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und kantigen Bildungsweise der tektonischen formen. Räan
ging darin bald so weit, daß man die Röcke, welche man
früher über den Kopf gestreift hatte, so sehr verengerte, daß
es nöthig wurde, um sie ausziehen zu können, dieselben der
ganzen Länge nach zu öffnen und mit Schnüren und Knöpfen
zu versehen, Faltenlos, wie angegossen saßen dieselben am
Körper. Die Stutzer gingen in der Kebertreibung so weit,
daß sie die Beinkleider gleichsam abschälen 'nutzten un zum
An- und Ausziehen besondere hülfe bedurften.
Bisher hatten, wie
wir
schon erwähnten,
die Kleider den Lharak-
ter von Draperien
gehabt, jetzt begann
beim Kostüm die Herr-
schaft der S ch e e r e, das
kunstreiche Zusammen-
setzen der Kleidungs-
stücke. Der zu bekleidende
Körper gab gleichsam
nur noch den Kern ab,
aus welchem ein, mehr
oder minder willkürlich
von ihm abweichendes
Kostümstück aufgeheftet
wurde. Ueber diese en-
gen Kleider zog man
dann freilich zumeist,
wenn man ausging,
weite lange Ueberröcke
an, einestheils zum
-chutz gegen die Kälte,
anderntheils um das
Ansehen der Ehrbarkeit
steigern. Kut der
(Dc't wurden aus diesen
langen ZNänteln von
verschiedener Fornr die
A m t s t r a ch t e n, da
das Bestreben vorwal-
tete, Alles in gesetzlich
geregelte Formen zu
bringen, weiterhin ent-
standen schließlich die
genauesten vorschrif-
len darüber, was die
einzelnen Stände tragen
durften, und was nicht,
deßgleichen aber auch
füglich dessen, wie
bet ->r 11 f <
er <1 u \ tu a n b
Beror
j5. Gothisches Wohnzimmer.
Gemälde von rNiclmel wolaemut (die niyftische Vermählung der heil. Latharina mit dem Jesuskinde),
in der k. Pinakothek. Gezeichnet von L. Sack.
rdnung
-* B0U „x Jungfrauen zu «iner
Wl bestimmt z. B., daß Frauen und D' Sk ^rfchneiden
Kappe nicht mehr, denn höchstens vrer L .uebr als eine
sollen, eine abermalige, daß ihre Kleider in ? miv bis
Viertelelle am Boden auflicgen, die Aernn <• hei
zum Boden reichen sollen. Die Uebertretung ^ ^und-
einer Patriziersfrau härter gestraft, als ber eu
wcrkersfrau.
Die Länge der Mäntel und der Umstand, daß vielfach,
entweder durch bloße Fortsetzung oder aber mittelst eines
Schulterkragens nebst Kapuze auch noch der Kopf derart
eingehüllt wurde, daß nur das Gesicht frei blieb, gaben der
Tracht der Männer auch in der gothischen Zeit etwas
Mönchisches. Sieht es nicht wie eine symbolische Hin-
deutung aus, wenn dann auf die kirchlich gemahnende Kapuze
noch der bürgerliche Hut gesetzt wurde?
Aehnlich verhielt es sich auch mit der Kleidung der
Frauen, welche häu-
fig, namentlich bei älte-
ren Frauen und witt-
wen, an die Tracht der
Nonnen erinnerte. Kopf
und hals wurden so
verhüllt, daß nur noch
das Gesicht frei blieb,
manchmal waren sogar
bloß Augen und Nase
unbedeckt. Dieser Sitte
begegnen wir wohl
auch schon in der Zeit
des romanischen Stiles,
aber die andere Art
des Zuschnittes in der
Zeit der Gothik ver-
stärkte den Ausdruck des
Vermummtseins, wie
bei den Männern wurde
nun die Gewandung
der Frauen, natürlich
wesentlich für den Gber-
körper anschließender
gemacht. Zn der zweiten
Hälfte dieses Zeitrau-
mes fügte man ein be-
sonderes , gerne mit
pelz und namentlich
Hermelin besetztes L e ib-
chen hinzu, wodurch
nun eigentlich erst das
Prinzip der romani-
fchen Tracht, die Ge-
wandung »nzerschnitten
von Kopf bis zu Fuß
gehen zu lassen, verab-
schiedet ward.
wir wollen alle die
Wandlungen, welche
die Tracht der Gothik
durchmachte, hier nicht
im Einzelnen verfolgen.
