Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Krell, F.: Mittelalterliche Wohnungsausstattung und Kleidertracht in Deutschland, [1]: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein von F. Krell
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0012

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
früher der Tummelplatz der ganzen Hausgenossenschaft zu
sein. Tine Vermehrung und Vergrößerung der Kammern,
herbeigeführt durch eine Vermehrung der Stockwerke, ent-
lastete ihn von einem Thcil seiner Funktionen. Nicht
durchweg, aber doch in allen bessern Däusern wanderte die
Familienbettstatt in ein eigenes Schlafzimmer, welch'
letzteres jedoch seine Abzweigung von dem gemeinsamen
Hauptraum insofern bekundete, als es spezielles Besuchs-
zimmer wurde. Insbesondere empfing die Hausfrau ihre
Besuche in diesem Raume. Es ist dies der Ursprung der
sog. guten Stube, welche durch die, in einer späteren
Epoche stattfindende Abzweigung des Salons sich des Bettes
entledigte.

Immer noch wurden indeß eigentliche Gesellschaften
im Bürgerhause keine gegeben. Die Pflichten und Ver-
gnügungen der Gastlichkeit machte man ab auf Herbergen

Thürflügel eines fpätgothifchen Schrankes.

Nach Hsendyck.

und Trinkstuben, Hiebei mag auch dessen Erwähnung ge-
schehen, daß die Bürger die städtischen Kauf- und Schauhäuser
zu Trinkhallen benützten. — Die Bürgerhäuser standen
an der Straße, während sich jene der vornehmen Herrn
durch einen vorgelegten Hof von ihr absonderten. Nicht
selten wurde der vordere Theil des Parterreraumes der
Bürgerhäuser zu einem gemeinsamen Lauben gang ver-
wendet. Diese Anordnung entsprach nun zwar vollkommen
dem mittelalterlichen Prinzip der Korporation, eignete sich
für unser Klima aber höchstens dann, wenn es sich uni
die sonnigen Seiten eines freien Platzes handelte. Spätere
Zeiten haben sie deshalb wieder fallen gelassen.

Mit dem Nebergang der Techniken in Laienhände,
hatte das Bürgerhaus in vielen Fällen nicht nur als Wohn-
haus zu dienen sondern zugleich als Werkstätte, man mußte
auf bessere Erleuchtung der Räume bedacht sein, und erhöhte
also die Stockwerke und vergrößerte die Fenster. Die Enge
der Straßen führte oft zur Entstehung von Däusern, welche
man mit Laternen vergleichen konnte. Da keine strenge
Bauordnung bestand, nützte der Einzelne seine Situation
durch Neberkragen der Stockwerke übereinander, durch An-

bringen von Erkern u. s. w. so gut aus, wie nur möglich.
Daraus ergab sich dann der so viel bewunderte, malerische
Anblick dieser alten Straßen. Diese wandbeseitigende Bau-
weise war aber für jene Zeit, welche die Eisenkonstruktion
noch nicht kannte, nur mittelst überwiegender Anwendung
des Holzes durchzuführen. Letzteres Material hatte außer-
dem den Vorzug, daß es sehr billig zu stehen kam, sowie,
daß seine Bearbeitung schneller von statten gieng, als die-
jenige des Steines. Bei bedeutenderen Däusern, deren Be-
sitzer ein Gewisses aufwenden konnte, wurde das Erdgeschoß
gerne überwölbt, woher denn der Name Gewölbe auf
Läden, Magazine, Werkstätten übergegangen ist.

Vorstehende Beschreibung hat natürlich keine absolute
Gültigkeit. Die Art und Meise des Baues wurde selbstver-
ständlich stark beeinflußt von den jeweils in den einzelnen
Landschaften vorhandenen Materialien. Während man sich

Thürflügel eines fpätgothifchen Schrankes.

Nach Hsendyck.

in den mittleren Gegenden von Deutschland fast ausschließlich
im Fachwerksbau ergieng, wurde in den südlichen und west-
lichen zugleich auch der Stein bau, in den nördlichen und
östlichen der Backsteinbau betrieben. Im Allgemeinen
aber ist die Vorliebe, welche diese Zeit für das Holz, und
für kühne und originelle Konstruktion in demselben hegte,
nicht zu verkennen. Zu letzteren boten die steil gewordenen
Giebel, welche in der Regel die Straßenfassaden bekrönten,
die nächste Gelegenheit.

Die liebevolle Ausgestaltung der Wohnung im Aeußeren
und noch mehr im Innern gab dem Kunst Handwerk
alle Hände voll zu thun. Bald verschaffte ihm durch die
Solidität und Vorzüglichkeit der Arbeit einen solchen Ruhm,
daß der inzwischen großartig entwickelte Handel mit dem
Ausland dessen Produkte als eine sehr vortheilhafte Export-
waare verwerthen konnte. Das Kunstgewerbe erhielt dadurch
natürlich einen neuen Ansporn zu weiterer Vervollkomm-
nung, wie nicht minder durch den innigen Kontakt mit
der Fremde auch eine Zufuhr von neuen Rohstoffen und
Motiven.

(Schluß folgt.)
 
Annotationen