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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0067
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sllustriette familienreitung
3. liest. 1907.

Ms'ich geblieben doch!
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öeorg stattcvig (kmmg l(oeppel).

lsottseliung.>

(Nachdruck verboten.)


ch bin befriedigt, wenn Hoheit mit mir zu-
frieden find," flüsterte Mia und wußte nicht,
wie unbeschreiblich reizend sie in diesem Au-
genblick war.
Die Prinzessin schüttelte wieder den Kopf,

aber sie streckte ihr die Hand entgegen, eine gelbe,
hagere Hand in fchwarzseidenen Halbhandschuhen,
welche Mia bewegt erfaßte und küßte. „Ich will
Sie nicht entmutigen. Sie haben ja auch schon,
wie mir mitgeteilt wurde, Schweres erfahren. —
Also für heute ist Ihr Dienst beendet."
Mia verneigte sich tief und verschwand.

Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte,
öffnete mit dem Schlage acht ein grauköpfiger
Diener die entgegengesetzte Tür zum Speisesaal.
„Hoheit, es ist angerichtet!"
Beide Damen erhoben sich augenblicklich.
Die Prinzessin, wenn auch gebeugt, schritt rüstig
voran, Kleeschen hinkte gebrechlich hinterdrein.
Hinter ihnen schloß der grauköpfige Alte die
Tür. —
So verging ein Tag nach dem anderen. Mia
ward die Zeit droben in ihrem einsamen Zimmer
oft zum Sterben lang. Bitterliches Heimweh nach
der fröhlichen Mädchenschar erfüllte ihr Herz; sie
schrieb ellenlange Briefe mit allem erdenklichen
Aufwand von Gefühl.
Aber es kam besser.
Kleeschens Füße nötigten sie zum Stillfitzen.
Daraufhin befahl die Prinzessin Mias Begleitung
bei der täglichen Spazierfahrt im geschlossenen
Wagen. Wenn auch kein sonderliches Vergnügen

für ein junges, hoffnungsreiches Herz, bekam sie
doch etwas zu sehen und wurde mit der Eigenart
der alten Hoheit vertrauter.
Als auch ein Teil der Korrespondenz ihr in die
Feder diktiert ward und das Garnwickeln wie
Maschenaufheben in den Strümpfen fürs Waisen-
haus zu ihren Obliegenheiten gehörte, als sie aus
einem Jugendliederbuch der Prinzeß auf dünn-
saitigem Klavier Melodien vortrug, die so verstaubt
und vergraben waren, daß Kleeschen sich darob in
ihre erste Schwärmerei zurückversetzte — wurden
die Tage ansgefüllt.
Nun wurde sie auch zur Tafel befohlen, wobei
sie im schwarzseidenen Kleide und weißen Hand-
schuhen zu erscheinen hatte, obwohl es außer einem
einzigen Fleischgericht nur noch ein leichtes Gemüse
und süße Speise gab.
Und endlich, als Fräulein v. Klees für einige
Tage das Bett hüten mußte, rückte Mia zur stell-
vertretenden Hofdame auf.

Srohherrog Friedrich von Laden und seine Semahlin. Nach einer Photographie von Mfred ltrauth-karlsruhe, Hofphotograph in Frankfurt a. NI. (5.60)


»I. IM.
 
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