Ihrem extremen Wesen
entsprach es, zu einer Tracht zu gelangen, bei welcher der
Gürtel dicht unter die Brust hinaufgerückt wurde, während
das, in geraden Falten herabfließende Kleid sich zu einer
großen Schleppe verlängerte. Es ist ein und derselbe Sinn,
der dieses Koflünt erfand und den vielgekehlten, in unglaub-
liche höhe senkrecht einporschießenden Bündelpfeiler erstehen
ließ, dessen mannigfach geflächte und ausgewinkelte Basis
X
und kantigen Bildungsweise der tektonischen formen. Räan
ging darin bald so weit, daß man die Röcke, welche man
früher über den Kopf gestreift hatte, so sehr verengerte, daß
es nöthig wurde, um sie ausziehen zu können, dieselben der
ganzen Länge nach zu öffnen und mit Schnüren und Knöpfen
zu versehen, Faltenlos, wie angegossen saßen dieselben am
Körper. Die Stutzer gingen in der Kebertreibung so weit,
daß sie die Beinkleider gleichsam abschälen 'nutzten un zum
An- und Ausziehen besondere hülfe bedurften.
Bisher hatten, wie
wir
schon erwähnten,
die Kleider den Lharak-
ter von Draperien
gehabt, jetzt begann
beim Kostüm die Herr-
schaft der S ch e e r e, das
kunstreiche Zusammen-
setzen der Kleidungs-
stücke. Der zu bekleidende
Körper gab gleichsam
nur noch den Kern ab,
aus welchem ein, mehr
oder minder willkürlich
von ihm abweichendes
Kostümstück aufgeheftet
wurde. Ueber diese en-
gen Kleider zog man
dann freilich zumeist,
wenn man ausging,
weite lange Ueberröcke
an, einestheils zum
-chutz gegen die Kälte,
anderntheils um das
Ansehen der Ehrbarkeit
steigern. Kut der
(Dc't wurden aus diesen
langen ZNänteln von
verschiedener Fornr die
A m t s t r a ch t e n, da
das Bestreben vorwal-
tete, Alles in gesetzlich
geregelte Formen zu
bringen, weiterhin ent-
standen schließlich die
genauesten vorschrif-
len darüber, was die
einzelnen Stände tragen
durften, und was nicht,
deßgleichen aber auch
füglich dessen, wie
bet ->r 11 f <
er <1 u \ tu a n b
Beror
j5. Gothisches Wohnzimmer.
Gemälde von rNiclmel wolaemut (die niyftische Vermählung der heil. Latharina mit dem Jesuskinde),
in der k. Pinakothek. Gezeichnet von L. Sack.
rdnung
-* B0U „x Jungfrauen zu «iner
Wl bestimmt z. B., daß Frauen und D' Sk ^rfchneiden
Kappe nicht mehr, denn höchstens vrer L .uebr als eine
sollen, eine abermalige, daß ihre Kleider in ? miv bis
Viertelelle am Boden auflicgen, die Aernn <• hei
zum Boden reichen sollen. Die Uebertretung ^ ^und-
einer Patriziersfrau härter gestraft, als ber eu
wcrkersfrau.
Die Länge der Mäntel und der Umstand, daß vielfach,
entweder durch bloße Fortsetzung oder aber mittelst eines
Schulterkragens nebst Kapuze auch noch der Kopf derart
eingehüllt wurde, daß nur das Gesicht frei blieb, gaben der
Tracht der Männer auch in der gothischen Zeit etwas
Mönchisches. Sieht es nicht wie eine symbolische Hin-
deutung aus, wenn dann auf die kirchlich gemahnende Kapuze
noch der bürgerliche Hut gesetzt wurde?
Aehnlich verhielt es sich auch mit der Kleidung der
Frauen, welche häu-
fig, namentlich bei älte-
ren Frauen und witt-
wen, an die Tracht der
Nonnen erinnerte. Kopf
und hals wurden so
verhüllt, daß nur noch
das Gesicht frei blieb,
manchmal waren sogar
bloß Augen und Nase
unbedeckt. Dieser Sitte
begegnen wir wohl
auch schon in der Zeit
des romanischen Stiles,
aber die andere Art
des Zuschnittes in der
Zeit der Gothik ver-
stärkte den Ausdruck des
Vermummtseins, wie
bei den Männern wurde
nun die Gewandung
der Frauen, natürlich
wesentlich für den Gber-
körper anschließender
gemacht. Zn der zweiten
Hälfte dieses Zeitrau-
mes fügte man ein be-
sonderes , gerne mit
pelz und namentlich
Hermelin besetztes L e ib-
chen hinzu, wodurch
nun eigentlich erst das
Prinzip der romani-
fchen Tracht, die Ge-
wandung »nzerschnitten
von Kopf bis zu Fuß
gehen zu lassen, verab-
schiedet ward.
wir wollen alle die
Wandlungen, welche
die Tracht der Gothik
durchmachte, hier nicht
im Einzelnen verfolgen.
Ihrem extremen Wesen
entsprach es, zu einer Tracht zu gelangen, bei welcher der
Gürtel dicht unter die Brust hinaufgerückt wurde, während
das, in geraden Falten herabfließende Kleid sich zu einer
großen Schleppe verlängerte. Es ist ein und derselbe Sinn,
der dieses Koflünt erfand und den vielgekehlten, in unglaub-
liche höhe senkrecht einporschießenden Bündelpfeiler erstehen
ließ, dessen mannigfach geflächte und ausgewinkelte Basis
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