldoller Augendland lebendia.

beur Hohenl^ ber werttätigeu Arbeit. dcr Industlle.
wo ein ^Eatschollen an der schwarzen Wiwper.

H^ArÄt^TT-^^N Eeschlecht die Werte des Lebens in
Kstll?in ums Dosein schasft. Uvwüchsigleit.

dlltten ^ beherrschen dieses beste Buch des Dichters.

d^ aeickiich liche und sagenhaste Boden. wo fich

a7f ^in Ven Schauvlak ab. cruf dem fich die

und

d!,61 Nomanen. Novellen. Dramen und Ee-

auch^aemik nÄt Herzog sonst noch beschert. die. wenn sie

l'nd. doch stets in der frsielnden und
ü Att der Darstellung ihresgleichen suchen Fn dem
^at sich mit der Berliner Künstler-
535": und Vors- auseinanderaestttt. das ..Leben s l i e d"

Frgnksurter Zeit. in den weniger gelunae-
555 ° * a te n uiollte er den Sieges- und Triumphgesana hcLn-

leatischen Kaumrcmns- und Seesahrergeistes. in dem Nejseroman
Heimwoh". ein Bild des Deutsch-Ameribinellums
gcben. der Rommi .D1 e St 0 lt e.n kampsund ihreFrauen"
ist aus dein Weltkrieg geboren und verberrlicht. in zuweilen freilich
«llzu tendeuziöser Weise. die Stahlindustlle und ibre SLöpfer (die
Fcrmcfte Krupp). — Als Dramatiker hat Hsrzog nicht 'die aleiche
Kraft bewresen wie als Erzähler. wenngleich das Schauspiel .D i e
Eondottieri" als ein farbenreiches und wuchriges Geniälde aus
der italieirischen Renaisicknce und das Drama ..Auf Nissens-
kooa" als ein anniu igrs und idyllisches Eenrebild aus der Schles-
wig-holsternischen Eeschichte ihre Bedeutung behalten werden. — Als
Lyriker endlich ze-iat Herzog wieder deutlich die alte, lebensbs-
zahcnde optimistische Art, die seinem ganzen Schasfen eigen ist. Be-
'sonders ist das in den zahlreichcn Kriegsgedichten zu erkcnnen. mit
denen er das groke Geschelien. das er in engem Anschluk an die
Oberste Heeresleitung in allen seinen Phasen mitmach>rn durfte. be-
gllltete. Auch schon rein äukerlich. an den ttllftnd aewählteiü Titeln
seiner SLovellen- und Eedichtbände sshen wir das. Da leuchtet ^D i-e
Welt im Eolde", da klingt ..Der alten Schnfucht Lied". da
tut fich «in ewiger u n « bru nn e n" auf. da iubelr es. unbeirll
urn die Nöte des Lebens: ..Es gibtein Glü ck". ..W i r sterben
nicht!" Diese jauchzends. fich immer wieder durchllngende Lebens-
sreude und Lebensbejahung ist llwas Deutsches durch und durch. die-
ses iminer wiedellebrciide stolze Vllenntnis ..Trohdem" und ..Den-
noch" ftnden wtt bei den besten D^utschen. llnd wenn man diese op-
timistische Färbung von Rudolf Hrrzoas Büchern vielsach als zu ro-
ssnrot empfunden hat. oder ihm gar OSelllächlichkeit in der Behand-
lung seiner Probleme vorwirft. dann kennt man drn Dichter wenig.
dann tut mar zugleich auch dem Menschen bitterss Unrecht. der
mit dem Dichter aufs engstc verschmolzen ist. Ekrlichkeit. Echtheit und
Treue stehen über seinevi ganzen Schaffen und Leben. und aus ihnen
entsprang die Freude. die nun in sttahlendem Elanze alle Nebel ver-
scheucht und uns in.lMe Lande schauen läkt. Desien aber wollen
wir froh sein. henn Frerrde und Optimisrnus können wir beute dop-
pelt brauchen. 'Lo sich Herzoos Wort zuvellichtlich uud kraftbewukt in
Herz und Sinn jedes Deutschen prägen sollte: ..Wir sterben
nsicht'"

-»e

Zchwarzwälder Uhren

Lon Max Bittrich

(Nachdrück veüboten)

Am Ends des 18. Jahrhundorts sahsn einsame Baueirichütten
im schwer zugänglichen Schwarzwald etivas Neuvs: Die Bewohner
fertigtcn die eristen Uhrkästen, gosien mesiingne RLder uird wohlklin-
gende Elöckchrn oder schnitzten di> acrnze Uhr aus Holz.

Eine iheutige Fabrik im Schwarzwcvld schleudert täglich zehn-
tausend Uhren, Uhrwerke und Holzgshäuse in den Brrbrauch. Der Ve-
gllinder eines solchrn (Schrainberger) Riesenbetllebes talm im ersten
Drittel des letzten Zall>rhunderts mit seinen nach Arbeit ausschauen--
- den Eltorn nach Schraimiberg. Er wurde Zeichn'.'r nnd Formen-
dreher, fcrtigte Holzplättchen und Uhrschklder. baute endlich mit sei-
nsm Bruder ganze Uhren und stellte. fortgesetzt neue Hilfsttüfte ein,
bis stch auch seine Söhne dem Geschäft widmen tonnten. Jetzt drehen
fich allein in diesem e>inen Schtamvb.'rger Gsschäft 1800 Maschinen;
fie und 3000 Arbeiter verarbeiten jwhrlich für anderchalb MiMonen
Mark Mesiing und für eine viert-el Million Holz.

Und nun. ansesichts eines einzigen devalligen Vetriebes von
vielen anstchnlich:-n des cinen Städtckens Schramberg. versegenwür-
tisen wir uns die technischen Fortschritte und die Steigerung Ler
menschlichen Dedürfnisie durch Heranziehung einiger Dcttsachen.

Al--. im xweiten Bttllel des 18. Zcchrhundells der zur Uhr-
macherll übcrgesaiis?ne Drechsler Zo^vb Dilger im badischm Elot-
tellal emen neuen Uhrnmcher, Anton Gancher aus Neukirch. aus--

uno Bascn und sute V-llannte in den Handet unc> mrachen au.j den
^5^17^ br möse lie-ber ein andercs Handu>:rt lernen. denn
„me Uhren wurden nicht rmmerdar abgehen, weil sie schier ewig
daucrn.' Doch Ehristian Mohrle liest sich durch die ^- '

„ , 7 - - — ->, ...» -—/ TesürrrstungLN der

Leute nicht verbluNen: untrr Len noch heute in Ehren genannten
Schwarzwälder Uhrmachern bs^indet
Bursche.

stch auch jener hartnäckise

Anton Gauther alber. sein Meister, ist eng verbundm init Le-m
We.ttUhren h-andel, durch den die SchWLM-älder Uhrmacheitunst
ubirhaupt erst in Blüte geöcMM-sn ist. Denn von Eanther kaufte einer
der ersten Uhrenträser. wie man fie damals nannte. einige der Zeit-
mllser und wanderte dainit „ins Land" hinunter. Andere Händler
nahmen bald weitere Wege: fie^ ginsen bis Köln. überhaupt die
Rhein entlang. Und als — >Lbenfalls om unmodernes Bild und doch
recht anzieyend — einer dieer Händler in zehnjähriger Wanderschafft
1200 Euldcn oerdient hatte, da meinte ex von der weiten W.'lt ge-
nug zu haben. JHm vellangte nach einem eigenen Reich. So käufte
er denn ein Stück Hcimatland, nahm ein Schwar,Ävaldmaidle zum
Weib und wurde Dauer.

Lchon damal» war das Gebi'ft. in dem jetzt -ie Wrmacherei
-dccheim lst, ähniich wie herft besrenzt. Nur ging die Fertilltellung
der Uhren ft-hr langssm vor fich. Gegen Ende des Acchrhundsrts war
jedoch die Ansicht. die llhren rönnten nicht geuügeud AAatz sinden.
vl llrg aufgeseb.m und allein in dsr Herrschaft S1. Peter entstanden
jcrhrlich etwa 3300 Uhren, und der in- und ausländische HaufierhcmdSl
hatten so inüchtüg zuMiuxm'nen, bak um das Icchr 1800 aus dom
Schwarzwald schou über 100 009 Uhrsn jcihrlich in die Welt geganSttr
stlin jollen. Nach ü'-'m Domtapitular und Psarrrr Iäck in Tribsrr
war um diese Zett Ler handwerksmätzige Chrrafter drr Uhrmacherei
schon aussebttdet. also auch die Aröertsteilung. Die meisten der hier

gewerblich. ist noch heut die 1848 in Vreslau erschienene Jnaugu-
rallDissertstion des späterrn Berliner Gshermen Regftrungs-
rats Proft„ors Dr. Ausust Meitzen ein unübertrofstnes WerS.
Meitzen schildctt da auch anschaulich. wie d«r ursprüngliche Haufier-
hai del allmäHlich durch ein Awischenglied, den Packer oder Spedi-
tLrrr, >auf andere LLese «eriet. Der Hausierer wanderte nicht mehr
no.ch zedesmaligem AusverLaus seiner More l-eim. sondern gab seine
Aufttüse dem Packcr in der Hoiinat (ineist Wirt oder Krämer). Die-
ses Zwischengeschäft muchs mitunter zu einer avgen Drangsllilierung
der Fabrftanten <ms. Wis im Schwarzwald se-Iber diest Packer. so
wurdeu dann w.'iter in oerschiedenen Tei'len DeutschlanLs und spll
ter auch ivi Ausland bessorrdere Niederlagen wichtige Fattoren der
Uhrenjabrikation und des Handels.

Ueber diese Entwickelung des Handwetts zur bnttigen weltt
umjasienden Industt-ie.ist jedoch. auch in vereigzelteil Aufsätzen scho-n
viel aeichriebeu worden. und deshalb führe ich Len Leser lieber mit
Hilfe Steyrers zu den ersren, vvn einein Hauch der Romantix um-
wobenen Anfänsen der SchMcrrMäldsr Uhrmachevei und dor dortigey
Orchcst r ion-Fabr itar ion zurück.

Nach Cteyrer waren sinzelne besonders geschickte Lrute bereits
zu Ende de? vorletzten Iahrhunderts durch Arbeitsteilung und schnel-
les Schafsen allein nicht bsfticdist; sie suchten ihu.'n Uhren viel-
mehr besondere Reize zu verlechen. Nicht nur Zeitmesier sollten die
W-rke seiu. chndern auch Unierhalter durch Vogelrui' od-'r gar lcin-
gere Musikvcrträse. Damit wieder hing dann das Bsstteben zusam-
men. t>er Schwarzwalduhr reäft wohUtingende Schlagglocken zu se-
Len. Einem g-'uialrn Schmiede, Paulus Hreuz. war cs vorbehalten,
hier wichtig einzugreifen. Nachdem cr in der Schmisde des Eottes-
hauses St. Pett'r einigs Zahre gearbütet hatte. liek er fich dre
Kluckucksuhrmacherei zekgen, um alsbald den Versuch zu
unterncchlnen. Uhrglocken zu gfttzen. Das Elü'ck war ihm hald: bald
ifttc er die neue Tätvgkeit aus-schlieklich. Mit zwei Eäb-nen D?k er
jahrlich 'bis 60 Zentner Uhrglöckchen. Weniger glückte yerschied-'nen
anoeren Eickhütten die Anfertigung messinsner Räder: die Haupt-
lieferantLn Llieben in Nürnberg. „Fndesien sind.'t Paulus Kreuz".
sagt der gcnannte Benediktiner. „nicht uur den besten Eowinn beim
Elockenguk. sondern es werden auck) ierno Glöcklein all'NthalLen. sosar
von den Äusländern hochüeschätzt. Denn sein nougierigcr Eeist
voranlatztc ihn, versch-.edcne Pröben in drr Chymie oorzunehmen, wo-
durch er unttr anderen schönen Erftndung-n cuif ein Eeyeimnis in
Mischung oerschjedener Mttalle tam. wclches dic Elöckeiu viel be>-
ser. klinsender und dennoch wo-hlfeiler machet." Darum verlangten
auch cnglische, hollsndische und französische Uhcmacki.'r daruach.

In die Technik griff ein Mathematftlehrcr an der Freiburgrr
Hochschule, P. Thaddäus Minder l e. e',n; er gab„den Schwarz-
uäldern ein vervollkommnetes Bohrgeschirr. Mic er überbamck ein
schr ingeittöser Kopf gewesen zu sein scheint Denn schon als Kapitu-
lar zu St. Peter tMtte sr eine neue Art Feuerspritzrn ersunden. Zwei
der mufitbcftissenen Chorh-'rreii in der jetzt viel aiisMiuchLcn Sommn-
frische St. Märsen wären zu gleichsr Z.'it bemüht die -Lpiel- oder
AiusUuhren auszugcstalten zu schünercn Werten. ckuch drese
dukte nnutzten, sollte ihre Herstellung lohnen uiid regelmützij, vor sich
gehen, durch unterUchniunüslustige Schwarzwälder in di. Weft. se-
tr-agen und dort überall bcfannt gemackrt werdeu. ^chon in dieser
clten Aeit wurde zweifeillos schr fcster Erund gclegt zu d:im Nuhm.
dex Iirsttumenten dieser Arl und Hertunft nock> hcut die Wege ebnet
und der immer w'std-rr. besonders auck> aus d.-m sernen Orient. hohe
Würdenttäger auf ihren eurooäilchen Reistn auck» in die Orchestrwn--
 
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